Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Das öffentliche Sachenrecht.

Diese Auffassung hat keinen anderen Wert als den, ein Zeichen
zu sein, daß die Fiskustheorie auch in ihrer Anwendung auf die öffent-
lichen Sachen in der Zersetzung begriffen ist, -- ein Vorgang, dessen
wir auch ohnedies gewiß sein könnten.

3. Unser Verwaltungsrecht beginnt mit der Abschüttlung aller
Reste der polizeistaatlichen Fiskustheorie. Die einheitlich gedachte
öffentliche Gewalt ist der Gegenstand seiner Betrachtung, wie sie sich
frei entfaltet in der ganzen Fülle ihrer Lebensäußerungen. Eine da-
von ist das Eigentum des Staates an öffentlichen Sachen. Die neue
Auffassung wird wesentlich getragen von unseren romanistischen
Theoretikern. Es ergiebt sich hier der seltene Fall, -- er brauchte
gar nicht so selten zu sein -- daß unser öffentliches Recht seine
Lehre unmittelbar anknüpft an römischrechtliche Begriffe und das
römische Recht zum Lehrmeister wird für das deutsche Verwaltungs-
recht.

In den res publicae hat man nach den wohl verstandenen Quellen
Sachen zu sehen, welche dem römischen Volke, der Staatspersönlichkeit,
gehören zu Eigentum. Aber nicht zu Eigentum nach Civilrecht; das
römische Volk als solches lebt nicht nach Civilrecht. Auch wenn ihm
Eigentum gehört, erscheint darin noch seine hoheitliche Macht, die
majestas populi Romani.

In dieser Weise sind auch unsere öffentlichen Sachen im Eigentum
des Staates in einer anderen Art Eigentum, als das Privateigentum
ist. Dieses Eigentum ist öffentliches Eigentum im Sinne von öffent-
lichrechtlichem
Eigentum. Es tritt als ein verwandtes Rechts-
institut, im Gegensatz zu den entsprechenden Civilrechtsinstituten, in
die Reihe neben den öffentlichrechtlichen Vertrag, die öffentlichrecht-

zelnen an dem Flusse und dem dazu gehörigen Bette aus" ... "deshalb hat niemand
ein Privateigentum an dem Bette des Flusses, und zwar weder der Fiskus, noch die
Anlieger." Dagegen hat jedermann das Recht, sich die im Flusse befindlichen
Steine zuzueignen, "auch der Fiskus". Wenn das gemeine Eigentum des Staates
das Eigentum jedes Einzelnen an dem Bette ausschließt, so, sollte man meinen,
würde es doch wenigstens das Eigentum des Staates selbst nicht ausschließen.
Aber der Staat des Reichsgerichts ist der "eigentliche Staat", die reine hoheitliche
Gewalt der Polizeistaatsanschauung; dieser Staat kann, wie Wappäus ganz richtig
sagt, kein Eigentum ausüben. Und da kommt dann der Fiskus, dieser Realist,
und zieht ihm die Steinblöcke aus seinem Bette! -- Sachlich kommt man mit
dieser Auffassung von dem, was der Staat an der öffentlichen Sache hat, wieder
ganz auf den alten Standpunkt zurück von Struve, Fritsch und ihren unbewußten
Erneuerern Keller und Jhering, nur daß diese der Sache doch wenigstens einen
scheinbaren Herrn geben im usus publicus, während sie jetzt einfach als herrenlos
sich bekennt.
Das öffentliche Sachenrecht.

Diese Auffassung hat keinen anderen Wert als den, ein Zeichen
zu sein, daß die Fiskustheorie auch in ihrer Anwendung auf die öffent-
lichen Sachen in der Zersetzung begriffen ist, — ein Vorgang, dessen
wir auch ohnedies gewiß sein könnten.

3. Unser Verwaltungsrecht beginnt mit der Abschüttlung aller
Reste der polizeistaatlichen Fiskustheorie. Die einheitlich gedachte
öffentliche Gewalt ist der Gegenstand seiner Betrachtung, wie sie sich
frei entfaltet in der ganzen Fülle ihrer Lebensäußerungen. Eine da-
von ist das Eigentum des Staates an öffentlichen Sachen. Die neue
Auffassung wird wesentlich getragen von unseren romanistischen
Theoretikern. Es ergiebt sich hier der seltene Fall, — er brauchte
gar nicht so selten zu sein — daß unser öffentliches Recht seine
Lehre unmittelbar anknüpft an römischrechtliche Begriffe und das
römische Recht zum Lehrmeister wird für das deutsche Verwaltungs-
recht.

In den res publicae hat man nach den wohl verstandenen Quellen
Sachen zu sehen, welche dem römischen Volke, der Staatspersönlichkeit,
gehören zu Eigentum. Aber nicht zu Eigentum nach Civilrecht; das
römische Volk als solches lebt nicht nach Civilrecht. Auch wenn ihm
Eigentum gehört, erscheint darin noch seine hoheitliche Macht, die
majestas populi Romani.

In dieser Weise sind auch unsere öffentlichen Sachen im Eigentum
des Staates in einer anderen Art Eigentum, als das Privateigentum
ist. Dieses Eigentum ist öffentliches Eigentum im Sinne von öffent-
lichrechtlichem
Eigentum. Es tritt als ein verwandtes Rechts-
institut, im Gegensatz zu den entsprechenden Civilrechtsinstituten, in
die Reihe neben den öffentlichrechtlichen Vertrag, die öffentlichrecht-

zelnen an dem Flusse und dem dazu gehörigen Bette aus“ … „deshalb hat niemand
ein Privateigentum an dem Bette des Flusses, und zwar weder der Fiskus, noch die
Anlieger.“ Dagegen hat jedermann das Recht, sich die im Flusse befindlichen
Steine zuzueignen, „auch der Fiskus“. Wenn das gemeine Eigentum des Staates
das Eigentum jedes Einzelnen an dem Bette ausschließt, so, sollte man meinen,
würde es doch wenigstens das Eigentum des Staates selbst nicht ausschließen.
Aber der Staat des Reichsgerichts ist der „eigentliche Staat“, die reine hoheitliche
Gewalt der Polizeistaatsanschauung; dieser Staat kann, wie Wappäus ganz richtig
sagt, kein Eigentum ausüben. Und da kommt dann der Fiskus, dieser Realist,
und zieht ihm die Steinblöcke aus seinem Bette! — Sachlich kommt man mit
dieser Auffassung von dem, was der Staat an der öffentlichen Sache hat, wieder
ganz auf den alten Standpunkt zurück von Struve, Fritsch und ihren unbewußten
Erneuerern Keller und Jhering, nur daß diese der Sache doch wenigstens einen
scheinbaren Herrn geben im usus publicus, während sie jetzt einfach als herrenlos
sich bekennt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0080" n="68"/>
              <fw place="top" type="header">Das öffentliche Sachenrecht.</fw><lb/>
              <p>Diese Auffassung hat keinen anderen Wert als den, ein Zeichen<lb/>
zu sein, daß die Fiskustheorie auch in ihrer Anwendung auf die öffent-<lb/>
lichen Sachen in der Zersetzung begriffen ist, &#x2014; ein Vorgang, dessen<lb/>
wir auch ohnedies gewiß sein könnten.</p><lb/>
              <p>3. Unser Verwaltungsrecht beginnt mit der Abschüttlung aller<lb/>
Reste der polizeistaatlichen Fiskustheorie. Die einheitlich gedachte<lb/>
öffentliche Gewalt ist der Gegenstand seiner Betrachtung, wie sie sich<lb/>
frei entfaltet in der ganzen Fülle ihrer Lebensäußerungen. Eine da-<lb/>
von ist das Eigentum des Staates an öffentlichen Sachen. Die neue<lb/>
Auffassung wird wesentlich getragen von unseren romanistischen<lb/>
Theoretikern. Es ergiebt sich hier der seltene Fall, &#x2014; er brauchte<lb/>
gar nicht so selten zu sein &#x2014; daß unser öffentliches Recht seine<lb/>
Lehre unmittelbar anknüpft an römischrechtliche Begriffe und das<lb/>
römische Recht zum Lehrmeister wird für das deutsche Verwaltungs-<lb/>
recht.</p><lb/>
              <p>In den res publicae hat man nach den wohl verstandenen Quellen<lb/>
Sachen zu sehen, welche dem römischen Volke, der Staatspersönlichkeit,<lb/>
gehören zu Eigentum. Aber nicht zu Eigentum nach Civilrecht; das<lb/>
römische Volk als solches lebt nicht nach Civilrecht. Auch wenn ihm<lb/>
Eigentum gehört, erscheint darin noch seine hoheitliche Macht, die<lb/>
majestas populi Romani.</p><lb/>
              <p>In dieser Weise sind auch unsere öffentlichen Sachen im Eigentum<lb/>
des Staates in einer anderen Art Eigentum, als das Privateigentum<lb/>
ist. Dieses Eigentum ist öffentliches Eigentum im Sinne von <hi rendition="#g">öffent-<lb/>
lichrechtlichem</hi> Eigentum. Es tritt als ein verwandtes Rechts-<lb/>
institut, im Gegensatz zu den entsprechenden Civilrechtsinstituten, in<lb/>
die Reihe neben den öffentlichrechtlichen Vertrag, die öffentlichrecht-<lb/><note xml:id="seg2pn_21_2" prev="#seg2pn_21_1" place="foot" n="12">zelnen an dem Flusse und dem dazu gehörigen Bette aus&#x201C; &#x2026; &#x201E;deshalb hat niemand<lb/>
ein Privateigentum an dem Bette des Flusses, und zwar weder der Fiskus, noch die<lb/>
Anlieger.&#x201C; Dagegen hat jedermann das Recht, sich die im Flusse befindlichen<lb/>
Steine zuzueignen, &#x201E;auch der Fiskus&#x201C;. Wenn das gemeine Eigentum des Staates<lb/>
das Eigentum jedes Einzelnen an dem Bette ausschließt, so, sollte man meinen,<lb/>
würde es doch wenigstens das Eigentum des Staates selbst nicht ausschließen.<lb/>
Aber der Staat des Reichsgerichts ist der &#x201E;eigentliche Staat&#x201C;, die reine hoheitliche<lb/>
Gewalt der Polizeistaatsanschauung; dieser Staat kann, wie Wappäus ganz richtig<lb/>
sagt, kein Eigentum ausüben. Und da kommt dann der Fiskus, dieser Realist,<lb/>
und zieht ihm die Steinblöcke aus seinem Bette! &#x2014; Sachlich kommt man mit<lb/>
dieser Auffassung von dem, was der Staat an der öffentlichen Sache hat, wieder<lb/>
ganz auf den alten Standpunkt zurück von Struve, Fritsch und ihren unbewußten<lb/>
Erneuerern Keller und Jhering, nur daß diese der Sache doch wenigstens einen<lb/>
scheinbaren Herrn geben im usus publicus, während sie jetzt einfach als herrenlos<lb/>
sich bekennt.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0080] Das öffentliche Sachenrecht. Diese Auffassung hat keinen anderen Wert als den, ein Zeichen zu sein, daß die Fiskustheorie auch in ihrer Anwendung auf die öffent- lichen Sachen in der Zersetzung begriffen ist, — ein Vorgang, dessen wir auch ohnedies gewiß sein könnten. 3. Unser Verwaltungsrecht beginnt mit der Abschüttlung aller Reste der polizeistaatlichen Fiskustheorie. Die einheitlich gedachte öffentliche Gewalt ist der Gegenstand seiner Betrachtung, wie sie sich frei entfaltet in der ganzen Fülle ihrer Lebensäußerungen. Eine da- von ist das Eigentum des Staates an öffentlichen Sachen. Die neue Auffassung wird wesentlich getragen von unseren romanistischen Theoretikern. Es ergiebt sich hier der seltene Fall, — er brauchte gar nicht so selten zu sein — daß unser öffentliches Recht seine Lehre unmittelbar anknüpft an römischrechtliche Begriffe und das römische Recht zum Lehrmeister wird für das deutsche Verwaltungs- recht. In den res publicae hat man nach den wohl verstandenen Quellen Sachen zu sehen, welche dem römischen Volke, der Staatspersönlichkeit, gehören zu Eigentum. Aber nicht zu Eigentum nach Civilrecht; das römische Volk als solches lebt nicht nach Civilrecht. Auch wenn ihm Eigentum gehört, erscheint darin noch seine hoheitliche Macht, die majestas populi Romani. In dieser Weise sind auch unsere öffentlichen Sachen im Eigentum des Staates in einer anderen Art Eigentum, als das Privateigentum ist. Dieses Eigentum ist öffentliches Eigentum im Sinne von öffent- lichrechtlichem Eigentum. Es tritt als ein verwandtes Rechts- institut, im Gegensatz zu den entsprechenden Civilrechtsinstituten, in die Reihe neben den öffentlichrechtlichen Vertrag, die öffentlichrecht- 12 12 zelnen an dem Flusse und dem dazu gehörigen Bette aus“ … „deshalb hat niemand ein Privateigentum an dem Bette des Flusses, und zwar weder der Fiskus, noch die Anlieger.“ Dagegen hat jedermann das Recht, sich die im Flusse befindlichen Steine zuzueignen, „auch der Fiskus“. Wenn das gemeine Eigentum des Staates das Eigentum jedes Einzelnen an dem Bette ausschließt, so, sollte man meinen, würde es doch wenigstens das Eigentum des Staates selbst nicht ausschließen. Aber der Staat des Reichsgerichts ist der „eigentliche Staat“, die reine hoheitliche Gewalt der Polizeistaatsanschauung; dieser Staat kann, wie Wappäus ganz richtig sagt, kein Eigentum ausüben. Und da kommt dann der Fiskus, dieser Realist, und zieht ihm die Steinblöcke aus seinem Bette! — Sachlich kommt man mit dieser Auffassung von dem, was der Staat an der öffentlichen Sache hat, wieder ganz auf den alten Standpunkt zurück von Struve, Fritsch und ihren unbewußten Erneuerern Keller und Jhering, nur daß diese der Sache doch wenigstens einen scheinbaren Herrn geben im usus publicus, während sie jetzt einfach als herrenlos sich bekennt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/80
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/80>, abgerufen am 29.03.2024.