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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 33. Enteignungsverfahren.
geschehen. Hier handelt es sich überhaupt nicht um öffentliche Ver-
waltung16.

Aber auch gelegentlich der Besorgung von Angelegenheiten der
öffentlichen Verwaltung kann die Enteignung nicht benutzt werden,
um Grundstücke zu erwerben, die nicht dem Unternehmen selber
dienen, sondern durch ihre Weiterveräußerung einen Gewinn ab-
werfen sollen. Wenigstens ist die normale Enteignung für solche
Spekulation nicht gegeben; die Gesetze gestatten es ausnahms-
weise17.

Unzulässig ist in diesem Sinne auch die Enteignung, wenn es
sich bloß darum handelt, die Besitzverhältnisse zwischen den
Einzelnen
zu ändern, so daß das Grundstück gar nicht an ein
öffentliches Unternehmen übergeht. Man denke etwa an eine Ent-
eignung von Großgrundbesitz zur Verteilung an die Bauern, oder
von Fabriken behufs genossenschaftlicher Unternehmungen der Ar-
beiter18.

Ebensowenig würde sich aus der allgemeinen Enteignungs-
ermächtigung eine Entziehung von Privateigentum rechtfertigen, die
nur bezweckte, die Störungen zu beseitigen, die aus der bis-

16 Nach v. Rohland, Ent.R. S. 14, folgt "aus dem Prinzip des Enteignungs-
wesens", daß nicht enteignet werden kann für "private Gemeindezwecke", z. B.
Anlegung eines näheren Weges nach dem Gemeindewald. Ebenso Grünhut
Ent.R. S. 79: "dieses Recht ... trägt in sich selbst seine Begrenzung"; es kann
nicht geübt werden "im vermögensrechtlichen Interesse des Ärars".
17 Hierher gehören die hie und da durch die Gesetze zugelassenen sog.
Zonen-Expropriationen; Neumann in Annalen 1886 S. 405. Daß hier mehr ge-
nommen werden darf, als das Unternehmen selbst fordert, um das mit Vorteil
weiter veräußern zu können, bezeichnet v. Rohland, Ent.R. S. 22 Note 3,
geradezu als das "Verwerfliche" an der Einrichtung.
18 Grünhut, Ent.R. S. 3, übertreibt nur den richtigen Gedanken, wenn er als
wesentlich für die Enteignung aufstellt "die Übertragung in das öffentliche Gut",
d. h. das öffentliche Eigentum (a. a. O. S. 76). Das scheint auf einem Miß-
verständnis der französischen Schriftsteller zu beruhen, oder vielmehr auf einer
Nachlässigkeit derselben, indem sie den Ausdruck domaine public (= öffentliches
Eigentum) manchmal gebrauchen, wo domaine de l'etat stehen sollte. So findet
sich z. B. Grünhuts Satz bei de Lalleau, traite de l'expropr. I n. 164, und
Dufour, droit adm. VII n. 551. Das öffentliche Eigentum ist die hervorragendste
Form, in welcher das Grundstück einem öffentlichen Unternehmen dienstbar sein
kann: es stellt da selbst das öffentliche Unternehmen vor (unten S. 74). Es ge-
nügt aber, daß es civilrechtliches Eigentum des Subjektes der öffentlichen Ver-
waltung werden und bleiben soll, um als solches dem öffentlichen Unternehmen zu
dienen; das freilich ist mindestens verlangt.

§ 33. Enteignungsverfahren.
geschehen. Hier handelt es sich überhaupt nicht um öffentliche Ver-
waltung16.

Aber auch gelegentlich der Besorgung von Angelegenheiten der
öffentlichen Verwaltung kann die Enteignung nicht benutzt werden,
um Grundstücke zu erwerben, die nicht dem Unternehmen selber
dienen, sondern durch ihre Weiterveräußerung einen Gewinn ab-
werfen sollen. Wenigstens ist die normale Enteignung für solche
Spekulation nicht gegeben; die Gesetze gestatten es ausnahms-
weise17.

Unzulässig ist in diesem Sinne auch die Enteignung, wenn es
sich bloß darum handelt, die Besitzverhältnisse zwischen den
Einzelnen
zu ändern, so daß das Grundstück gar nicht an ein
öffentliches Unternehmen übergeht. Man denke etwa an eine Ent-
eignung von Großgrundbesitz zur Verteilung an die Bauern, oder
von Fabriken behufs genossenschaftlicher Unternehmungen der Ar-
beiter18.

Ebensowenig würde sich aus der allgemeinen Enteignungs-
ermächtigung eine Entziehung von Privateigentum rechtfertigen, die
nur bezweckte, die Störungen zu beseitigen, die aus der bis-

16 Nach v. Rohland, Ent.R. S. 14, folgt „aus dem Prinzip des Enteignungs-
wesens“, daß nicht enteignet werden kann für „private Gemeindezwecke“, z. B.
Anlegung eines näheren Weges nach dem Gemeindewald. Ebenso Grünhut
Ent.R. S. 79: „dieses Recht … trägt in sich selbst seine Begrenzung“; es kann
nicht geübt werden „im vermögensrechtlichen Interesse des Ärars“.
17 Hierher gehören die hie und da durch die Gesetze zugelassenen sog.
Zonen-Expropriationen; Neumann in Annalen 1886 S. 405. Daß hier mehr ge-
nommen werden darf, als das Unternehmen selbst fordert, um das mit Vorteil
weiter veräußern zu können, bezeichnet v. Rohland, Ent.R. S. 22 Note 3,
geradezu als das „Verwerfliche“ an der Einrichtung.
18 Grünhut, Ent.R. S. 3, übertreibt nur den richtigen Gedanken, wenn er als
wesentlich für die Enteignung aufstellt „die Übertragung in das öffentliche Gut“,
d. h. das öffentliche Eigentum (a. a. O. S. 76). Das scheint auf einem Miß-
verständnis der französischen Schriftsteller zu beruhen, oder vielmehr auf einer
Nachlässigkeit derselben, indem sie den Ausdruck domaine public (= öffentliches
Eigentum) manchmal gebrauchen, wo domaine de l’état stehen sollte. So findet
sich z. B. Grünhuts Satz bei de Lalleau, traité de l’expropr. I n. 164, und
Dufour, droit adm. VII n. 551. Das öffentliche Eigentum ist die hervorragendste
Form, in welcher das Grundstück einem öffentlichen Unternehmen dienstbar sein
kann: es stellt da selbst das öffentliche Unternehmen vor (unten S. 74). Es ge-
nügt aber, daß es civilrechtliches Eigentum des Subjektes der öffentlichen Ver-
waltung werden und bleiben soll, um als solches dem öffentlichen Unternehmen zu
dienen; das freilich ist mindestens verlangt.
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[13/0025] § 33. Enteignungsverfahren. geschehen. Hier handelt es sich überhaupt nicht um öffentliche Ver- waltung 16. Aber auch gelegentlich der Besorgung von Angelegenheiten der öffentlichen Verwaltung kann die Enteignung nicht benutzt werden, um Grundstücke zu erwerben, die nicht dem Unternehmen selber dienen, sondern durch ihre Weiterveräußerung einen Gewinn ab- werfen sollen. Wenigstens ist die normale Enteignung für solche Spekulation nicht gegeben; die Gesetze gestatten es ausnahms- weise 17. Unzulässig ist in diesem Sinne auch die Enteignung, wenn es sich bloß darum handelt, die Besitzverhältnisse zwischen den Einzelnen zu ändern, so daß das Grundstück gar nicht an ein öffentliches Unternehmen übergeht. Man denke etwa an eine Ent- eignung von Großgrundbesitz zur Verteilung an die Bauern, oder von Fabriken behufs genossenschaftlicher Unternehmungen der Ar- beiter 18. Ebensowenig würde sich aus der allgemeinen Enteignungs- ermächtigung eine Entziehung von Privateigentum rechtfertigen, die nur bezweckte, die Störungen zu beseitigen, die aus der bis- 16 Nach v. Rohland, Ent.R. S. 14, folgt „aus dem Prinzip des Enteignungs- wesens“, daß nicht enteignet werden kann für „private Gemeindezwecke“, z. B. Anlegung eines näheren Weges nach dem Gemeindewald. Ebenso Grünhut Ent.R. S. 79: „dieses Recht … trägt in sich selbst seine Begrenzung“; es kann nicht geübt werden „im vermögensrechtlichen Interesse des Ärars“. 17 Hierher gehören die hie und da durch die Gesetze zugelassenen sog. Zonen-Expropriationen; Neumann in Annalen 1886 S. 405. Daß hier mehr ge- nommen werden darf, als das Unternehmen selbst fordert, um das mit Vorteil weiter veräußern zu können, bezeichnet v. Rohland, Ent.R. S. 22 Note 3, geradezu als das „Verwerfliche“ an der Einrichtung. 18 Grünhut, Ent.R. S. 3, übertreibt nur den richtigen Gedanken, wenn er als wesentlich für die Enteignung aufstellt „die Übertragung in das öffentliche Gut“, d. h. das öffentliche Eigentum (a. a. O. S. 76). Das scheint auf einem Miß- verständnis der französischen Schriftsteller zu beruhen, oder vielmehr auf einer Nachlässigkeit derselben, indem sie den Ausdruck domaine public (= öffentliches Eigentum) manchmal gebrauchen, wo domaine de l’état stehen sollte. So findet sich z. B. Grünhuts Satz bei de Lalleau, traité de l’expropr. I n. 164, und Dufour, droit adm. VII n. 551. Das öffentliche Eigentum ist die hervorragendste Form, in welcher das Grundstück einem öffentlichen Unternehmen dienstbar sein kann: es stellt da selbst das öffentliche Unternehmen vor (unten S. 74). Es ge- nügt aber, daß es civilrechtliches Eigentum des Subjektes der öffentlichen Ver- waltung werden und bleiben soll, um als solches dem öffentlichen Unternehmen zu dienen; das freilich ist mindestens verlangt.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/25>, abgerufen am 29.03.2024.