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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
liche Eigentumsbeschränkung, die öffentlichrechtliche Grunddienst-
barkeit u. s. w.13.

Das ist die Lehre, die in neuerer Zeit zusehends an Einfluß und
Beachtung gewinnt. Aus dem Zusammenhang unseres Verwaltungs-
rechts heraus erkennen wir sie auch als die einzig richtige. Daß sie
noch durchaus nicht als die herrschende bezeichnet werden kann,
darf uns daran nicht stören. Wenn sie allerwege noch halben Zu-
stimmungen, Übergangsmeinungen, Rückfällen in ältere Auffassungen
begegnet, so ist das nur die notwendige Folge der Unfertigkeit unserer
Wissenschaft vom Verwaltungsrecht.

Was hilft es, daß unsere Romanisten sagen: dieses Eigentum
ist nach öffentlichem Recht zu beurteilen, wenn man nicht genau und
bestimmt anzugeben weiß, was denn nun dort drüben, auf dem Gebiete
des öffentlichen Rechtes, Eigentum bedeutet? Die solide Rechts-
wissenschaft bleibt da lieber auf dem sicheren vertrauten Boden stehen
und behilft sich mit der Anerkennung, daß hier etwas Besonderes,
Ungewöhnliches hereinragt, das sie nicht weiter erklären kann. So
entsteht die häufig gebrauchte Formel: das Eigentum des Staates an
den öffentlichen Sachen ist einfaches Privateigentum, nur beschränkt
durch den Gemeingebrauch14. Die Halbheit und Ungenügendheit

13 Diesen Begriff des öffentlichen Eigentums hat Dernburg in seinem Gut-
achten zum Baseler Schanzenstreit (S. 17) folgendermaßen wiederzugeben gesucht:
"Das Eigentum des Staates an den öffentlichen Sachen ist aber freilich nicht ein-
faches Eigentum, wie es Private inne haben." Der Staat hat vielmehr hier "seine
Rechtsstellung über die eines gewöhnlichen Eigentümers hinaus erhoben, sein Recht
als ein unveränderliches, unantastbares erklärt und diese Sachen außerhalb des
Vermögensverkehrs gestellt. Wir können nichts dagegen einwenden, wenn man
dieses Recht als ein hoheitliches bezeichnet, weil es durch das öffentliche Recht
wesentlich in Form und Inhalt bestimmt wird." -- Ihren vollkommensten Ausdruck
dürfte die neue Auffassung gefunden haben in der kleinen aber bedeutsamen Schrift
von Eisele, Das Rechtsverhältnis der res publicae in publico usu nach römischem
Recht. Dort heißt es: "Das Rechtsverhältnis der öffentlichen Sachen gehört, und
zwar ganz und nach allen Seiten, dem jus publicum an" (S. 21); "Das Recht des
Staates an den öffentlichen Sachen (ist) zu bezeichnen als Eigentum des jus publicum
oder als publizistisches Eigentum" (S. 24). -- Es darf wohl hervorgehoben werden,
daß Eisele hier, ohne sie zu kennen, geraden Weges die Auffassung der französi-
schen Verwaltungsrechtswissenschaft wiedergiebt, welche ich meinerseits, ohne
Eisele zu kennen, in Theorie des Franz. V.R. S. 229, fast wörtlich mit ihm überein-
stimmend dahin zusammengefaßt habe: "Domaine public ist ein Eigentum des
Staates, welches dem öffentlichen Rechte unterliegt."
14 Bruns in Holtzendorff Encyklop. I S. 276: "Das römische Recht behandelt
diese Sachen nach altrepublikanischem Dogma als ein Korporationseigentum des
Volkes und giebt allgemeine Popularklagen zum Schutze der Benützung. Bei uns
sind sie einfaches Eigentum des Staates, was nur durch die Bestimmung zur all-

§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
liche Eigentumsbeschränkung, die öffentlichrechtliche Grunddienst-
barkeit u. s. w.13.

Das ist die Lehre, die in neuerer Zeit zusehends an Einfluß und
Beachtung gewinnt. Aus dem Zusammenhang unseres Verwaltungs-
rechts heraus erkennen wir sie auch als die einzig richtige. Daß sie
noch durchaus nicht als die herrschende bezeichnet werden kann,
darf uns daran nicht stören. Wenn sie allerwege noch halben Zu-
stimmungen, Übergangsmeinungen, Rückfällen in ältere Auffassungen
begegnet, so ist das nur die notwendige Folge der Unfertigkeit unserer
Wissenschaft vom Verwaltungsrecht.

Was hilft es, daß unsere Romanisten sagen: dieses Eigentum
ist nach öffentlichem Recht zu beurteilen, wenn man nicht genau und
bestimmt anzugeben weiß, was denn nun dort drüben, auf dem Gebiete
des öffentlichen Rechtes, Eigentum bedeutet? Die solide Rechts-
wissenschaft bleibt da lieber auf dem sicheren vertrauten Boden stehen
und behilft sich mit der Anerkennung, daß hier etwas Besonderes,
Ungewöhnliches hereinragt, das sie nicht weiter erklären kann. So
entsteht die häufig gebrauchte Formel: das Eigentum des Staates an
den öffentlichen Sachen ist einfaches Privateigentum, nur beschränkt
durch den Gemeingebrauch14. Die Halbheit und Ungenügendheit

13 Diesen Begriff des öffentlichen Eigentums hat Dernburg in seinem Gut-
achten zum Baseler Schanzenstreit (S. 17) folgendermaßen wiederzugeben gesucht:
„Das Eigentum des Staates an den öffentlichen Sachen ist aber freilich nicht ein-
faches Eigentum, wie es Private inne haben.“ Der Staat hat vielmehr hier „seine
Rechtsstellung über die eines gewöhnlichen Eigentümers hinaus erhoben, sein Recht
als ein unveränderliches, unantastbares erklärt und diese Sachen außerhalb des
Vermögensverkehrs gestellt. Wir können nichts dagegen einwenden, wenn man
dieses Recht als ein hoheitliches bezeichnet, weil es durch das öffentliche Recht
wesentlich in Form und Inhalt bestimmt wird.“ — Ihren vollkommensten Ausdruck
dürfte die neue Auffassung gefunden haben in der kleinen aber bedeutsamen Schrift
von Eisele, Das Rechtsverhältnis der res publicae in publico usu nach römischem
Recht. Dort heißt es: „Das Rechtsverhältnis der öffentlichen Sachen gehört, und
zwar ganz und nach allen Seiten, dem jus publicum an“ (S. 21); „Das Recht des
Staates an den öffentlichen Sachen (ist) zu bezeichnen als Eigentum des jus publicum
oder als publizistisches Eigentum“ (S. 24). — Es darf wohl hervorgehoben werden,
daß Eisele hier, ohne sie zu kennen, geraden Weges die Auffassung der französi-
schen Verwaltungsrechtswissenschaft wiedergiebt, welche ich meinerseits, ohne
Eisele zu kennen, in Theorie des Franz. V.R. S. 229, fast wörtlich mit ihm überein-
stimmend dahin zusammengefaßt habe: „Domaine public ist ein Eigentum des
Staates, welches dem öffentlichen Rechte unterliegt.“
14 Bruns in Holtzendorff Encyklop. I S. 276: „Das römische Recht behandelt
diese Sachen nach altrepublikanischem Dogma als ein Korporationseigentum des
Volkes und giebt allgemeine Popularklagen zum Schutze der Benützung. Bei uns
sind sie einfaches Eigentum des Staates, was nur durch die Bestimmung zur all-
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[69/0081] § 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums. liche Eigentumsbeschränkung, die öffentlichrechtliche Grunddienst- barkeit u. s. w. 13. Das ist die Lehre, die in neuerer Zeit zusehends an Einfluß und Beachtung gewinnt. Aus dem Zusammenhang unseres Verwaltungs- rechts heraus erkennen wir sie auch als die einzig richtige. Daß sie noch durchaus nicht als die herrschende bezeichnet werden kann, darf uns daran nicht stören. Wenn sie allerwege noch halben Zu- stimmungen, Übergangsmeinungen, Rückfällen in ältere Auffassungen begegnet, so ist das nur die notwendige Folge der Unfertigkeit unserer Wissenschaft vom Verwaltungsrecht. Was hilft es, daß unsere Romanisten sagen: dieses Eigentum ist nach öffentlichem Recht zu beurteilen, wenn man nicht genau und bestimmt anzugeben weiß, was denn nun dort drüben, auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes, Eigentum bedeutet? Die solide Rechts- wissenschaft bleibt da lieber auf dem sicheren vertrauten Boden stehen und behilft sich mit der Anerkennung, daß hier etwas Besonderes, Ungewöhnliches hereinragt, das sie nicht weiter erklären kann. So entsteht die häufig gebrauchte Formel: das Eigentum des Staates an den öffentlichen Sachen ist einfaches Privateigentum, nur beschränkt durch den Gemeingebrauch 14. Die Halbheit und Ungenügendheit 13 Diesen Begriff des öffentlichen Eigentums hat Dernburg in seinem Gut- achten zum Baseler Schanzenstreit (S. 17) folgendermaßen wiederzugeben gesucht: „Das Eigentum des Staates an den öffentlichen Sachen ist aber freilich nicht ein- faches Eigentum, wie es Private inne haben.“ Der Staat hat vielmehr hier „seine Rechtsstellung über die eines gewöhnlichen Eigentümers hinaus erhoben, sein Recht als ein unveränderliches, unantastbares erklärt und diese Sachen außerhalb des Vermögensverkehrs gestellt. Wir können nichts dagegen einwenden, wenn man dieses Recht als ein hoheitliches bezeichnet, weil es durch das öffentliche Recht wesentlich in Form und Inhalt bestimmt wird.“ — Ihren vollkommensten Ausdruck dürfte die neue Auffassung gefunden haben in der kleinen aber bedeutsamen Schrift von Eisele, Das Rechtsverhältnis der res publicae in publico usu nach römischem Recht. Dort heißt es: „Das Rechtsverhältnis der öffentlichen Sachen gehört, und zwar ganz und nach allen Seiten, dem jus publicum an“ (S. 21); „Das Recht des Staates an den öffentlichen Sachen (ist) zu bezeichnen als Eigentum des jus publicum oder als publizistisches Eigentum“ (S. 24). — Es darf wohl hervorgehoben werden, daß Eisele hier, ohne sie zu kennen, geraden Weges die Auffassung der französi- schen Verwaltungsrechtswissenschaft wiedergiebt, welche ich meinerseits, ohne Eisele zu kennen, in Theorie des Franz. V.R. S. 229, fast wörtlich mit ihm überein- stimmend dahin zusammengefaßt habe: „Domaine public ist ein Eigentum des Staates, welches dem öffentlichen Rechte unterliegt.“ 14 Bruns in Holtzendorff Encyklop. I S. 276: „Das römische Recht behandelt diese Sachen nach altrepublikanischem Dogma als ein Korporationseigentum des Volkes und giebt allgemeine Popularklagen zum Schutze der Benützung. Bei uns sind sie einfaches Eigentum des Staates, was nur durch die Bestimmung zur all-

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/81>, abgerufen am 29.03.2024.