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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

Dagegen ist der Staatsdiener seinerseits jederzeit befugt, das
Diens tverhältnis durch seinen Rücktritt zur Endigung zu bringen.
Die Gesetze, welche diesen Punkt ausdrücklich behandeln, erkennen
das übereinstimmend an mit der selbstverständlichen Folge, daß damit
auch alle Ansprüche auf fernere staatliche Leistungen erlöschen.
Dieses Rücktrittsrecht besteht aber nach Theorie und Praxis auch
da, wo das Gesetz nichts davon sagt. Das erklärt sich nur so, daß es
als stillschweigender Inhalt des Anstellungsaktes gilt. Dieser ist es,
der, soweit das Gesetz nichts verfügt, das Rechtsverhältnis bestimmt.
So gut er Befristungen oder Kündigungsklauseln beifügen kann, kann
er auch dem Dienstpflichtigen die rechtliche Möglichkeit geben, sich
jederzeit zu befreien; dann ist die Dienstpflicht nur mit dieser Maß-
gabe begründet. Das könnte durch eine ausdrückliche Klausel ge-
schehen. Es kann ebensowohl stillschweigend geschehen. Es kommt
nur darauf an, ob aus den Umständen geschlossen werden kann, daß
dieses der Wille des Aktes ist. An Umständen, die einen derartigen
Schluß gestatten, fehlt es hier sicherlich nicht. Dafür spricht schon
das Vorbild des civilrechtlichen, auf unbestimmte Zeit geschlossenen
Dienstv ertrages, und mehr noch die Thatsache, daß solches für andere
deutsche Staatsdienste kraft gesetzlicher Ordnung Brauch ist. Wenn
nichts gesagt ist, ist anzunehmen, daß man nicht davon abweichen
wollte26.

Ob ausdrücklich im Gesetze vorgesehen, ob stillschweigend im

mit Gehaltsfortbezug, d. h. mit Pension. Von den Beispielen, die in früheren
Auflagen angeführt waren, ist jetzt nur noch das bayrische und das hessische
Recht übrig geblieben. Das hessische Recht bedeutet aber, wie er selbst aner-
kennt (2. Aufl. S. 447), vielmehr nur eine Zur-Verfügung-Stellung. Für das
bayrische Recht gilt allerdings Staatsdiener-Ed. § 19, wonach die Regierung dem
Staatsdiener jederzeit "mit Belassung des Standesgehaltes" die "Dimission" geben
kann. Das ist freie Dienstentlassung. Das ist aber auch, wie Rehm in Annalen
1885 S. 208 richtig bemerkt, die Theorie von Gönner, die da zum Gesetz erhoben
ist, und, fügen wir hinzu, in dieser Gestalt ihre Zeit überdauert. -- Für das Amt
des Ministers, das ja überhaupt eine Ausnahmestellung einnimmt, ist neben der
freien Amtsentziehung auch die freie Dienstentlassung allgemeiner angenommen:
G. Meyer, St.R. S. 476.
26 Den wichtigsten Fall dieser Art bietet das R.B.G., welches ein Rücktritts-
recht des Beamten nicht erwähnt. Gleichwohl ist die herrschende Meinung, daß
ein solches auch für die Reichsbeamten besteht. Meist sucht man das wieder
durch ein Gewohnheitsrecht zu erklären: G. Meyer, St.R. S. 468; Rehm in
Annalen 1885 S. 203; Laband, St.R. I S. 501 (3. Aufl. S. 478). Dagegen mit
Recht Loening, V.R. S. 134 Anm. 1. Aber zu weit geht dieser, wenn er des-
halb dem Reichsbeamten das Recht auf Entlassung abspricht. Es kommt bloß
darauf an, daß man sich gewöhne, mit dem Verwaltungsakte der Anstellung im
Staatsdienste als mit einem lebendigen Rechtsgeschäfte zu rechnen.
Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

Dagegen ist der Staatsdiener seinerseits jederzeit befugt, das
Diens tverhältnis durch seinen Rücktritt zur Endigung zu bringen.
Die Gesetze, welche diesen Punkt ausdrücklich behandeln, erkennen
das übereinstimmend an mit der selbstverständlichen Folge, daß damit
auch alle Ansprüche auf fernere staatliche Leistungen erlöschen.
Dieses Rücktrittsrecht besteht aber nach Theorie und Praxis auch
da, wo das Gesetz nichts davon sagt. Das erklärt sich nur so, daß es
als stillschweigender Inhalt des Anstellungsaktes gilt. Dieser ist es,
der, soweit das Gesetz nichts verfügt, das Rechtsverhältnis bestimmt.
So gut er Befristungen oder Kündigungsklauseln beifügen kann, kann
er auch dem Dienstpflichtigen die rechtliche Möglichkeit geben, sich
jederzeit zu befreien; dann ist die Dienstpflicht nur mit dieser Maß-
gabe begründet. Das könnte durch eine ausdrückliche Klausel ge-
schehen. Es kann ebensowohl stillschweigend geschehen. Es kommt
nur darauf an, ob aus den Umständen geschlossen werden kann, daß
dieses der Wille des Aktes ist. An Umständen, die einen derartigen
Schluß gestatten, fehlt es hier sicherlich nicht. Dafür spricht schon
das Vorbild des civilrechtlichen, auf unbestimmte Zeit geschlossenen
Dienstv ertrages, und mehr noch die Thatsache, daß solches für andere
deutsche Staatsdienste kraft gesetzlicher Ordnung Brauch ist. Wenn
nichts gesagt ist, ist anzunehmen, daß man nicht davon abweichen
wollte26.

Ob ausdrücklich im Gesetze vorgesehen, ob stillschweigend im

mit Gehaltsfortbezug, d. h. mit Pension. Von den Beispielen, die in früheren
Auflagen angeführt waren, ist jetzt nur noch das bayrische und das hessische
Recht übrig geblieben. Das hessische Recht bedeutet aber, wie er selbst aner-
kennt (2. Aufl. S. 447), vielmehr nur eine Zur-Verfügung-Stellung. Für das
bayrische Recht gilt allerdings Staatsdiener-Ed. § 19, wonach die Regierung dem
Staatsdiener jederzeit „mit Belassung des Standesgehaltes“ die „Dimission“ geben
kann. Das ist freie Dienstentlassung. Das ist aber auch, wie Rehm in Annalen
1885 S. 208 richtig bemerkt, die Theorie von Gönner, die da zum Gesetz erhoben
ist, und, fügen wir hinzu, in dieser Gestalt ihre Zeit überdauert. — Für das Amt
des Ministers, das ja überhaupt eine Ausnahmestellung einnimmt, ist neben der
freien Amtsentziehung auch die freie Dienstentlassung allgemeiner angenommen:
G. Meyer, St.R. S. 476.
26 Den wichtigsten Fall dieser Art bietet das R.B.G., welches ein Rücktritts-
recht des Beamten nicht erwähnt. Gleichwohl ist die herrschende Meinung, daß
ein solches auch für die Reichsbeamten besteht. Meist sucht man das wieder
durch ein Gewohnheitsrecht zu erklären: G. Meyer, St.R. S. 468; Rehm in
Annalen 1885 S. 203; Laband, St.R. I S. 501 (3. Aufl. S. 478). Dagegen mit
Recht Loening, V.R. S. 134 Anm. 1. Aber zu weit geht dieser, wenn er des-
halb dem Reichsbeamten das Recht auf Entlassung abspricht. Es kommt bloß
darauf an, daß man sich gewöhne, mit dem Verwaltungsakte der Anstellung im
Staatsdienste als mit einem lebendigen Rechtsgeschäfte zu rechnen.
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[230/0242] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. Dagegen ist der Staatsdiener seinerseits jederzeit befugt, das Diens tverhältnis durch seinen Rücktritt zur Endigung zu bringen. Die Gesetze, welche diesen Punkt ausdrücklich behandeln, erkennen das übereinstimmend an mit der selbstverständlichen Folge, daß damit auch alle Ansprüche auf fernere staatliche Leistungen erlöschen. Dieses Rücktrittsrecht besteht aber nach Theorie und Praxis auch da, wo das Gesetz nichts davon sagt. Das erklärt sich nur so, daß es als stillschweigender Inhalt des Anstellungsaktes gilt. Dieser ist es, der, soweit das Gesetz nichts verfügt, das Rechtsverhältnis bestimmt. So gut er Befristungen oder Kündigungsklauseln beifügen kann, kann er auch dem Dienstpflichtigen die rechtliche Möglichkeit geben, sich jederzeit zu befreien; dann ist die Dienstpflicht nur mit dieser Maß- gabe begründet. Das könnte durch eine ausdrückliche Klausel ge- schehen. Es kann ebensowohl stillschweigend geschehen. Es kommt nur darauf an, ob aus den Umständen geschlossen werden kann, daß dieses der Wille des Aktes ist. An Umständen, die einen derartigen Schluß gestatten, fehlt es hier sicherlich nicht. Dafür spricht schon das Vorbild des civilrechtlichen, auf unbestimmte Zeit geschlossenen Dienstv ertrages, und mehr noch die Thatsache, daß solches für andere deutsche Staatsdienste kraft gesetzlicher Ordnung Brauch ist. Wenn nichts gesagt ist, ist anzunehmen, daß man nicht davon abweichen wollte 26. Ob ausdrücklich im Gesetze vorgesehen, ob stillschweigend im 25 26 Den wichtigsten Fall dieser Art bietet das R.B.G., welches ein Rücktritts- recht des Beamten nicht erwähnt. Gleichwohl ist die herrschende Meinung, daß ein solches auch für die Reichsbeamten besteht. Meist sucht man das wieder durch ein Gewohnheitsrecht zu erklären: G. Meyer, St.R. S. 468; Rehm in Annalen 1885 S. 203; Laband, St.R. I S. 501 (3. Aufl. S. 478). Dagegen mit Recht Loening, V.R. S. 134 Anm. 1. Aber zu weit geht dieser, wenn er des- halb dem Reichsbeamten das Recht auf Entlassung abspricht. Es kommt bloß darauf an, daß man sich gewöhne, mit dem Verwaltungsakte der Anstellung im Staatsdienste als mit einem lebendigen Rechtsgeschäfte zu rechnen. 25 mit Gehaltsfortbezug, d. h. mit Pension. Von den Beispielen, die in früheren Auflagen angeführt waren, ist jetzt nur noch das bayrische und das hessische Recht übrig geblieben. Das hessische Recht bedeutet aber, wie er selbst aner- kennt (2. Aufl. S. 447), vielmehr nur eine Zur-Verfügung-Stellung. Für das bayrische Recht gilt allerdings Staatsdiener-Ed. § 19, wonach die Regierung dem Staatsdiener jederzeit „mit Belassung des Standesgehaltes“ die „Dimission“ geben kann. Das ist freie Dienstentlassung. Das ist aber auch, wie Rehm in Annalen 1885 S. 208 richtig bemerkt, die Theorie von Gönner, die da zum Gesetz erhoben ist, und, fügen wir hinzu, in dieser Gestalt ihre Zeit überdauert. — Für das Amt des Ministers, das ja überhaupt eine Ausnahmestellung einnimmt, ist neben der freien Amtsentziehung auch die freie Dienstentlassung allgemeiner angenommen: G. Meyer, St.R. S. 476.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/242>, abgerufen am 24.04.2024.