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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.

III. In Anschluß an die Lehre vom Ehrenamte behandeln wir
hier noch einen besonderen Fall der öffentlichen Dienstpflicht, der in
seiner juristischen Eigenart nur so verständlich wird.

Es giebt öffentliche Beamte, welche ihr Amt ausüben mit civil-
rechtlicher
Dienstpflicht und auf Grund eines civilrechtlichen
Dienstvertrags.

Noch mehr: dieser Vertrag besteht nicht zwischen diesen Be-
amten und dem Staate oder einer gleichartigen juristischen Person
des öffentlichen Rechts, sondern Dienstherr ist ein einfacher anderer
Unterthan, ein Grundeigentümer, ein Gewerbsunternehmer, eine
Aktiengesellschaft.

Die Hauptbeispiele sind: die Eisenbahnpolizeibeamten im Dienste
der Privateisenbahngesellschaften, das Privatforst- und -jagdschutz-
personal, die Stellvertreter von Gutsbesitzern im Amte des Guts-
vorstehers. Überall besteht hier ein Dienstvertrag, begründet in den
gewöhnlichen Formen des Civilrechts, mit den gewöhnlichen Rechten
und Pflichten eines solchen zwischen den Parteien und mit Endigungs-
arten, die dem entsprechen. Und doch sind alle diese Leute als
öffentliche Beamte anerkannt und insbesondere die strafrechtlichen
Bestimmungen wegen Widerstands gegen öffentliche Beamte und wegen
Amtsvergehens auf sie anwendbar19.

S. 687, I S. 445). Der bisherige Einjährig-Freiwillige, der in einen anderen
Bundesstaat verzieht, tritt nach dem Grundsatze der militärischen Freizügigkeit
in das Kontingent seines neuen Wohnsitzes über; die künftig fällig werdenden
Raten aktiven Dienstes hat er diesem zu leisten. Die etwa schon erworbene
Qualifikation nimmt er mit. Ganz anders der Reserveoffizier. Er bleibt auch im
Falle des Verziehens im Dienstverhältnisse desjenigen Bundesstaates, von dessen
Kontingentsherrn er zum Offizier ernannt worden ist; ein Übertritt könnte sich nur
vollziehen durch Entlassung und Neuernennung. Hätte er einfach noch die ge-
setzliche Dienstpflicht, so müßte jene Regel der militärischen Freizügigkeit auch
für ihn wirksam werden. Bloße "Modifikationen der Erfüllung" könnten darin
nichts ändern. -- Zuletzt: wie endigt die Dienstpflicht? Die aktive, wie wir ge-
sehen haben, nur durch Entlassung; die gesetzliche Reservepflicht dagegen behufs
Übertritts zur Landwehr von selbst durch Zeitablauf. Das gilt auch dann, wenn
der Mann Unteroffiziersqualität erlangt hatte. Die Dienstpflicht des Reserve-
offiziers dagegen endigt immer nur durch Entlassung gemäß dem Grundsatze,
welchen A.L.R. II, 10 § 94 für alle Beamten aufgestellt hat. Bei vorzeitiger Ent-
lassung wäre, wie beim Berufsoffizier, ein Wiederaufleben der gesetzlichen Dienst-
pflicht denkbar (Heerordnung § 25).
19 Oppenhoff, Stf.G.B. zu § 359 n. 38, 39, 42; Olshausen, Stf.G.B. zu
§ 359 n. 15, a I u. III; v. Brauchitsch, Preuß. V.ges. I S. 70 Note 121,
S. 73 Note 131. Auch auf dem Gebiete des Postwesens kommen solche Erschei-
nungen vor; O.Tr. 3. Febr. 1862 (Str. 44 S. 188): "ein Postillon ist, soweit und
so lange er Postdienste verrichtet, öffentlicher Beamter. Diese relative Beamten-
§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.

III. In Anschluß an die Lehre vom Ehrenamte behandeln wir
hier noch einen besonderen Fall der öffentlichen Dienstpflicht, der in
seiner juristischen Eigenart nur so verständlich wird.

Es giebt öffentliche Beamte, welche ihr Amt ausüben mit civil-
rechtlicher
Dienstpflicht und auf Grund eines civilrechtlichen
Dienstvertrags.

Noch mehr: dieser Vertrag besteht nicht zwischen diesen Be-
amten und dem Staate oder einer gleichartigen juristischen Person
des öffentlichen Rechts, sondern Dienstherr ist ein einfacher anderer
Unterthan, ein Grundeigentümer, ein Gewerbsunternehmer, eine
Aktiengesellschaft.

Die Hauptbeispiele sind: die Eisenbahnpolizeibeamten im Dienste
der Privateisenbahngesellschaften, das Privatforst- und -jagdschutz-
personal, die Stellvertreter von Gutsbesitzern im Amte des Guts-
vorstehers. Überall besteht hier ein Dienstvertrag, begründet in den
gewöhnlichen Formen des Civilrechts, mit den gewöhnlichen Rechten
und Pflichten eines solchen zwischen den Parteien und mit Endigungs-
arten, die dem entsprechen. Und doch sind alle diese Leute als
öffentliche Beamte anerkannt und insbesondere die strafrechtlichen
Bestimmungen wegen Widerstands gegen öffentliche Beamte und wegen
Amtsvergehens auf sie anwendbar19.

S. 687, I S. 445). Der bisherige Einjährig-Freiwillige, der in einen anderen
Bundesstaat verzieht, tritt nach dem Grundsatze der militärischen Freizügigkeit
in das Kontingent seines neuen Wohnsitzes über; die künftig fällig werdenden
Raten aktiven Dienstes hat er diesem zu leisten. Die etwa schon erworbene
Qualifikation nimmt er mit. Ganz anders der Reserveoffizier. Er bleibt auch im
Falle des Verziehens im Dienstverhältnisse desjenigen Bundesstaates, von dessen
Kontingentsherrn er zum Offizier ernannt worden ist; ein Übertritt könnte sich nur
vollziehen durch Entlassung und Neuernennung. Hätte er einfach noch die ge-
setzliche Dienstpflicht, so müßte jene Regel der militärischen Freizügigkeit auch
für ihn wirksam werden. Bloße „Modifikationen der Erfüllung“ könnten darin
nichts ändern. — Zuletzt: wie endigt die Dienstpflicht? Die aktive, wie wir ge-
sehen haben, nur durch Entlassung; die gesetzliche Reservepflicht dagegen behufs
Übertritts zur Landwehr von selbst durch Zeitablauf. Das gilt auch dann, wenn
der Mann Unteroffiziersqualität erlangt hatte. Die Dienstpflicht des Reserve-
offiziers dagegen endigt immer nur durch Entlassung gemäß dem Grundsatze,
welchen A.L.R. II, 10 § 94 für alle Beamten aufgestellt hat. Bei vorzeitiger Ent-
lassung wäre, wie beim Berufsoffizier, ein Wiederaufleben der gesetzlichen Dienst-
pflicht denkbar (Heerordnung § 25).
19 Oppenhoff, Stf.G.B. zu § 359 n. 38, 39, 42; Olshausen, Stf.G.B. zu
§ 359 n. 15, a I u. III; v. Brauchitsch, Preuß. V.ges. I S. 70 Note 121,
S. 73 Note 131. Auch auf dem Gebiete des Postwesens kommen solche Erschei-
nungen vor; O.Tr. 3. Febr. 1862 (Str. 44 S. 188): „ein Postillon ist, soweit und
so lange er Postdienste verrichtet, öffentlicher Beamter. Diese relative Beamten-
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[215/0227] § 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt. III. In Anschluß an die Lehre vom Ehrenamte behandeln wir hier noch einen besonderen Fall der öffentlichen Dienstpflicht, der in seiner juristischen Eigenart nur so verständlich wird. Es giebt öffentliche Beamte, welche ihr Amt ausüben mit civil- rechtlicher Dienstpflicht und auf Grund eines civilrechtlichen Dienstvertrags. Noch mehr: dieser Vertrag besteht nicht zwischen diesen Be- amten und dem Staate oder einer gleichartigen juristischen Person des öffentlichen Rechts, sondern Dienstherr ist ein einfacher anderer Unterthan, ein Grundeigentümer, ein Gewerbsunternehmer, eine Aktiengesellschaft. Die Hauptbeispiele sind: die Eisenbahnpolizeibeamten im Dienste der Privateisenbahngesellschaften, das Privatforst- und -jagdschutz- personal, die Stellvertreter von Gutsbesitzern im Amte des Guts- vorstehers. Überall besteht hier ein Dienstvertrag, begründet in den gewöhnlichen Formen des Civilrechts, mit den gewöhnlichen Rechten und Pflichten eines solchen zwischen den Parteien und mit Endigungs- arten, die dem entsprechen. Und doch sind alle diese Leute als öffentliche Beamte anerkannt und insbesondere die strafrechtlichen Bestimmungen wegen Widerstands gegen öffentliche Beamte und wegen Amtsvergehens auf sie anwendbar 19. 18 19 Oppenhoff, Stf.G.B. zu § 359 n. 38, 39, 42; Olshausen, Stf.G.B. zu § 359 n. 15, a I u. III; v. Brauchitsch, Preuß. V.ges. I S. 70 Note 121, S. 73 Note 131. Auch auf dem Gebiete des Postwesens kommen solche Erschei- nungen vor; O.Tr. 3. Febr. 1862 (Str. 44 S. 188): „ein Postillon ist, soweit und so lange er Postdienste verrichtet, öffentlicher Beamter. Diese relative Beamten- 18 S. 687, I S. 445). Der bisherige Einjährig-Freiwillige, der in einen anderen Bundesstaat verzieht, tritt nach dem Grundsatze der militärischen Freizügigkeit in das Kontingent seines neuen Wohnsitzes über; die künftig fällig werdenden Raten aktiven Dienstes hat er diesem zu leisten. Die etwa schon erworbene Qualifikation nimmt er mit. Ganz anders der Reserveoffizier. Er bleibt auch im Falle des Verziehens im Dienstverhältnisse desjenigen Bundesstaates, von dessen Kontingentsherrn er zum Offizier ernannt worden ist; ein Übertritt könnte sich nur vollziehen durch Entlassung und Neuernennung. Hätte er einfach noch die ge- setzliche Dienstpflicht, so müßte jene Regel der militärischen Freizügigkeit auch für ihn wirksam werden. Bloße „Modifikationen der Erfüllung“ könnten darin nichts ändern. — Zuletzt: wie endigt die Dienstpflicht? Die aktive, wie wir ge- sehen haben, nur durch Entlassung; die gesetzliche Reservepflicht dagegen behufs Übertritts zur Landwehr von selbst durch Zeitablauf. Das gilt auch dann, wenn der Mann Unteroffiziersqualität erlangt hatte. Die Dienstpflicht des Reserve- offiziers dagegen endigt immer nur durch Entlassung gemäß dem Grundsatze, welchen A.L.R. II, 10 § 94 für alle Beamten aufgestellt hat. Bei vorzeitiger Ent- lassung wäre, wie beim Berufsoffizier, ein Wiederaufleben der gesetzlichen Dienst- pflicht denkbar (Heerordnung § 25).

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/227>, abgerufen am 18.04.2024.