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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 33. Enteignungsverfahren.
sind, alle diese Unsicherheiten zu beseitigen: bei Erfüllung gewisser
Formen soll die Enteignung auch dann gültig sein, wenn der richtige
Eigentümer dem Unternehmer nicht gegenüber stand.

Es kann eine Auflegung des Enteignungsplanes vorgeschrieben
sein, mit öffentlicher Aufforderung, davon Einsicht zu nehmen;
die Enteignungsbehörde hat darauf zu sehen, daß die Eigentümer
darin möglichst richtig angegeben sind. Nach Ablauf der Frist und Er-
füllung der weiteren Voraussetzungen wird dann auf Grund des Planes
die Enteignung gültig ausgesprochen, auch für den Fall, daß in der
Bezeichnung des Eigentümers ein Irrtum vorlag26.

Eine andere Form ist die, daß man in Ermanglung eines Grund-
buches den Unternehmer ermächtigt, gegen den im Grundsteuerkataster
Eingetragenen wegen des Grundstücks zu verfahren mit der Folge,
daß die auf dieses Verfahren hin ausgesprochene Enteignung des
Grundstücks gegen den wahren Eigentümer wirkt27.

Gerade dadurch, daß die Person des wahren Eigentümers bei
Erfüllung derartiger Formen ganz außer Spiel bleiben kann, bekundet
sich die rechtliche Natur der Enteignung aufs deutlichste mit ihrer
dinglichen Richtung.

Was die im Verfahren gegen diesen Gegner zu enteignenden

26 So nach Preuß. Ges. v. 11. Juni 1874. Bei den Beratungen war hervor-
gehoben worden, daß "im gewöhnlichen Prozeß es Sache des Klägers ist, seine
richtigen Gegner aufzufinden". Hier aber sollen der Enteignungsbehörde die
Quellen der Angaben des Unternehmers zur Prüfung vorgelegt werden. Denn es
handelt sich um ein Verfahren, "welches die Bestimmung hat, den Streitgegen-
stand auf den betreibenden Teil als völlig unanfechtbares Eigentum zu übertragen,
welches also eventuell auch die Rechte Dritter vernichtet." Bähr und Langer-
hans,
Ges. über die Enteignung S. 81. -- Ähnlich das Bayr. Enteignungsges. v.
17. Nov. 1837 art. XV: Auflegung der Pläne zur Einsicht, öffentliche Aufforde-
rung, schriftliche Ladung aller Beteiligten zu einer Verhandlungstagfahrt. Ist ein
Beteiligter irrtümlich nicht zugezogen worden, so kann die abgeschlossene Ent-
eignung nicht als ungültig angefochten werden. Hartmann, Ges. über die
Zwangsabtretung S. 68 Note 1. -- Nach Sächs. R. ist die Auffindung des richtigen
Gegners durch den Anschluß an die Grundbucheinträge gesichert; wenn gleichwohl
ein Fehlgehen stattfand, so wirkt die sonst formgerecht durchgeführte Enteignung
auch gegen den wahren Eigentümer: Schelcher, Rechtswirkungen S. 94.
27 Dies ist der Grundsatz des Elsaß-Lothringischen Enteignungsrechts. Das
Gesetz v. 3. Mai 1837 art. 5 verfügt, daß auf dem aufzulegenden Parzellarplan
der Eigentümer nach dem Grundsteuerkataster zu bezeichnen sei; gegen diesen
erfolgt der Enteignungsbeschluß des Präfekten und das Enteignungsurteil des
Gerichts; ihm wird auch das Urteil zugestellt, um es rechtskräftig zu machen mit
Wirkung auf das Grundstück. Über Zweck und rechtliche Bedeutung der Ein-
richtung: de Lalleau, traite de l'expropriation I n. 101.

§ 33. Enteignungsverfahren.
sind, alle diese Unsicherheiten zu beseitigen: bei Erfüllung gewisser
Formen soll die Enteignung auch dann gültig sein, wenn der richtige
Eigentümer dem Unternehmer nicht gegenüber stand.

Es kann eine Auflegung des Enteignungsplanes vorgeschrieben
sein, mit öffentlicher Aufforderung, davon Einsicht zu nehmen;
die Enteignungsbehörde hat darauf zu sehen, daß die Eigentümer
darin möglichst richtig angegeben sind. Nach Ablauf der Frist und Er-
füllung der weiteren Voraussetzungen wird dann auf Grund des Planes
die Enteignung gültig ausgesprochen, auch für den Fall, daß in der
Bezeichnung des Eigentümers ein Irrtum vorlag26.

Eine andere Form ist die, daß man in Ermanglung eines Grund-
buches den Unternehmer ermächtigt, gegen den im Grundsteuerkataster
Eingetragenen wegen des Grundstücks zu verfahren mit der Folge,
daß die auf dieses Verfahren hin ausgesprochene Enteignung des
Grundstücks gegen den wahren Eigentümer wirkt27.

Gerade dadurch, daß die Person des wahren Eigentümers bei
Erfüllung derartiger Formen ganz außer Spiel bleiben kann, bekundet
sich die rechtliche Natur der Enteignung aufs deutlichste mit ihrer
dinglichen Richtung.

Was die im Verfahren gegen diesen Gegner zu enteignenden

26 So nach Preuß. Ges. v. 11. Juni 1874. Bei den Beratungen war hervor-
gehoben worden, daß „im gewöhnlichen Prozeß es Sache des Klägers ist, seine
richtigen Gegner aufzufinden“. Hier aber sollen der Enteignungsbehörde die
Quellen der Angaben des Unternehmers zur Prüfung vorgelegt werden. Denn es
handelt sich um ein Verfahren, „welches die Bestimmung hat, den Streitgegen-
stand auf den betreibenden Teil als völlig unanfechtbares Eigentum zu übertragen,
welches also eventuell auch die Rechte Dritter vernichtet.“ Bähr und Langer-
hans,
Ges. über die Enteignung S. 81. — Ähnlich das Bayr. Enteignungsges. v.
17. Nov. 1837 art. XV: Auflegung der Pläne zur Einsicht, öffentliche Aufforde-
rung, schriftliche Ladung aller Beteiligten zu einer Verhandlungstagfahrt. Ist ein
Beteiligter irrtümlich nicht zugezogen worden, so kann die abgeschlossene Ent-
eignung nicht als ungültig angefochten werden. Hartmann, Ges. über die
Zwangsabtretung S. 68 Note 1. — Nach Sächs. R. ist die Auffindung des richtigen
Gegners durch den Anschluß an die Grundbucheinträge gesichert; wenn gleichwohl
ein Fehlgehen stattfand, so wirkt die sonst formgerecht durchgeführte Enteignung
auch gegen den wahren Eigentümer: Schelcher, Rechtswirkungen S. 94.
27 Dies ist der Grundsatz des Elsaß-Lothringischen Enteignungsrechts. Das
Gesetz v. 3. Mai 1837 art. 5 verfügt, daß auf dem aufzulegenden Parzellarplan
der Eigentümer nach dem Grundsteuerkataster zu bezeichnen sei; gegen diesen
erfolgt der Enteignungsbeschluß des Präfekten und das Enteignungsurteil des
Gerichts; ihm wird auch das Urteil zugestellt, um es rechtskräftig zu machen mit
Wirkung auf das Grundstück. Über Zweck und rechtliche Bedeutung der Ein-
richtung: de Lalleau, traité de l’expropriation I n. 101.
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[21/0033] § 33. Enteignungsverfahren. sind, alle diese Unsicherheiten zu beseitigen: bei Erfüllung gewisser Formen soll die Enteignung auch dann gültig sein, wenn der richtige Eigentümer dem Unternehmer nicht gegenüber stand. Es kann eine Auflegung des Enteignungsplanes vorgeschrieben sein, mit öffentlicher Aufforderung, davon Einsicht zu nehmen; die Enteignungsbehörde hat darauf zu sehen, daß die Eigentümer darin möglichst richtig angegeben sind. Nach Ablauf der Frist und Er- füllung der weiteren Voraussetzungen wird dann auf Grund des Planes die Enteignung gültig ausgesprochen, auch für den Fall, daß in der Bezeichnung des Eigentümers ein Irrtum vorlag 26. Eine andere Form ist die, daß man in Ermanglung eines Grund- buches den Unternehmer ermächtigt, gegen den im Grundsteuerkataster Eingetragenen wegen des Grundstücks zu verfahren mit der Folge, daß die auf dieses Verfahren hin ausgesprochene Enteignung des Grundstücks gegen den wahren Eigentümer wirkt 27. Gerade dadurch, daß die Person des wahren Eigentümers bei Erfüllung derartiger Formen ganz außer Spiel bleiben kann, bekundet sich die rechtliche Natur der Enteignung aufs deutlichste mit ihrer dinglichen Richtung. Was die im Verfahren gegen diesen Gegner zu enteignenden 26 So nach Preuß. Ges. v. 11. Juni 1874. Bei den Beratungen war hervor- gehoben worden, daß „im gewöhnlichen Prozeß es Sache des Klägers ist, seine richtigen Gegner aufzufinden“. Hier aber sollen der Enteignungsbehörde die Quellen der Angaben des Unternehmers zur Prüfung vorgelegt werden. Denn es handelt sich um ein Verfahren, „welches die Bestimmung hat, den Streitgegen- stand auf den betreibenden Teil als völlig unanfechtbares Eigentum zu übertragen, welches also eventuell auch die Rechte Dritter vernichtet.“ Bähr und Langer- hans, Ges. über die Enteignung S. 81. — Ähnlich das Bayr. Enteignungsges. v. 17. Nov. 1837 art. XV: Auflegung der Pläne zur Einsicht, öffentliche Aufforde- rung, schriftliche Ladung aller Beteiligten zu einer Verhandlungstagfahrt. Ist ein Beteiligter irrtümlich nicht zugezogen worden, so kann die abgeschlossene Ent- eignung nicht als ungültig angefochten werden. Hartmann, Ges. über die Zwangsabtretung S. 68 Note 1. — Nach Sächs. R. ist die Auffindung des richtigen Gegners durch den Anschluß an die Grundbucheinträge gesichert; wenn gleichwohl ein Fehlgehen stattfand, so wirkt die sonst formgerecht durchgeführte Enteignung auch gegen den wahren Eigentümer: Schelcher, Rechtswirkungen S. 94. 27 Dies ist der Grundsatz des Elsaß-Lothringischen Enteignungsrechts. Das Gesetz v. 3. Mai 1837 art. 5 verfügt, daß auf dem aufzulegenden Parzellarplan der Eigentümer nach dem Grundsteuerkataster zu bezeichnen sei; gegen diesen erfolgt der Enteignungsbeschluß des Präfekten und das Enteignungsurteil des Gerichts; ihm wird auch das Urteil zugestellt, um es rechtskräftig zu machen mit Wirkung auf das Grundstück. Über Zweck und rechtliche Bedeutung der Ein- richtung: de Lalleau, traité de l’expropriation I n. 101.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/33>, abgerufen am 28.03.2024.