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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 34. Wirkungen der Enteignung.

Es kann auch die Vollendung in ihrer vollen Wirkung einstweilen
noch beschränkt oder auch an weitere Bedingungen geknüpft
sein durch andere Rücksichten, die da hereinspielen. Umgekehrt
können gewisse rechtliche Wirkungen vorbereitender Art schon an
vorausgehende Stufen des Verfahrens sich anschließen, Gebunden-
heiten und Verpflichtungen der einen oder anderen Partei schon vor-
her
entstehen. Wir werden davon noch Beispiele besprechen. Jene
Kundgabe des Verwaltungsaktes bildet den naturgegebenen festen Punkt,
um den sich alles bewegt.

II. An die vollendete Enteignung knüpfen sich weitere Rechts-
folgen
an, Wirkungen ihrer Wirkung, Nachwirkungen, welche
diese Natur nicht verlieren, auch wenn sie zeitlich der Vollendung
der Enteignung vorausgenommen werden.

Diese Wirkungen zweiter Linie sind vor allem zweierlei Art: das
Besitzergreifungsrecht und die Entschädigungspflicht.

1. Die Enteignung entzieht unmittelbar nur das Eigentum. Der
Besitz ist auch nach ihrer Vollendung noch bei dem Enteigneten,
der Art, daß sogar eine Rückersitzung denkbar ist.

Das Unternehmen, zu dessen Gunsten die Enteignung aus-
gesprochen worden ist, ist aber ein Stück der öffentlichen Verwaltung,
gleichviel ob der Staat selbst als Unternehmer auftritt oder an seiner
Stelle eine Gemeinde oder ein beliehener Privatunternehmer. Die
öffentliche Verwaltung nimmt ihre klar gestellten Rechte selbst wahr,
indem sie den diesen Rechten entsprechenden Besitzstand den Ein-
zelnen gegenüber herstellt und verteidigt. Sie ist allenthalben zur
Selbsthülfe dafür berechtigt. In diesem Sinne erklären die Ge-
setze, daß die vollendete Enteignung die Wirkung einer Besitz-

eigneten Grundstücks auf den Unternehmer über". -- Bayr. Enteignungsges.
bezw. Ausf.Ges. z. C.Pr.O. Art. 51: "Nach Feststellung der Entschädigungs-
summe ist der Abtretungsberechtigte befugt .. die Einweisung in den Besitz
der Abtretungsgegenstände durch die Distriktsverwaltungsbehörde zu erwirken
und sodann über dieselben nach Maßgabe der Zweckbestimmung frei zu ver-
fügen". Diese Einweisung soll der Enteignungserklärung des Preuß. Rechts
entsprechen. Die gewöhnlichen Rechtsmittel sind zulässig. "Denselben dürfte
übrigens mit Rücksicht auf den außerdem leicht zu vereitelnden Zweck des Ge-
setzes, die möglichst rasche Besitzergreifung für den Enteigner zu erwirken, kaum
eine aufschiebende Wirkung beigemessen werden" (Hartmann, Ges. über die
Zwangsabtretung S. 81 Note). -- Nach franz. (els.-lothr.) Rechte wirkt der Ent-
eignungsausspruch des die Verwaltungsbehörde hierin vertretenden Gerichts un-
mittelbar mit der Verkündung Eigentumsübergang und Entschädigungspflicht; die
Möglichkeit eines Kassationsrekurses hat keine aufschiebende Wirkung; de Lal-
leau,
traite de l'expropr. I n. 248, 269.
§ 34. Wirkungen der Enteignung.

Es kann auch die Vollendung in ihrer vollen Wirkung einstweilen
noch beschränkt oder auch an weitere Bedingungen geknüpft
sein durch andere Rücksichten, die da hereinspielen. Umgekehrt
können gewisse rechtliche Wirkungen vorbereitender Art schon an
vorausgehende Stufen des Verfahrens sich anschließen, Gebunden-
heiten und Verpflichtungen der einen oder anderen Partei schon vor-
her
entstehen. Wir werden davon noch Beispiele besprechen. Jene
Kundgabe des Verwaltungsaktes bildet den naturgegebenen festen Punkt,
um den sich alles bewegt.

II. An die vollendete Enteignung knüpfen sich weitere Rechts-
folgen
an, Wirkungen ihrer Wirkung, Nachwirkungen, welche
diese Natur nicht verlieren, auch wenn sie zeitlich der Vollendung
der Enteignung vorausgenommen werden.

Diese Wirkungen zweiter Linie sind vor allem zweierlei Art: das
Besitzergreifungsrecht und die Entschädigungspflicht.

1. Die Enteignung entzieht unmittelbar nur das Eigentum. Der
Besitz ist auch nach ihrer Vollendung noch bei dem Enteigneten,
der Art, daß sogar eine Rückersitzung denkbar ist.

Das Unternehmen, zu dessen Gunsten die Enteignung aus-
gesprochen worden ist, ist aber ein Stück der öffentlichen Verwaltung,
gleichviel ob der Staat selbst als Unternehmer auftritt oder an seiner
Stelle eine Gemeinde oder ein beliehener Privatunternehmer. Die
öffentliche Verwaltung nimmt ihre klar gestellten Rechte selbst wahr,
indem sie den diesen Rechten entsprechenden Besitzstand den Ein-
zelnen gegenüber herstellt und verteidigt. Sie ist allenthalben zur
Selbsthülfe dafür berechtigt. In diesem Sinne erklären die Ge-
setze, daß die vollendete Enteignung die Wirkung einer Besitz-

eigneten Grundstücks auf den Unternehmer über“. — Bayr. Enteignungsges.
bezw. Ausf.Ges. z. C.Pr.O. Art. 51: „Nach Feststellung der Entschädigungs-
summe ist der Abtretungsberechtigte befugt .. die Einweisung in den Besitz
der Abtretungsgegenstände durch die Distriktsverwaltungsbehörde zu erwirken
und sodann über dieselben nach Maßgabe der Zweckbestimmung frei zu ver-
fügen“. Diese Einweisung soll der Enteignungserklärung des Preuß. Rechts
entsprechen. Die gewöhnlichen Rechtsmittel sind zulässig. „Denselben dürfte
übrigens mit Rücksicht auf den außerdem leicht zu vereitelnden Zweck des Ge-
setzes, die möglichst rasche Besitzergreifung für den Enteigner zu erwirken, kaum
eine aufschiebende Wirkung beigemessen werden“ (Hartmann, Ges. über die
Zwangsabtretung S. 81 Note). — Nach franz. (els.-lothr.) Rechte wirkt der Ent-
eignungsausspruch des die Verwaltungsbehörde hierin vertretenden Gerichts un-
mittelbar mit der Verkündung Eigentumsübergang und Entschädigungspflicht; die
Möglichkeit eines Kassationsrekurses hat keine aufschiebende Wirkung; de Lal-
leau,
traité de l’expropr. I n. 248, 269.
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[41/0053] § 34. Wirkungen der Enteignung. Es kann auch die Vollendung in ihrer vollen Wirkung einstweilen noch beschränkt oder auch an weitere Bedingungen geknüpft sein durch andere Rücksichten, die da hereinspielen. Umgekehrt können gewisse rechtliche Wirkungen vorbereitender Art schon an vorausgehende Stufen des Verfahrens sich anschließen, Gebunden- heiten und Verpflichtungen der einen oder anderen Partei schon vor- her entstehen. Wir werden davon noch Beispiele besprechen. Jene Kundgabe des Verwaltungsaktes bildet den naturgegebenen festen Punkt, um den sich alles bewegt. II. An die vollendete Enteignung knüpfen sich weitere Rechts- folgen an, Wirkungen ihrer Wirkung, Nachwirkungen, welche diese Natur nicht verlieren, auch wenn sie zeitlich der Vollendung der Enteignung vorausgenommen werden. Diese Wirkungen zweiter Linie sind vor allem zweierlei Art: das Besitzergreifungsrecht und die Entschädigungspflicht. 1. Die Enteignung entzieht unmittelbar nur das Eigentum. Der Besitz ist auch nach ihrer Vollendung noch bei dem Enteigneten, der Art, daß sogar eine Rückersitzung denkbar ist. Das Unternehmen, zu dessen Gunsten die Enteignung aus- gesprochen worden ist, ist aber ein Stück der öffentlichen Verwaltung, gleichviel ob der Staat selbst als Unternehmer auftritt oder an seiner Stelle eine Gemeinde oder ein beliehener Privatunternehmer. Die öffentliche Verwaltung nimmt ihre klar gestellten Rechte selbst wahr, indem sie den diesen Rechten entsprechenden Besitzstand den Ein- zelnen gegenüber herstellt und verteidigt. Sie ist allenthalben zur Selbsthülfe dafür berechtigt. In diesem Sinne erklären die Ge- setze, daß die vollendete Enteignung die Wirkung einer Besitz- 16 16 eigneten Grundstücks auf den Unternehmer über“. — Bayr. Enteignungsges. bezw. Ausf.Ges. z. C.Pr.O. Art. 51: „Nach Feststellung der Entschädigungs- summe ist der Abtretungsberechtigte befugt .. die Einweisung in den Besitz der Abtretungsgegenstände durch die Distriktsverwaltungsbehörde zu erwirken und sodann über dieselben nach Maßgabe der Zweckbestimmung frei zu ver- fügen“. Diese Einweisung soll der Enteignungserklärung des Preuß. Rechts entsprechen. Die gewöhnlichen Rechtsmittel sind zulässig. „Denselben dürfte übrigens mit Rücksicht auf den außerdem leicht zu vereitelnden Zweck des Ge- setzes, die möglichst rasche Besitzergreifung für den Enteigner zu erwirken, kaum eine aufschiebende Wirkung beigemessen werden“ (Hartmann, Ges. über die Zwangsabtretung S. 81 Note). — Nach franz. (els.-lothr.) Rechte wirkt der Ent- eignungsausspruch des die Verwaltungsbehörde hierin vertretenden Gerichts un- mittelbar mit der Verkündung Eigentumsübergang und Entschädigungspflicht; die Möglichkeit eines Kassationsrekurses hat keine aufschiebende Wirkung; de Lal- leau, traité de l’expropr. I n. 248, 269.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/53>, abgerufen am 23.04.2024.