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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.

Der Unterschied, ob eine Pflicht zur Annahme besteht oder nicht,
wird aber von Bedeutung für das Verfahren, das bei der Er-
nennung zu beobachten ist.

Letzterenfalls wird die Ernennung niemals aufs Geratewohl er-
folgen; wenn man der Sache nicht ohnehin sicher ist, gehen immer
Erhebungen voraus, ob der ins Auge Gefaßte auch willens ist, an-
zunehmen11. Die Ernennung erfolgt alsdann in der Voraussetzung
der vorhandenen Einwilligung, also in der Meinung, sofort wirksam
und endgültig zu sein, unbedingt.

Wo dagegen eine Rechtspflicht zur Annahme aufgestellt ist, er-
geht die Ernennung ohne weiteres, in der Erwartung, daß der also
Angeforderte durch eine Annahmeerklärung seine Pflicht erfüllen und
den auf die Weigerung gesetzten Nachteilen werde entgehen wollen.
Sie enthält selbst schon stillschweigend die Androhung dieser Nach-
teile und übt so durch ihre bloße Erscheinung einen in der Regel aus-
reichenden Druck. Eben deshalb erfolgt sie nicht unter Feststellung,
daß dieser Voraussetzung ihre Gültigkeit bereits gegeben sei, und
unbedingte Wirksamkeit beanspruchend: die Annahmeerklärung
ist noch als Bedingung ihrer Wirksamkeit gesetzt
. So
lange diese Bedingung nicht erfüllt ist, wird der Ernannte von dem
Akte nicht erfaßt. Die Ernennung kann nach gesetzlicher Bestimmung
im Falle der Ablehnung sofort hinfällig werden; oder es mag bestimmt
sein, daß sie hinfällig wird, wenn die Annahmeerklärung nicht in ge-
wisser Frist erfolgt. Wo nichts dergleichen bestimmt ist, bleibt
sie bestehen, wie eine Offerte, bis zur Zurücknahme, die in Gestalt
der Ernennung eines andern erfolgen mag. Jedenfalls ist durch diese
Ernennung der Betroffene niemals mit der Dienstpflicht belastet
worden12. Im ersteren Falle ist er es; der Verwaltungsakt der im
allgemeinen zuständigen Behörde, der ohne Vorbehalt wirken will, be-

Annahmezwang einfach unter den Zwangsdienstpflichten aufgezählt: Gareis,
Allg. St.R. S. 148; v. Sarwey, Württ. St.R. I S. 230; G. Meyer, St.R. S. 705.
Dadurch verwischt sich nicht nur die juristische Eigenart unseres Rechtsinstitutes
jenem anderen gegenüber, sondern es wird auch in sich selbst auseinandergerissen:
die Ehrenämter ohne Annahmezwang wissen dann gar nicht mehr, wohin sie ge-
hören, und sind doch wesentlich von gleicher Natur; der Annahmezwang ist für
das Ehrenamt eine ganz unerhebliche Zuthat.
11 So bei der Ernennung zum Handelsrichter. Bei der Ernennung zum
Reserveoffizier wird sogar eine schriftliche Einwilligung vorausgesetzt: Heerord-
nung § 13 n. 3.
12 Die entscheidende Willenserklärung über Annahme oder Ablehnung kann
also hier immer erst nach Kundgabe der Ernennung geschehen. v. Brauchitsch,
Preuß. V.ges. I S. 25 n. 22; O.V.G. 9. Juni 1885 (Samml. XII S. 6).
14*
§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.

Der Unterschied, ob eine Pflicht zur Annahme besteht oder nicht,
wird aber von Bedeutung für das Verfahren, das bei der Er-
nennung zu beobachten ist.

Letzterenfalls wird die Ernennung niemals aufs Geratewohl er-
folgen; wenn man der Sache nicht ohnehin sicher ist, gehen immer
Erhebungen voraus, ob der ins Auge Gefaßte auch willens ist, an-
zunehmen11. Die Ernennung erfolgt alsdann in der Voraussetzung
der vorhandenen Einwilligung, also in der Meinung, sofort wirksam
und endgültig zu sein, unbedingt.

Wo dagegen eine Rechtspflicht zur Annahme aufgestellt ist, er-
geht die Ernennung ohne weiteres, in der Erwartung, daß der also
Angeforderte durch eine Annahmeerklärung seine Pflicht erfüllen und
den auf die Weigerung gesetzten Nachteilen werde entgehen wollen.
Sie enthält selbst schon stillschweigend die Androhung dieser Nach-
teile und übt so durch ihre bloße Erscheinung einen in der Regel aus-
reichenden Druck. Eben deshalb erfolgt sie nicht unter Feststellung,
daß dieser Voraussetzung ihre Gültigkeit bereits gegeben sei, und
unbedingte Wirksamkeit beanspruchend: die Annahmeerklärung
ist noch als Bedingung ihrer Wirksamkeit gesetzt
. So
lange diese Bedingung nicht erfüllt ist, wird der Ernannte von dem
Akte nicht erfaßt. Die Ernennung kann nach gesetzlicher Bestimmung
im Falle der Ablehnung sofort hinfällig werden; oder es mag bestimmt
sein, daß sie hinfällig wird, wenn die Annahmeerklärung nicht in ge-
wisser Frist erfolgt. Wo nichts dergleichen bestimmt ist, bleibt
sie bestehen, wie eine Offerte, bis zur Zurücknahme, die in Gestalt
der Ernennung eines andern erfolgen mag. Jedenfalls ist durch diese
Ernennung der Betroffene niemals mit der Dienstpflicht belastet
worden12. Im ersteren Falle ist er es; der Verwaltungsakt der im
allgemeinen zuständigen Behörde, der ohne Vorbehalt wirken will, be-

Annahmezwang einfach unter den Zwangsdienstpflichten aufgezählt: Gareis,
Allg. St.R. S. 148; v. Sarwey, Württ. St.R. I S. 230; G. Meyer, St.R. S. 705.
Dadurch verwischt sich nicht nur die juristische Eigenart unseres Rechtsinstitutes
jenem anderen gegenüber, sondern es wird auch in sich selbst auseinandergerissen:
die Ehrenämter ohne Annahmezwang wissen dann gar nicht mehr, wohin sie ge-
hören, und sind doch wesentlich von gleicher Natur; der Annahmezwang ist für
das Ehrenamt eine ganz unerhebliche Zuthat.
11 So bei der Ernennung zum Handelsrichter. Bei der Ernennung zum
Reserveoffizier wird sogar eine schriftliche Einwilligung vorausgesetzt: Heerord-
nung § 13 n. 3.
12 Die entscheidende Willenserklärung über Annahme oder Ablehnung kann
also hier immer erst nach Kundgabe der Ernennung geschehen. v. Brauchitsch,
Preuß. V.ges. I S. 25 n. 22; O.V.G. 9. Juni 1885 (Samml. XII S. 6).
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[211/0223] § 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt. Der Unterschied, ob eine Pflicht zur Annahme besteht oder nicht, wird aber von Bedeutung für das Verfahren, das bei der Er- nennung zu beobachten ist. Letzterenfalls wird die Ernennung niemals aufs Geratewohl er- folgen; wenn man der Sache nicht ohnehin sicher ist, gehen immer Erhebungen voraus, ob der ins Auge Gefaßte auch willens ist, an- zunehmen 11. Die Ernennung erfolgt alsdann in der Voraussetzung der vorhandenen Einwilligung, also in der Meinung, sofort wirksam und endgültig zu sein, unbedingt. Wo dagegen eine Rechtspflicht zur Annahme aufgestellt ist, er- geht die Ernennung ohne weiteres, in der Erwartung, daß der also Angeforderte durch eine Annahmeerklärung seine Pflicht erfüllen und den auf die Weigerung gesetzten Nachteilen werde entgehen wollen. Sie enthält selbst schon stillschweigend die Androhung dieser Nach- teile und übt so durch ihre bloße Erscheinung einen in der Regel aus- reichenden Druck. Eben deshalb erfolgt sie nicht unter Feststellung, daß dieser Voraussetzung ihre Gültigkeit bereits gegeben sei, und unbedingte Wirksamkeit beanspruchend: die Annahmeerklärung ist noch als Bedingung ihrer Wirksamkeit gesetzt. So lange diese Bedingung nicht erfüllt ist, wird der Ernannte von dem Akte nicht erfaßt. Die Ernennung kann nach gesetzlicher Bestimmung im Falle der Ablehnung sofort hinfällig werden; oder es mag bestimmt sein, daß sie hinfällig wird, wenn die Annahmeerklärung nicht in ge- wisser Frist erfolgt. Wo nichts dergleichen bestimmt ist, bleibt sie bestehen, wie eine Offerte, bis zur Zurücknahme, die in Gestalt der Ernennung eines andern erfolgen mag. Jedenfalls ist durch diese Ernennung der Betroffene niemals mit der Dienstpflicht belastet worden 12. Im ersteren Falle ist er es; der Verwaltungsakt der im allgemeinen zuständigen Behörde, der ohne Vorbehalt wirken will, be- 10 11 So bei der Ernennung zum Handelsrichter. Bei der Ernennung zum Reserveoffizier wird sogar eine schriftliche Einwilligung vorausgesetzt: Heerord- nung § 13 n. 3. 12 Die entscheidende Willenserklärung über Annahme oder Ablehnung kann also hier immer erst nach Kundgabe der Ernennung geschehen. v. Brauchitsch, Preuß. V.ges. I S. 25 n. 22; O.V.G. 9. Juni 1885 (Samml. XII S. 6). 10 Annahmezwang einfach unter den Zwangsdienstpflichten aufgezählt: Gareis, Allg. St.R. S. 148; v. Sarwey, Württ. St.R. I S. 230; G. Meyer, St.R. S. 705. Dadurch verwischt sich nicht nur die juristische Eigenart unseres Rechtsinstitutes jenem anderen gegenüber, sondern es wird auch in sich selbst auseinandergerissen: die Ehrenämter ohne Annahmezwang wissen dann gar nicht mehr, wohin sie ge- hören, und sind doch wesentlich von gleicher Natur; der Annahmezwang ist für das Ehrenamt eine ganz unerhebliche Zuthat. 14*

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/223>, abgerufen am 25.04.2024.