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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
lichen Eigentum gerechnet. Man betrachtet ihn als öffentlichen Ver-
kehrsweg und findet damit die Anknüpfung an die gesetzlichen Be-
stimmungen. Dieser Verkehrsweg hat freilich das Besondere, daß
niemand ihn benützen kann anders als in den dazu gestellten Transport-
mitteln und unter Leitung der damit betrauten Beamten und An-
gestellten. Der Bahnkörper leistet seine Dienste als öffentlicher Ver-
kehrsweg durch diese Vermittlung, -- zur Not kann man es so auf-
fassen -- aber niemals leistet er sie dem selbst zugreifenden Gemein-
gebrauch. Was dem Publikum unmittelbar geöffnet ist, das sind die
Eisenbahnwagen, aber diese durchaus nicht nach Gemeingebrauch und
nicht als öffentliches Eigentum, so wenig wie der Eilwagen, der auf
der Landstraße dahin rollt23.

Ähnlich ist das rechtliche Verhältnis bei den Kirchhöfen. Sie
sind öffentliches Eigentum der Gemeinden oder Kirchengesellschaften,
gleichviel; die Beschränkung auf eine bestimmte Glaubensgenossen-
schaft ändert nichts daran. Sie sind es aber nicht als Verkehrsplätze;
der Zutritt, den sie den Besuchern gestatten, ist doch bloß neben-
sächlicher Natur und auch nur in beschränkter Weise verstattet. Der
Hauptdienst, den sie leisten, ist der als Ruhestätte der Toten, im
öffentlichen Interesse der Gesundheit der Lebenden und des religiösen
Gefühles. Als solche Ruhestätte können sie aber keineswegs nach den
Regeln des usus publicus benützt werden. Niemand darf dafür an
den Kirchhof rühren als der amtliche Totengräber; durch dessen Ver-
mittlung bietet er den vielen Einzelnen die Beerdigungsplätze für

23 Wappäus, Dem Rechtsverkehr entzogene Sachen S. 107, will die Staats-
eisenbahnen als res publicae behandeln, weil "die Benützung jedem Zahlung an-
bietenden Reisenden gewährt werden muß". Das Fahrgeld stehe dem Chaussee-
geld gleich. Dabei sind aber offenbar die Eisenbahnwagen mit dem Bahnkörper
verwechselt. -- v. Stengel in Wörterbuch II S. 184 versagt umgekehrt dem
Bahnkörper die Eigenschaft als öffentliche Sache, "da nicht jedermann den Bahn-
körper für sich benützen kann, sondern für die Bahnverwaltung nur die Ver-
pflichtung besteht, mit jedem, der es verlangt, Verträge über Beförderung zu
schließen." Das ist ein guter Grund, um das Vorhandensein eines usus publicus
zu verneinen; ein Grund gegen die Eigenschaft als öffentliche Sache wäre es nur
dann, wenn zu dieser unbedingt usus publicus gehörte. Das ist aber nicht der
Fall. -- Für eine res extra commercium erklärt den Bahnkörper R.G. 4. Okt. 1881
(Samml. V S. 333). Anderer Meinung vielleicht R.G. 20. Mai 1887 (Samml. XVIII
S. 341): es handle sich da nur um "eine durch den thatsächlichen Zustand be-
dingte Beschränkung der Verkehrsfähigkeit". Genau betrachtet könnte das doch
eine öffentliche Sache bedeuten sollen. O.V.G. 8. Mai 1884 erklärt den Eisenbahn-
körper für "eine öffentliche Straße in gewissem Sinne"; nur sei diese Straße be-
sonderer Art.

§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
lichen Eigentum gerechnet. Man betrachtet ihn als öffentlichen Ver-
kehrsweg und findet damit die Anknüpfung an die gesetzlichen Be-
stimmungen. Dieser Verkehrsweg hat freilich das Besondere, daß
niemand ihn benützen kann anders als in den dazu gestellten Transport-
mitteln und unter Leitung der damit betrauten Beamten und An-
gestellten. Der Bahnkörper leistet seine Dienste als öffentlicher Ver-
kehrsweg durch diese Vermittlung, — zur Not kann man es so auf-
fassen — aber niemals leistet er sie dem selbst zugreifenden Gemein-
gebrauch. Was dem Publikum unmittelbar geöffnet ist, das sind die
Eisenbahnwagen, aber diese durchaus nicht nach Gemeingebrauch und
nicht als öffentliches Eigentum, so wenig wie der Eilwagen, der auf
der Landstraße dahin rollt23.

Ähnlich ist das rechtliche Verhältnis bei den Kirchhöfen. Sie
sind öffentliches Eigentum der Gemeinden oder Kirchengesellschaften,
gleichviel; die Beschränkung auf eine bestimmte Glaubensgenossen-
schaft ändert nichts daran. Sie sind es aber nicht als Verkehrsplätze;
der Zutritt, den sie den Besuchern gestatten, ist doch bloß neben-
sächlicher Natur und auch nur in beschränkter Weise verstattet. Der
Hauptdienst, den sie leisten, ist der als Ruhestätte der Toten, im
öffentlichen Interesse der Gesundheit der Lebenden und des religiösen
Gefühles. Als solche Ruhestätte können sie aber keineswegs nach den
Regeln des usus publicus benützt werden. Niemand darf dafür an
den Kirchhof rühren als der amtliche Totengräber; durch dessen Ver-
mittlung bietet er den vielen Einzelnen die Beerdigungsplätze für

23 Wappäus, Dem Rechtsverkehr entzogene Sachen S. 107, will die Staats-
eisenbahnen als res publicae behandeln, weil „die Benützung jedem Zahlung an-
bietenden Reisenden gewährt werden muß“. Das Fahrgeld stehe dem Chaussee-
geld gleich. Dabei sind aber offenbar die Eisenbahnwagen mit dem Bahnkörper
verwechselt. — v. Stengel in Wörterbuch II S. 184 versagt umgekehrt dem
Bahnkörper die Eigenschaft als öffentliche Sache, „da nicht jedermann den Bahn-
körper für sich benützen kann, sondern für die Bahnverwaltung nur die Ver-
pflichtung besteht, mit jedem, der es verlangt, Verträge über Beförderung zu
schließen.“ Das ist ein guter Grund, um das Vorhandensein eines usus publicus
zu verneinen; ein Grund gegen die Eigenschaft als öffentliche Sache wäre es nur
dann, wenn zu dieser unbedingt usus publicus gehörte. Das ist aber nicht der
Fall. — Für eine res extra commercium erklärt den Bahnkörper R.G. 4. Okt. 1881
(Samml. V S. 333). Anderer Meinung vielleicht R.G. 20. Mai 1887 (Samml. XVIII
S. 341): es handle sich da nur um „eine durch den thatsächlichen Zustand be-
dingte Beschränkung der Verkehrsfähigkeit“. Genau betrachtet könnte das doch
eine öffentliche Sache bedeuten sollen. O.V.G. 8. Mai 1884 erklärt den Eisenbahn-
körper für „eine öffentliche Straße in gewissem Sinne“; nur sei diese Straße be-
sonderer Art.
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[77/0089] § 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums. lichen Eigentum gerechnet. Man betrachtet ihn als öffentlichen Ver- kehrsweg und findet damit die Anknüpfung an die gesetzlichen Be- stimmungen. Dieser Verkehrsweg hat freilich das Besondere, daß niemand ihn benützen kann anders als in den dazu gestellten Transport- mitteln und unter Leitung der damit betrauten Beamten und An- gestellten. Der Bahnkörper leistet seine Dienste als öffentlicher Ver- kehrsweg durch diese Vermittlung, — zur Not kann man es so auf- fassen — aber niemals leistet er sie dem selbst zugreifenden Gemein- gebrauch. Was dem Publikum unmittelbar geöffnet ist, das sind die Eisenbahnwagen, aber diese durchaus nicht nach Gemeingebrauch und nicht als öffentliches Eigentum, so wenig wie der Eilwagen, der auf der Landstraße dahin rollt 23. Ähnlich ist das rechtliche Verhältnis bei den Kirchhöfen. Sie sind öffentliches Eigentum der Gemeinden oder Kirchengesellschaften, gleichviel; die Beschränkung auf eine bestimmte Glaubensgenossen- schaft ändert nichts daran. Sie sind es aber nicht als Verkehrsplätze; der Zutritt, den sie den Besuchern gestatten, ist doch bloß neben- sächlicher Natur und auch nur in beschränkter Weise verstattet. Der Hauptdienst, den sie leisten, ist der als Ruhestätte der Toten, im öffentlichen Interesse der Gesundheit der Lebenden und des religiösen Gefühles. Als solche Ruhestätte können sie aber keineswegs nach den Regeln des usus publicus benützt werden. Niemand darf dafür an den Kirchhof rühren als der amtliche Totengräber; durch dessen Ver- mittlung bietet er den vielen Einzelnen die Beerdigungsplätze für 23 Wappäus, Dem Rechtsverkehr entzogene Sachen S. 107, will die Staats- eisenbahnen als res publicae behandeln, weil „die Benützung jedem Zahlung an- bietenden Reisenden gewährt werden muß“. Das Fahrgeld stehe dem Chaussee- geld gleich. Dabei sind aber offenbar die Eisenbahnwagen mit dem Bahnkörper verwechselt. — v. Stengel in Wörterbuch II S. 184 versagt umgekehrt dem Bahnkörper die Eigenschaft als öffentliche Sache, „da nicht jedermann den Bahn- körper für sich benützen kann, sondern für die Bahnverwaltung nur die Ver- pflichtung besteht, mit jedem, der es verlangt, Verträge über Beförderung zu schließen.“ Das ist ein guter Grund, um das Vorhandensein eines usus publicus zu verneinen; ein Grund gegen die Eigenschaft als öffentliche Sache wäre es nur dann, wenn zu dieser unbedingt usus publicus gehörte. Das ist aber nicht der Fall. — Für eine res extra commercium erklärt den Bahnkörper R.G. 4. Okt. 1881 (Samml. V S. 333). Anderer Meinung vielleicht R.G. 20. Mai 1887 (Samml. XVIII S. 341): es handle sich da nur um „eine durch den thatsächlichen Zustand be- dingte Beschränkung der Verkehrsfähigkeit“. Genau betrachtet könnte das doch eine öffentliche Sache bedeuten sollen. O.V.G. 8. Mai 1884 erklärt den Eisenbahn- körper für „eine öffentliche Straße in gewissem Sinne“; nur sei diese Straße be- sonderer Art.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/89>, abgerufen am 25.04.2024.