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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.

Die Begünstigung besteht einerseits in einer Erleichterung der
Formen, namentlich sofern das Protokoll der Enteignungsbehörde die
sonst etwa vorgeschriebene notarische oder gerichtliche Beurkundung
ersetzt30.

Sodann aber wird die Wirkung eines solchen Vertrags verstärkt.
Die Enteignung wird betrieben gegen den mutmaßlichen Eigentümer
(oben § 33 S. 20). Mit diesem wird nun auch der enteignungserledigende
Kaufvertrag geschlossen. Die Enteignung hat aber, wie wir sahen,
den Vorteil, daß sie ursprünglich wirkt, das Eigentum des Unter-
nehmers auch dann begründend, wenn der Gegner nicht Eigentümer
war. Der Kaufvertrag hat eine derartige Wirkung seiner Natur nach
nicht, und dadurch würde er eine gewisse Unsicherheit für den Unter-
nehmer bestehen lassen, die ihn nicht sehr geeignet machen würde,
zur Erledigung des Verfahrens benutzt zu werden. Das Gesetz hilft
hier aus, indem es dem Vertrag unter der Bedingung der Erfüllung
der gleichen sichernden Formen (d. h. der im Interesse Dritter vor-
geschriebenen, wie öffentliche Bekanntmachung u. s. w.) die gleiche
unbedingt rechtstilgende Wirkung beilegt, wie sie dem öffentlichrecht-
lichen Erwerbsakte zukommt, den er zu ersetzen berufen ist.

Um dieser Entlehnung willen hört er nicht auf, Kaufvertrag zu
sein; derartige Wirkungen zur Tilgung der Rechte Dritter sind ja auch
auf dem Gebiete des Civilrechts nichts Unerhörtes31.

Der Abtretungsvertrag kann nun aber auch so geschlossen werden,
daß die Gegenleistung, insbesondere der Kaufpreis, nicht be-
stimmt
wird; vielmehr soll die Festsetzung der Gegenleistung im
gesetzlich geordneten Entschädigungsverfahren geschehen.
Ein solcher Vertrag ist nur zulässig, wenn das Enteignungsverfahren
bereits eingeleitet ist, denn dadurch ist die Zuständigkeit der Ent-

30 Bayr. Ausf.Ges. zu C.Pr.O. Art. 55; Preuß. Enteignungsges. § 26 Abs. 2.
Franz. Enteignungsges. von 1841 Art. 13 vereinfacht überdies die Formen für
Abtretungsverträge Bevormundeter. Grünhut, Ent.R. S. 192, citiert irrtümlich
dafür den Art. 25 des Ges., der bloß von der Vereinbarung der Entschädigung
nach vollzogener Enteignung handelt, und zieht dann daraus unrichtige Schlüsse.
31 Preuß. Enteignungsges. § 46; Bähr u. Langerhans zu diesem Ges.
S. 112; vgl. unten Note 35. Mit Rücksicht auf derartige Bestimmungen spricht
Grünhut, Ent.R. S. 186, mit Recht von einer "Gleichstellung" des Vertrags mit
der Enteignung; aber deshalb ist der Vertrag noch lange nicht selbst eine Ent-
eignung, wie Grünhut meint. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 36, und Gleim
in Arch. f. Eisenbahnwesen V S. 61. Auch die Veräußerung des Kaufmanns im
Falle des Art. 306 H.G.B. zerstört die Rechte des Dritten und niemand kann
hier im Ernste von einer Enteignung sprechen.
Das öffentliche Sachenrecht.

Die Begünstigung besteht einerseits in einer Erleichterung der
Formen, namentlich sofern das Protokoll der Enteignungsbehörde die
sonst etwa vorgeschriebene notarische oder gerichtliche Beurkundung
ersetzt30.

Sodann aber wird die Wirkung eines solchen Vertrags verstärkt.
Die Enteignung wird betrieben gegen den mutmaßlichen Eigentümer
(oben § 33 S. 20). Mit diesem wird nun auch der enteignungserledigende
Kaufvertrag geschlossen. Die Enteignung hat aber, wie wir sahen,
den Vorteil, daß sie ursprünglich wirkt, das Eigentum des Unter-
nehmers auch dann begründend, wenn der Gegner nicht Eigentümer
war. Der Kaufvertrag hat eine derartige Wirkung seiner Natur nach
nicht, und dadurch würde er eine gewisse Unsicherheit für den Unter-
nehmer bestehen lassen, die ihn nicht sehr geeignet machen würde,
zur Erledigung des Verfahrens benutzt zu werden. Das Gesetz hilft
hier aus, indem es dem Vertrag unter der Bedingung der Erfüllung
der gleichen sichernden Formen (d. h. der im Interesse Dritter vor-
geschriebenen, wie öffentliche Bekanntmachung u. s. w.) die gleiche
unbedingt rechtstilgende Wirkung beilegt, wie sie dem öffentlichrecht-
lichen Erwerbsakte zukommt, den er zu ersetzen berufen ist.

Um dieser Entlehnung willen hört er nicht auf, Kaufvertrag zu
sein; derartige Wirkungen zur Tilgung der Rechte Dritter sind ja auch
auf dem Gebiete des Civilrechts nichts Unerhörtes31.

Der Abtretungsvertrag kann nun aber auch so geschlossen werden,
daß die Gegenleistung, insbesondere der Kaufpreis, nicht be-
stimmt
wird; vielmehr soll die Festsetzung der Gegenleistung im
gesetzlich geordneten Entschädigungsverfahren geschehen.
Ein solcher Vertrag ist nur zulässig, wenn das Enteignungsverfahren
bereits eingeleitet ist, denn dadurch ist die Zuständigkeit der Ent-

30 Bayr. Ausf.Ges. zu C.Pr.O. Art. 55; Preuß. Enteignungsges. § 26 Abs. 2.
Franz. Enteignungsges. von 1841 Art. 13 vereinfacht überdies die Formen für
Abtretungsverträge Bevormundeter. Grünhut, Ent.R. S. 192, citiert irrtümlich
dafür den Art. 25 des Ges., der bloß von der Vereinbarung der Entschädigung
nach vollzogener Enteignung handelt, und zieht dann daraus unrichtige Schlüsse.
31 Preuß. Enteignungsges. § 46; Bähr u. Langerhans zu diesem Ges.
S. 112; vgl. unten Note 35. Mit Rücksicht auf derartige Bestimmungen spricht
Grünhut, Ent.R. S. 186, mit Recht von einer „Gleichstellung“ des Vertrags mit
der Enteignung; aber deshalb ist der Vertrag noch lange nicht selbst eine Ent-
eignung, wie Grünhut meint. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 36, und Gleim
in Arch. f. Eisenbahnwesen V S. 61. Auch die Veräußerung des Kaufmanns im
Falle des Art. 306 H.G.B. zerstört die Rechte des Dritten und niemand kann
hier im Ernste von einer Enteignung sprechen.
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[50/0062] Das öffentliche Sachenrecht. Die Begünstigung besteht einerseits in einer Erleichterung der Formen, namentlich sofern das Protokoll der Enteignungsbehörde die sonst etwa vorgeschriebene notarische oder gerichtliche Beurkundung ersetzt 30. Sodann aber wird die Wirkung eines solchen Vertrags verstärkt. Die Enteignung wird betrieben gegen den mutmaßlichen Eigentümer (oben § 33 S. 20). Mit diesem wird nun auch der enteignungserledigende Kaufvertrag geschlossen. Die Enteignung hat aber, wie wir sahen, den Vorteil, daß sie ursprünglich wirkt, das Eigentum des Unter- nehmers auch dann begründend, wenn der Gegner nicht Eigentümer war. Der Kaufvertrag hat eine derartige Wirkung seiner Natur nach nicht, und dadurch würde er eine gewisse Unsicherheit für den Unter- nehmer bestehen lassen, die ihn nicht sehr geeignet machen würde, zur Erledigung des Verfahrens benutzt zu werden. Das Gesetz hilft hier aus, indem es dem Vertrag unter der Bedingung der Erfüllung der gleichen sichernden Formen (d. h. der im Interesse Dritter vor- geschriebenen, wie öffentliche Bekanntmachung u. s. w.) die gleiche unbedingt rechtstilgende Wirkung beilegt, wie sie dem öffentlichrecht- lichen Erwerbsakte zukommt, den er zu ersetzen berufen ist. Um dieser Entlehnung willen hört er nicht auf, Kaufvertrag zu sein; derartige Wirkungen zur Tilgung der Rechte Dritter sind ja auch auf dem Gebiete des Civilrechts nichts Unerhörtes 31. Der Abtretungsvertrag kann nun aber auch so geschlossen werden, daß die Gegenleistung, insbesondere der Kaufpreis, nicht be- stimmt wird; vielmehr soll die Festsetzung der Gegenleistung im gesetzlich geordneten Entschädigungsverfahren geschehen. Ein solcher Vertrag ist nur zulässig, wenn das Enteignungsverfahren bereits eingeleitet ist, denn dadurch ist die Zuständigkeit der Ent- 30 Bayr. Ausf.Ges. zu C.Pr.O. Art. 55; Preuß. Enteignungsges. § 26 Abs. 2. Franz. Enteignungsges. von 1841 Art. 13 vereinfacht überdies die Formen für Abtretungsverträge Bevormundeter. Grünhut, Ent.R. S. 192, citiert irrtümlich dafür den Art. 25 des Ges., der bloß von der Vereinbarung der Entschädigung nach vollzogener Enteignung handelt, und zieht dann daraus unrichtige Schlüsse. 31 Preuß. Enteignungsges. § 46; Bähr u. Langerhans zu diesem Ges. S. 112; vgl. unten Note 35. Mit Rücksicht auf derartige Bestimmungen spricht Grünhut, Ent.R. S. 186, mit Recht von einer „Gleichstellung“ des Vertrags mit der Enteignung; aber deshalb ist der Vertrag noch lange nicht selbst eine Ent- eignung, wie Grünhut meint. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 36, und Gleim in Arch. f. Eisenbahnwesen V S. 61. Auch die Veräußerung des Kaufmanns im Falle des Art. 306 H.G.B. zerstört die Rechte des Dritten und niemand kann hier im Ernste von einer Enteignung sprechen.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/62>, abgerufen am 29.03.2024.