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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 33. Enteignungsverfahren.
Centralleitung wird das Verfahren vernünftiger Weise überflüssig
machen29.

Von einer rechtlichen Unmöglichkeit der Enteignung gegen den
Staat ist überall keine Rede.

Das alles gilt aber immer nur in der Voraussetzung, daß der
besitzende Staat, gegen den die Enteignung sich richten soll, in seinem
Besitze einem gewöhnlichen Privaten gleichsteht, daß sein Eigentum
Privateigentum ist. Nur dann ist er gegenüber der Enteignung der
Fiskus, den die für Private gegebenen Ordnungen gleichmäßig mit-
zutreffen vermögen. Der Staat kann aber auch Grundstücke haben,
die er nicht nach Civilrecht besitzt, in deren Besitz er nicht Fiskus
ist. Das ist der Fall des öffentlichen Eigentums. Das Gleiche kann
auch bei Selbstverwaltungskörpern, Gemeinden, Kreisen, Provinzen zu-
treffen; auch diese haben öffentliches Eigentum. Was das öffentliche
Eigentum ist, werden wir demnächst noch genauer zu untersuchen
haben (unten § 35 u. 36). So viel können wir aber hier schon voraus-
nehmen, daß gegenüber dem öffentlichen Eigentum die Voraussetzung
für die Rückbeziehung alles Civilrechtes und öffentlichen Rechtes nicht
gegeben ist: in ihm steht der Staat nicht wie ein anderer Privateigen-
tümer da; es ist die nämliche öffentliche Gewalt, die im öffentlichen
Eigentum und die im Ausspruch der Enteignung erscheint. Der Schluß
ist gegeben: das Rechtsinstitut der Enteignung ist gegen das öffentliche
Eigentum nicht anwendbar30.

29 Loebell, Das Preuß. Enteignungsges. S. 25: "Ist der Staat, d. h. der
Fiskus zugleich Unternehmer, so kann von einer Enteignung von Staatsländereien
nicht die Rede sein; Fiskus ist und bleibt Eigentümer der in Betracht kommenden
Grundstücke; die anderweite Verwendung derselben ist reine Verwaltungssache."
Der letztere Ausdruck geht zu weit: auch die Enteignung ist reine Verwaltungs-
sache. Es soll heißen: es ist eine Sache, welche die Behörden allein unter ein-
ander auszumachen haben. -- Vgl. auch Eger, Ges. über die Enteignung I S. 13.
30 Da der Grund dieses Satzes in der rechtlichen Natur des öffentlichen
Eigentums liegt, die rechtliche Natur des öffentlichen Eigentums aber durchaus
nicht so bekannt ist, so bemüht man sich verschiedentlich, den Satz mit falschen
Gründen zu stützen. Grünhut, Ent.R. S. 76 ff., geht ganz richtig davon aus,
daß bei der Frage, ob die Enteignung auch gegen den Staat zulässig sei, unter-
schieden werden müsse zwischen dem öffentlichen Gute (öff. Eigentum) und dem
Staatsgute (Privateigentum des Staates). Bei ersterem, meint er, sei die Enteignung
nicht möglich; denn es diene bereits dem öffentlichen Gebrauch und könne ihm
deshalb nicht erst zwangsweise gewidmet werden. Ungefähr ebenso sagt das auch
de Lalleau, traite de l'expropriation I n. 182; "en principe" wenigstens, meint er,
sei es so. Aber der Grund stimmt doch bloß in gewissen Fällen, wenn etwa
Eisenbahnen und Straßen zusammentreffen. Es giebt auch öffentliches Eigentum,
welches nicht dem öffentlichen Gebrauch dient (Festungswerke) und vor allem giebt

§ 33. Enteignungsverfahren.
Centralleitung wird das Verfahren vernünftiger Weise überflüssig
machen29.

Von einer rechtlichen Unmöglichkeit der Enteignung gegen den
Staat ist überall keine Rede.

Das alles gilt aber immer nur in der Voraussetzung, daß der
besitzende Staat, gegen den die Enteignung sich richten soll, in seinem
Besitze einem gewöhnlichen Privaten gleichsteht, daß sein Eigentum
Privateigentum ist. Nur dann ist er gegenüber der Enteignung der
Fiskus, den die für Private gegebenen Ordnungen gleichmäßig mit-
zutreffen vermögen. Der Staat kann aber auch Grundstücke haben,
die er nicht nach Civilrecht besitzt, in deren Besitz er nicht Fiskus
ist. Das ist der Fall des öffentlichen Eigentums. Das Gleiche kann
auch bei Selbstverwaltungskörpern, Gemeinden, Kreisen, Provinzen zu-
treffen; auch diese haben öffentliches Eigentum. Was das öffentliche
Eigentum ist, werden wir demnächst noch genauer zu untersuchen
haben (unten § 35 u. 36). So viel können wir aber hier schon voraus-
nehmen, daß gegenüber dem öffentlichen Eigentum die Voraussetzung
für die Rückbeziehung alles Civilrechtes und öffentlichen Rechtes nicht
gegeben ist: in ihm steht der Staat nicht wie ein anderer Privateigen-
tümer da; es ist die nämliche öffentliche Gewalt, die im öffentlichen
Eigentum und die im Ausspruch der Enteignung erscheint. Der Schluß
ist gegeben: das Rechtsinstitut der Enteignung ist gegen das öffentliche
Eigentum nicht anwendbar30.

29 Loebell, Das Preuß. Enteignungsges. S. 25: „Ist der Staat, d. h. der
Fiskus zugleich Unternehmer, so kann von einer Enteignung von Staatsländereien
nicht die Rede sein; Fiskus ist und bleibt Eigentümer der in Betracht kommenden
Grundstücke; die anderweite Verwendung derselben ist reine Verwaltungssache.“
Der letztere Ausdruck geht zu weit: auch die Enteignung ist reine Verwaltungs-
sache. Es soll heißen: es ist eine Sache, welche die Behörden allein unter ein-
ander auszumachen haben. — Vgl. auch Eger, Ges. über die Enteignung I S. 13.
30 Da der Grund dieses Satzes in der rechtlichen Natur des öffentlichen
Eigentums liegt, die rechtliche Natur des öffentlichen Eigentums aber durchaus
nicht so bekannt ist, so bemüht man sich verschiedentlich, den Satz mit falschen
Gründen zu stützen. Grünhut, Ent.R. S. 76 ff., geht ganz richtig davon aus,
daß bei der Frage, ob die Enteignung auch gegen den Staat zulässig sei, unter-
schieden werden müsse zwischen dem öffentlichen Gute (öff. Eigentum) und dem
Staatsgute (Privateigentum des Staates). Bei ersterem, meint er, sei die Enteignung
nicht möglich; denn es diene bereits dem öffentlichen Gebrauch und könne ihm
deshalb nicht erst zwangsweise gewidmet werden. Ungefähr ebenso sagt das auch
de Lalleau, traité de l’expropriation I n. 182; „en principe“ wenigstens, meint er,
sei es so. Aber der Grund stimmt doch bloß in gewissen Fällen, wenn etwa
Eisenbahnen und Straßen zusammentreffen. Es giebt auch öffentliches Eigentum,
welches nicht dem öffentlichen Gebrauch dient (Festungswerke) und vor allem giebt
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[23/0035] § 33. Enteignungsverfahren. Centralleitung wird das Verfahren vernünftiger Weise überflüssig machen 29. Von einer rechtlichen Unmöglichkeit der Enteignung gegen den Staat ist überall keine Rede. Das alles gilt aber immer nur in der Voraussetzung, daß der besitzende Staat, gegen den die Enteignung sich richten soll, in seinem Besitze einem gewöhnlichen Privaten gleichsteht, daß sein Eigentum Privateigentum ist. Nur dann ist er gegenüber der Enteignung der Fiskus, den die für Private gegebenen Ordnungen gleichmäßig mit- zutreffen vermögen. Der Staat kann aber auch Grundstücke haben, die er nicht nach Civilrecht besitzt, in deren Besitz er nicht Fiskus ist. Das ist der Fall des öffentlichen Eigentums. Das Gleiche kann auch bei Selbstverwaltungskörpern, Gemeinden, Kreisen, Provinzen zu- treffen; auch diese haben öffentliches Eigentum. Was das öffentliche Eigentum ist, werden wir demnächst noch genauer zu untersuchen haben (unten § 35 u. 36). So viel können wir aber hier schon voraus- nehmen, daß gegenüber dem öffentlichen Eigentum die Voraussetzung für die Rückbeziehung alles Civilrechtes und öffentlichen Rechtes nicht gegeben ist: in ihm steht der Staat nicht wie ein anderer Privateigen- tümer da; es ist die nämliche öffentliche Gewalt, die im öffentlichen Eigentum und die im Ausspruch der Enteignung erscheint. Der Schluß ist gegeben: das Rechtsinstitut der Enteignung ist gegen das öffentliche Eigentum nicht anwendbar 30. 29 Loebell, Das Preuß. Enteignungsges. S. 25: „Ist der Staat, d. h. der Fiskus zugleich Unternehmer, so kann von einer Enteignung von Staatsländereien nicht die Rede sein; Fiskus ist und bleibt Eigentümer der in Betracht kommenden Grundstücke; die anderweite Verwendung derselben ist reine Verwaltungssache.“ Der letztere Ausdruck geht zu weit: auch die Enteignung ist reine Verwaltungs- sache. Es soll heißen: es ist eine Sache, welche die Behörden allein unter ein- ander auszumachen haben. — Vgl. auch Eger, Ges. über die Enteignung I S. 13. 30 Da der Grund dieses Satzes in der rechtlichen Natur des öffentlichen Eigentums liegt, die rechtliche Natur des öffentlichen Eigentums aber durchaus nicht so bekannt ist, so bemüht man sich verschiedentlich, den Satz mit falschen Gründen zu stützen. Grünhut, Ent.R. S. 76 ff., geht ganz richtig davon aus, daß bei der Frage, ob die Enteignung auch gegen den Staat zulässig sei, unter- schieden werden müsse zwischen dem öffentlichen Gute (öff. Eigentum) und dem Staatsgute (Privateigentum des Staates). Bei ersterem, meint er, sei die Enteignung nicht möglich; denn es diene bereits dem öffentlichen Gebrauch und könne ihm deshalb nicht erst zwangsweise gewidmet werden. Ungefähr ebenso sagt das auch de Lalleau, traité de l’expropriation I n. 182; „en principe“ wenigstens, meint er, sei es so. Aber der Grund stimmt doch bloß in gewissen Fällen, wenn etwa Eisenbahnen und Straßen zusammentreffen. Es giebt auch öffentliches Eigentum, welches nicht dem öffentlichen Gebrauch dient (Festungswerke) und vor allem giebt

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/35>, abgerufen am 28.03.2024.