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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.

Der Begriff des Verwaltungsaktes mußte sich erst ausbilden,
um die volle Erklärung des rechtlichen Vorganges auf die einfachste
und kürzeste Weise zu geben. Indem wir den Enteignungsausspruch
für einen Verwaltungsakt erklären, weisen wir ihn nicht in allgemeiner
unbestimmter Weise dem Gebiet der Verwaltung zu, als eine Thätigkeits-
äußerung derselben, als Verwaltungsmaßregel u. dergl. Als Ver-
waltungsakt ist er die bindende Bestimmung dessen, was für den
Unterthanen im Einzelfall Rechtens sein soll (Bd. I, § 8, II n. 1 u. 2).
So gut der Verwaltungsakt Gehorsamspflichten, Zahlungspflichten auf-
erlegt, Nutzungen gewährt und Rechtsaussprüche des Unterthanen be-
gründet, kann er auch Eigentum entziehen, und wenn er das thut zu
Gunsten eines öffentlichen Unternehmens, ist er das Wirkende in der
Enteignung5.

Die Enteignung fügt sich damit ebenmäßig ein in das Ganze
unserer Verwaltungsrechtsinstitute.

2. Die Wirkung des Enteignungsausspruches, vermöge deren er
Eigentum entzieht, kann man sich nun wieder auf zweierlei Weise
vorstellen. Entweder man denkt sie sich gegen den Eigentümer ge-
richtet, dem das Eigentum an seinem Grundstücke dadurch ab-
genommen wird; das Eigentum geht durch die Kraft des Enteignungs-
aktes von ihm über auf den Unternehmer. Der Enteignungsanspruch,
sagt man, sei persönlicher Art6. Oder man läßt die Staats-
gewalt durch die Enteignung unmittelbar der Sache sich bemächtigen,
um sie dem Unternehmen zu widmen; daß der bisherige Eigentümer
sein Eigentum verliert, ist nur die Folge davon: die Enteignung hat
eine dingliche Richtung7.

Vertrags. Laband vergleicht ja auch die Enteignung sofort mit der Konfiskation
und Grünhut nennt sie eine Verwaltungsmaßregel. Das was eigentlich wirkt,
hätte allerdings deutlicher hervorgehoben werden können.
5 G. Meyer, V.R. I S. 286, nennt den entscheidenden Beschluß der Be-
hörde einen rechtsbegründenden Verwaltungsakt; wenn sich für ihn schon
mit dem Wort Verwaltungsakt ein festerer Begriff verbände, wäre der schildernde
Zusatz nicht nötig. Weniger bestimmt meinen es andere Schriftsteller mit ihren
Ausdrücken; so Grünhut, Ent.R. S. 183: "Verwaltungsmaßregel"; Prazak,
R. der Ent. S. 48: "Staatsakt"; v. Rohland, Ent.R. S. 37: "eine Verwaltungs-
maßregel, eine Verfügung"; Schelcher, Rechtswirkungen S. 16: "ein öffentlich-
rechtlicher Akt".
6 Seydel, Bayr. St.R. III S. 628: "der Enteignungsanspruch ist ein persön-
licher, kein dinglicher".
7 Grünhut, Ent.R. S. 180: "Die Übertragung des Eigentums findet bei der
Enteignung in einer absoluten Weise statt"; S. 181: "Der Enteigner hat nur das
Grundstück im Auge". Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 32; Laband in
Das öffentliche Sachenrecht.

Der Begriff des Verwaltungsaktes mußte sich erst ausbilden,
um die volle Erklärung des rechtlichen Vorganges auf die einfachste
und kürzeste Weise zu geben. Indem wir den Enteignungsausspruch
für einen Verwaltungsakt erklären, weisen wir ihn nicht in allgemeiner
unbestimmter Weise dem Gebiet der Verwaltung zu, als eine Thätigkeits-
äußerung derselben, als Verwaltungsmaßregel u. dergl. Als Ver-
waltungsakt ist er die bindende Bestimmung dessen, was für den
Unterthanen im Einzelfall Rechtens sein soll (Bd. I, § 8, II n. 1 u. 2).
So gut der Verwaltungsakt Gehorsamspflichten, Zahlungspflichten auf-
erlegt, Nutzungen gewährt und Rechtsaussprüche des Unterthanen be-
gründet, kann er auch Eigentum entziehen, und wenn er das thut zu
Gunsten eines öffentlichen Unternehmens, ist er das Wirkende in der
Enteignung5.

Die Enteignung fügt sich damit ebenmäßig ein in das Ganze
unserer Verwaltungsrechtsinstitute.

2. Die Wirkung des Enteignungsausspruches, vermöge deren er
Eigentum entzieht, kann man sich nun wieder auf zweierlei Weise
vorstellen. Entweder man denkt sie sich gegen den Eigentümer ge-
richtet, dem das Eigentum an seinem Grundstücke dadurch ab-
genommen wird; das Eigentum geht durch die Kraft des Enteignungs-
aktes von ihm über auf den Unternehmer. Der Enteignungsanspruch,
sagt man, sei persönlicher Art6. Oder man läßt die Staats-
gewalt durch die Enteignung unmittelbar der Sache sich bemächtigen,
um sie dem Unternehmen zu widmen; daß der bisherige Eigentümer
sein Eigentum verliert, ist nur die Folge davon: die Enteignung hat
eine dingliche Richtung7.

Vertrags. Laband vergleicht ja auch die Enteignung sofort mit der Konfiskation
und Grünhut nennt sie eine Verwaltungsmaßregel. Das was eigentlich wirkt,
hätte allerdings deutlicher hervorgehoben werden können.
5 G. Meyer, V.R. I S. 286, nennt den entscheidenden Beschluß der Be-
hörde einen rechtsbegründenden Verwaltungsakt; wenn sich für ihn schon
mit dem Wort Verwaltungsakt ein festerer Begriff verbände, wäre der schildernde
Zusatz nicht nötig. Weniger bestimmt meinen es andere Schriftsteller mit ihren
Ausdrücken; so Grünhut, Ent.R. S. 183: „Verwaltungsmaßregel“; Prazak,
R. der Ent. S. 48: „Staatsakt“; v. Rohland, Ent.R. S. 37: „eine Verwaltungs-
maßregel, eine Verfügung“; Schelcher, Rechtswirkungen S. 16: „ein öffentlich-
rechtlicher Akt“.
6 Seydel, Bayr. St.R. III S. 628: „der Enteignungsanspruch ist ein persön-
licher, kein dinglicher“.
7 Grünhut, Ent.R. S. 180: „Die Übertragung des Eigentums findet bei der
Enteignung in einer absoluten Weise statt“; S. 181: „Der Enteigner hat nur das
Grundstück im Auge“. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 32; Laband in
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[32/0044] Das öffentliche Sachenrecht. Der Begriff des Verwaltungsaktes mußte sich erst ausbilden, um die volle Erklärung des rechtlichen Vorganges auf die einfachste und kürzeste Weise zu geben. Indem wir den Enteignungsausspruch für einen Verwaltungsakt erklären, weisen wir ihn nicht in allgemeiner unbestimmter Weise dem Gebiet der Verwaltung zu, als eine Thätigkeits- äußerung derselben, als Verwaltungsmaßregel u. dergl. Als Ver- waltungsakt ist er die bindende Bestimmung dessen, was für den Unterthanen im Einzelfall Rechtens sein soll (Bd. I, § 8, II n. 1 u. 2). So gut der Verwaltungsakt Gehorsamspflichten, Zahlungspflichten auf- erlegt, Nutzungen gewährt und Rechtsaussprüche des Unterthanen be- gründet, kann er auch Eigentum entziehen, und wenn er das thut zu Gunsten eines öffentlichen Unternehmens, ist er das Wirkende in der Enteignung 5. Die Enteignung fügt sich damit ebenmäßig ein in das Ganze unserer Verwaltungsrechtsinstitute. 2. Die Wirkung des Enteignungsausspruches, vermöge deren er Eigentum entzieht, kann man sich nun wieder auf zweierlei Weise vorstellen. Entweder man denkt sie sich gegen den Eigentümer ge- richtet, dem das Eigentum an seinem Grundstücke dadurch ab- genommen wird; das Eigentum geht durch die Kraft des Enteignungs- aktes von ihm über auf den Unternehmer. Der Enteignungsanspruch, sagt man, sei persönlicher Art 6. Oder man läßt die Staats- gewalt durch die Enteignung unmittelbar der Sache sich bemächtigen, um sie dem Unternehmen zu widmen; daß der bisherige Eigentümer sein Eigentum verliert, ist nur die Folge davon: die Enteignung hat eine dingliche Richtung 7. 4 5 G. Meyer, V.R. I S. 286, nennt den entscheidenden Beschluß der Be- hörde einen rechtsbegründenden Verwaltungsakt; wenn sich für ihn schon mit dem Wort Verwaltungsakt ein festerer Begriff verbände, wäre der schildernde Zusatz nicht nötig. Weniger bestimmt meinen es andere Schriftsteller mit ihren Ausdrücken; so Grünhut, Ent.R. S. 183: „Verwaltungsmaßregel“; Prazak, R. der Ent. S. 48: „Staatsakt“; v. Rohland, Ent.R. S. 37: „eine Verwaltungs- maßregel, eine Verfügung“; Schelcher, Rechtswirkungen S. 16: „ein öffentlich- rechtlicher Akt“. 6 Seydel, Bayr. St.R. III S. 628: „der Enteignungsanspruch ist ein persön- licher, kein dinglicher“. 7 Grünhut, Ent.R. S. 180: „Die Übertragung des Eigentums findet bei der Enteignung in einer absoluten Weise statt“; S. 181: „Der Enteigner hat nur das Grundstück im Auge“. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 32; Laband in 4 Vertrags. Laband vergleicht ja auch die Enteignung sofort mit der Konfiskation und Grünhut nennt sie eine Verwaltungsmaßregel. Das was eigentlich wirkt, hätte allerdings deutlicher hervorgehoben werden können.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/44>, abgerufen am 28.03.2024.