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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.
bloß der Verschleppung vorgebeugt, sondern auch dem Rücktrittsrecht,
wenn nicht rechtlich, so doch thatsächlich eine Grenze gesteckt.

Voraussetzung ist stets, daß mindestens die Feststellung des Ent-
eignungsgegenstandes bereits erfolgt ist; erst dann hat man eine Grund-
lage für die Bemessung des Entschädigungsbetrages und den bestimmten
Gegner des Unternehmers, der vorgehen könnte.

Von da ab aber kann das Maß dessen, was noch in dem Selbst-
betrieb dieses Gegners enthalten ist, verschieden ausgedrückt sein.

Das Ziel ist immer die Enteignungsentschädigung. Wo nun das
Gesetz sie festsetzen läßt nach vollendeter Enteignung, kann es dem
Eigentümer gestattet sein, auch diese selbst zu bewirken: sobald der
Enteignungsgegenstand feststeht, kann er den Enteignungsausspruch
beantragen und nach dem Enteignungsausspruch, ob der Unternehmer
ihn erwirkt hatte oder er selbst, das Entschädigungverfahren38.

Wo die Festsetzung der Entschädigung vor dem Enteignungs-
ausspruch zu geschehen hat, wird es genügen, das Selbstbetriebsrecht
für jenen allein zu geben. Der Enteignungsausspruch bleibt außerhalb
des Einflusses des Betroffenen39.

Noch ein Stück weiter hinaus legt die Gesetzgebung das Selbst-
betriebsrecht, indem sie es erst eintreten läßt dann, wenn auch die
Festsetzung der Entschädigung im ordentlichen Gang des Enteignungs-
verfahrens schon erfolgt ist. Hier handelt es sich dann nur darum,
das Zuerkannte zu Gunsten des betroffenen Eigentümers selbständig
in Vollzug zu setzen40.

38 Franz. Enteignungsges. v. 1841 Art. 14 al. 2: Nach Ablauf eines Jahres
von dem Beschluß des Präfekten, der die zu enteignenden Grundstücke bezeichnet,
kann der Eigentümer selbständig bei Gericht Antrag stellen auf Erlaß des Ent-
eignungsurteils; Art. 55: Nach Ablauf von 6 Monaten vom Enteignungsurteil ab
kann der Enteignete die Feststellung der Entschädigung selbständig beantragen.
39 Bayr. Ausf.Ges. z. C.Pr.O. Art. 46 Abs. 2: "Wird die Einleitung des
Schätzungsverfahrens bezüglich eines zur Abtretung angesprochenen Gegenstandes
nicht binnen 6 Monaten von der freiwilligen Anerkennung der Abtretungspflicht
oder dem hierüber ergangenen rechtskräftigen Erkenntnisse von seiten des Ab-
tretungsberechtigten beantragt, so ist der Abtretungspflichtige zur Stellung des
Antrages befugt."
40 Preuß. Enteignungsges. § 42 Abs. 2: "Tritt der Unternehmer zurück, nach-
dem bereits die Feststellung der Entschädigung durch Beschluß der Regierung
erfolgt ist, so hat der Eigentümer die Wahl, ob er lediglich Ersatz für die Nach-
teile, welche ihm durch das Enteignungsverfahren erwachsen sind, oder Zahlung
der festgestellten Entschädigung gegen Abtretung des Grundstücks beanspruchen
will." Die Zahlung wird im Wege der Klage beansprucht, aber nach Maßgabe
jenes Beschlusses; die Klage ist nur die Form, um aus der Feststellung der Be-
dingung des künftigen Enteignungsausspruches, was jener Beschluß bedeutete, die

Das öffentliche Sachenrecht.
bloß der Verschleppung vorgebeugt, sondern auch dem Rücktrittsrecht,
wenn nicht rechtlich, so doch thatsächlich eine Grenze gesteckt.

Voraussetzung ist stets, daß mindestens die Feststellung des Ent-
eignungsgegenstandes bereits erfolgt ist; erst dann hat man eine Grund-
lage für die Bemessung des Entschädigungsbetrages und den bestimmten
Gegner des Unternehmers, der vorgehen könnte.

Von da ab aber kann das Maß dessen, was noch in dem Selbst-
betrieb dieses Gegners enthalten ist, verschieden ausgedrückt sein.

Das Ziel ist immer die Enteignungsentschädigung. Wo nun das
Gesetz sie festsetzen läßt nach vollendeter Enteignung, kann es dem
Eigentümer gestattet sein, auch diese selbst zu bewirken: sobald der
Enteignungsgegenstand feststeht, kann er den Enteignungsausspruch
beantragen und nach dem Enteignungsausspruch, ob der Unternehmer
ihn erwirkt hatte oder er selbst, das Entschädigungverfahren38.

Wo die Festsetzung der Entschädigung vor dem Enteignungs-
ausspruch zu geschehen hat, wird es genügen, das Selbstbetriebsrecht
für jenen allein zu geben. Der Enteignungsausspruch bleibt außerhalb
des Einflusses des Betroffenen39.

Noch ein Stück weiter hinaus legt die Gesetzgebung das Selbst-
betriebsrecht, indem sie es erst eintreten läßt dann, wenn auch die
Festsetzung der Entschädigung im ordentlichen Gang des Enteignungs-
verfahrens schon erfolgt ist. Hier handelt es sich dann nur darum,
das Zuerkannte zu Gunsten des betroffenen Eigentümers selbständig
in Vollzug zu setzen40.

38 Franz. Enteignungsges. v. 1841 Art. 14 al. 2: Nach Ablauf eines Jahres
von dem Beschluß des Präfekten, der die zu enteignenden Grundstücke bezeichnet,
kann der Eigentümer selbständig bei Gericht Antrag stellen auf Erlaß des Ent-
eignungsurteils; Art. 55: Nach Ablauf von 6 Monaten vom Enteignungsurteil ab
kann der Enteignete die Feststellung der Entschädigung selbständig beantragen.
39 Bayr. Ausf.Ges. z. C.Pr.O. Art. 46 Abs. 2: „Wird die Einleitung des
Schätzungsverfahrens bezüglich eines zur Abtretung angesprochenen Gegenstandes
nicht binnen 6 Monaten von der freiwilligen Anerkennung der Abtretungspflicht
oder dem hierüber ergangenen rechtskräftigen Erkenntnisse von seiten des Ab-
tretungsberechtigten beantragt, so ist der Abtretungspflichtige zur Stellung des
Antrages befugt.“
40 Preuß. Enteignungsges. § 42 Abs. 2: „Tritt der Unternehmer zurück, nach-
dem bereits die Feststellung der Entschädigung durch Beschluß der Regierung
erfolgt ist, so hat der Eigentümer die Wahl, ob er lediglich Ersatz für die Nach-
teile, welche ihm durch das Enteignungsverfahren erwachsen sind, oder Zahlung
der festgestellten Entschädigung gegen Abtretung des Grundstücks beanspruchen
will.“ Die Zahlung wird im Wege der Klage beansprucht, aber nach Maßgabe
jenes Beschlusses; die Klage ist nur die Form, um aus der Feststellung der Be-
dingung des künftigen Enteignungsausspruches, was jener Beschluß bedeutete, die
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[54/0066] Das öffentliche Sachenrecht. bloß der Verschleppung vorgebeugt, sondern auch dem Rücktrittsrecht, wenn nicht rechtlich, so doch thatsächlich eine Grenze gesteckt. Voraussetzung ist stets, daß mindestens die Feststellung des Ent- eignungsgegenstandes bereits erfolgt ist; erst dann hat man eine Grund- lage für die Bemessung des Entschädigungsbetrages und den bestimmten Gegner des Unternehmers, der vorgehen könnte. Von da ab aber kann das Maß dessen, was noch in dem Selbst- betrieb dieses Gegners enthalten ist, verschieden ausgedrückt sein. Das Ziel ist immer die Enteignungsentschädigung. Wo nun das Gesetz sie festsetzen läßt nach vollendeter Enteignung, kann es dem Eigentümer gestattet sein, auch diese selbst zu bewirken: sobald der Enteignungsgegenstand feststeht, kann er den Enteignungsausspruch beantragen und nach dem Enteignungsausspruch, ob der Unternehmer ihn erwirkt hatte oder er selbst, das Entschädigungverfahren 38. Wo die Festsetzung der Entschädigung vor dem Enteignungs- ausspruch zu geschehen hat, wird es genügen, das Selbstbetriebsrecht für jenen allein zu geben. Der Enteignungsausspruch bleibt außerhalb des Einflusses des Betroffenen 39. Noch ein Stück weiter hinaus legt die Gesetzgebung das Selbst- betriebsrecht, indem sie es erst eintreten läßt dann, wenn auch die Festsetzung der Entschädigung im ordentlichen Gang des Enteignungs- verfahrens schon erfolgt ist. Hier handelt es sich dann nur darum, das Zuerkannte zu Gunsten des betroffenen Eigentümers selbständig in Vollzug zu setzen 40. 38 Franz. Enteignungsges. v. 1841 Art. 14 al. 2: Nach Ablauf eines Jahres von dem Beschluß des Präfekten, der die zu enteignenden Grundstücke bezeichnet, kann der Eigentümer selbständig bei Gericht Antrag stellen auf Erlaß des Ent- eignungsurteils; Art. 55: Nach Ablauf von 6 Monaten vom Enteignungsurteil ab kann der Enteignete die Feststellung der Entschädigung selbständig beantragen. 39 Bayr. Ausf.Ges. z. C.Pr.O. Art. 46 Abs. 2: „Wird die Einleitung des Schätzungsverfahrens bezüglich eines zur Abtretung angesprochenen Gegenstandes nicht binnen 6 Monaten von der freiwilligen Anerkennung der Abtretungspflicht oder dem hierüber ergangenen rechtskräftigen Erkenntnisse von seiten des Ab- tretungsberechtigten beantragt, so ist der Abtretungspflichtige zur Stellung des Antrages befugt.“ 40 Preuß. Enteignungsges. § 42 Abs. 2: „Tritt der Unternehmer zurück, nach- dem bereits die Feststellung der Entschädigung durch Beschluß der Regierung erfolgt ist, so hat der Eigentümer die Wahl, ob er lediglich Ersatz für die Nach- teile, welche ihm durch das Enteignungsverfahren erwachsen sind, oder Zahlung der festgestellten Entschädigung gegen Abtretung des Grundstücks beanspruchen will.“ Die Zahlung wird im Wege der Klage beansprucht, aber nach Maßgabe jenes Beschlusses; die Klage ist nur die Form, um aus der Feststellung der Be- dingung des künftigen Enteignungsausspruches, was jener Beschluß bedeutete, die

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/66>, abgerufen am 29.03.2024.