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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

Auf den ersten Blick scheint das in offenem Widerspruch zu
stehen zu all den Anschauungen, welche die Grundlage unserer ganzen
Lehre vom öffentlichen Amte und von der dazu gehörigen öffentlichen
Dienstpflicht bilden. In Wahrheit erklärt sich die Sache einfach
daraus, daß hier mit dem civilrechtlichen Dienst- und Auftrags-
verhältnis ein öffentliches Amt und eine öffentliche Dienstpflicht sich
selbständig verbinden in Formen, welche dem öffentlichen Rechte an-
gehören und die bekannten Gestalten unserer Rechtsinstitute, wenn
auch in minder scharfer und vollständiger Weise, wiedergeben20.

1. Das öffentliche Amt wird in all diesen Fällen niemals durch
den civilrechtlichen Dienstvertrag unmittelbar begründet. Der
Vertrag mag für sich fertig und gültig abgeschlossen sein, die Parteien
können ihm ihrerseits für sich allein nie die Wirkung eines öffentlichen
Amtes geben. Das Amt kommt erst nachträglich und selbständig
hinzu durch den Akt einer staatlichen Behörde. Dieser Akt erscheint
als Bestätigung, als Annahme des Bediensteten für das öffent-
liche Amt, das er bekleiden soll. Er verbindet sich mit der Ver-
eidigung
desselben für das Amt oder kann geradezu nur in der

qualität schließt die Annahme nicht aus, daß derselbe nach anderen Richtungen
zu dem dingenden Posthalter gleichzeitig auch in einem privatrechtlichen, einem
Gesindeverhältnis stehe." Ganz ebenso kennzeichnet R.G. 30. Okt. 1886 (Samml.
37 S. 65) die Doppelstellung des Postillons; er ist "Privatdiener" des Posthalters
und "Beamter" des Staates.
20 Loening, V.R. S. 115, hat diese Fälle im Auge, wenn er sagt: "Auch
Personen, welche in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu dem Staate oder
bloß zu Privatpersonen stehen, können Beamte sein." Unrichtig ist, daß auch
ein privatrechtliches Dienstverhältnis zum Staate dabei möglich wäre. Daß diese
Leute trotz civilrechtlicher Dienstpflicht öffentliche Beamte sind, beruht nur darauf,
daß neben ihrem privatrechtlichen Dienstverhältnis noch ein öffentlichrechtliches
zum Staate besteht. Dieses Nebeneinander ist aber doch nur möglich, weil das
civilrechtliche Verhältnis gegenüber einem anderen Dienstherrn besteht als dem
Staat. Nicht möglich ist es, daß derselbe Mann gegenüber demselben Dienstherrn,
dem Staate nämlich, zwei Dienstverhältnisse habe, ein civilrechtliches und ein
öffentlichrechtliches. Hier würden wir sagen: entweder das erstere; dann ist der
Mann kein öffentlicher Beamter -- oder das zweite; dann ist er Beamter, aber
ohne privatrechtliches Dienstverhältnis. Laband, welcher in St.R. I S. 406 Anm. 2
(3. Aufl. S. 385) gegen Loenings obigen Satz sich wendet, bemerkt mit Recht:
"Auch dem Sprachgebrauch entspricht es nicht, Personen, welche mit dem Staate
ein lediglich privatrechtliches Kontraktsverhältnis eingegangen sind, als Staats-
beamte zu bezeichnen." Aber soll dasselbe gelten von dem "von Privatpersonen
angestellten, mit polizeilichen Funktionen betrauten Personal", welche Laband un-
mittelbar vorher anführt? Hier ist doch wohl umgekehrt der Sprachgebrauch, der
ihnen Beamteneigenschaft zuerkennt, über allen Zweifel erhaben.
Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

Auf den ersten Blick scheint das in offenem Widerspruch zu
stehen zu all den Anschauungen, welche die Grundlage unserer ganzen
Lehre vom öffentlichen Amte und von der dazu gehörigen öffentlichen
Dienstpflicht bilden. In Wahrheit erklärt sich die Sache einfach
daraus, daß hier mit dem civilrechtlichen Dienst- und Auftrags-
verhältnis ein öffentliches Amt und eine öffentliche Dienstpflicht sich
selbständig verbinden in Formen, welche dem öffentlichen Rechte an-
gehören und die bekannten Gestalten unserer Rechtsinstitute, wenn
auch in minder scharfer und vollständiger Weise, wiedergeben20.

1. Das öffentliche Amt wird in all diesen Fällen niemals durch
den civilrechtlichen Dienstvertrag unmittelbar begründet. Der
Vertrag mag für sich fertig und gültig abgeschlossen sein, die Parteien
können ihm ihrerseits für sich allein nie die Wirkung eines öffentlichen
Amtes geben. Das Amt kommt erst nachträglich und selbständig
hinzu durch den Akt einer staatlichen Behörde. Dieser Akt erscheint
als Bestätigung, als Annahme des Bediensteten für das öffent-
liche Amt, das er bekleiden soll. Er verbindet sich mit der Ver-
eidigung
desselben für das Amt oder kann geradezu nur in der

qualität schließt die Annahme nicht aus, daß derselbe nach anderen Richtungen
zu dem dingenden Posthalter gleichzeitig auch in einem privatrechtlichen, einem
Gesindeverhältnis stehe.“ Ganz ebenso kennzeichnet R.G. 30. Okt. 1886 (Samml.
37 S. 65) die Doppelstellung des Postillons; er ist „Privatdiener“ des Posthalters
und „Beamter“ des Staates.
20 Loening, V.R. S. 115, hat diese Fälle im Auge, wenn er sagt: „Auch
Personen, welche in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu dem Staate oder
bloß zu Privatpersonen stehen, können Beamte sein.“ Unrichtig ist, daß auch
ein privatrechtliches Dienstverhältnis zum Staate dabei möglich wäre. Daß diese
Leute trotz civilrechtlicher Dienstpflicht öffentliche Beamte sind, beruht nur darauf,
daß neben ihrem privatrechtlichen Dienstverhältnis noch ein öffentlichrechtliches
zum Staate besteht. Dieses Nebeneinander ist aber doch nur möglich, weil das
civilrechtliche Verhältnis gegenüber einem anderen Dienstherrn besteht als dem
Staat. Nicht möglich ist es, daß derselbe Mann gegenüber demselben Dienstherrn,
dem Staate nämlich, zwei Dienstverhältnisse habe, ein civilrechtliches und ein
öffentlichrechtliches. Hier würden wir sagen: entweder das erstere; dann ist der
Mann kein öffentlicher Beamter — oder das zweite; dann ist er Beamter, aber
ohne privatrechtliches Dienstverhältnis. Laband, welcher in St.R. I S. 406 Anm. 2
(3. Aufl. S. 385) gegen Loenings obigen Satz sich wendet, bemerkt mit Recht:
„Auch dem Sprachgebrauch entspricht es nicht, Personen, welche mit dem Staate
ein lediglich privatrechtliches Kontraktsverhältnis eingegangen sind, als Staats-
beamte zu bezeichnen.“ Aber soll dasselbe gelten von dem „von Privatpersonen
angestellten, mit polizeilichen Funktionen betrauten Personal“, welche Laband un-
mittelbar vorher anführt? Hier ist doch wohl umgekehrt der Sprachgebrauch, der
ihnen Beamteneigenschaft zuerkennt, über allen Zweifel erhaben.
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[216/0228] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. Auf den ersten Blick scheint das in offenem Widerspruch zu stehen zu all den Anschauungen, welche die Grundlage unserer ganzen Lehre vom öffentlichen Amte und von der dazu gehörigen öffentlichen Dienstpflicht bilden. In Wahrheit erklärt sich die Sache einfach daraus, daß hier mit dem civilrechtlichen Dienst- und Auftrags- verhältnis ein öffentliches Amt und eine öffentliche Dienstpflicht sich selbständig verbinden in Formen, welche dem öffentlichen Rechte an- gehören und die bekannten Gestalten unserer Rechtsinstitute, wenn auch in minder scharfer und vollständiger Weise, wiedergeben 20. 1. Das öffentliche Amt wird in all diesen Fällen niemals durch den civilrechtlichen Dienstvertrag unmittelbar begründet. Der Vertrag mag für sich fertig und gültig abgeschlossen sein, die Parteien können ihm ihrerseits für sich allein nie die Wirkung eines öffentlichen Amtes geben. Das Amt kommt erst nachträglich und selbständig hinzu durch den Akt einer staatlichen Behörde. Dieser Akt erscheint als Bestätigung, als Annahme des Bediensteten für das öffent- liche Amt, das er bekleiden soll. Er verbindet sich mit der Ver- eidigung desselben für das Amt oder kann geradezu nur in der 19 20 Loening, V.R. S. 115, hat diese Fälle im Auge, wenn er sagt: „Auch Personen, welche in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu dem Staate oder bloß zu Privatpersonen stehen, können Beamte sein.“ Unrichtig ist, daß auch ein privatrechtliches Dienstverhältnis zum Staate dabei möglich wäre. Daß diese Leute trotz civilrechtlicher Dienstpflicht öffentliche Beamte sind, beruht nur darauf, daß neben ihrem privatrechtlichen Dienstverhältnis noch ein öffentlichrechtliches zum Staate besteht. Dieses Nebeneinander ist aber doch nur möglich, weil das civilrechtliche Verhältnis gegenüber einem anderen Dienstherrn besteht als dem Staat. Nicht möglich ist es, daß derselbe Mann gegenüber demselben Dienstherrn, dem Staate nämlich, zwei Dienstverhältnisse habe, ein civilrechtliches und ein öffentlichrechtliches. Hier würden wir sagen: entweder das erstere; dann ist der Mann kein öffentlicher Beamter — oder das zweite; dann ist er Beamter, aber ohne privatrechtliches Dienstverhältnis. Laband, welcher in St.R. I S. 406 Anm. 2 (3. Aufl. S. 385) gegen Loenings obigen Satz sich wendet, bemerkt mit Recht: „Auch dem Sprachgebrauch entspricht es nicht, Personen, welche mit dem Staate ein lediglich privatrechtliches Kontraktsverhältnis eingegangen sind, als Staats- beamte zu bezeichnen.“ Aber soll dasselbe gelten von dem „von Privatpersonen angestellten, mit polizeilichen Funktionen betrauten Personal“, welche Laband un- mittelbar vorher anführt? Hier ist doch wohl umgekehrt der Sprachgebrauch, der ihnen Beamteneigenschaft zuerkennt, über allen Zweifel erhaben. 19 qualität schließt die Annahme nicht aus, daß derselbe nach anderen Richtungen zu dem dingenden Posthalter gleichzeitig auch in einem privatrechtlichen, einem Gesindeverhältnis stehe.“ Ganz ebenso kennzeichnet R.G. 30. Okt. 1886 (Samml. 37 S. 65) die Doppelstellung des Postillons; er ist „Privatdiener“ des Posthalters und „Beamter“ des Staates.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/228>, abgerufen am 25.04.2024.