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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
allgemeinem Grundsatze gemäß eine solche ersetzte. Allein einerseits
handelt es sich dabei durchweg um obrigkeitliche Ämter, deren Ordnung
das Gesetz thatsächlich für sich in Anspruch genommen hat wegen
der Wirkung nach außen (Bd. I S. 15). Andererseits scheint hier
die Anschauung sich geltend zu machen, daß der Staat die Dienste,
deren er bedarf, ordentlicherweise durch berufsmäßigen Staatsdienst
oder civilrechtlichen Dienstvertrag sich verschaffen soll; auch die Be-
nützung freiwillig zu übernehmender Ehrenamtsdienste gilt demnach
nur als zulässig, soweit das Gesetz sie erlaubt. Bei den unteren
Gemeinwesen dagegen kommen Ehrenämter auch ohne gesetzliche
Grundlage in großer Anzahl vor; für sie erscheint es verhältnis-
mäßig angemessener, den Gemeinsinn ihrer Angehörigen in Anspruch
zu nehmen. Die wichtigsten Anwendungsfälle bieten uns die Ehren-
ämter unserer neuen sogenannten Selbstverwaltungsordnungen,
sodann die Ämter der Handelsrichter und der Reserve-
offiziere
6.

Soweit das Gesetz diese Ehrenämter ordnet, bestimmt es ins-
besondere auch die Voraussetzungen der Fähigkeit dazu.
Außer der Staatsangehörigkeit pflegt noch die Zugehörigkeit zu dem
engeren Gemeinwesen oder Interessenkreise gefordert zu werden,
welchem die Thätigkeit des Beamten zu Gute kommen soll. Das Zu-
treffen dieser Voraussetzungen bei einer bestimmten Person ist be-
deutsam als Bedingung der Gültigkeit ihrer Berufung zum Amte und,
soweit Zwang zur Übernahme stattfindet, der Zulässigkeit dieses
Zwanges.

Für den dadurch abgegrenzten Kreis von Personen entsteht wieder
eine gemeinsame Eigenschaft der Verpflichtbarkeit. Aber diese
Verpflichtbarkeit ist hier wesentlich anderer Natur wie im vorigen
Falle, gemäß der ganz verschiedenen Art der Entstehung der Dienst-
pflicht selbst.

2. Die Dienstpflicht des Ehrenbeamten entsteht durch Über-
tragung des Amtes
. Diese geschieht in Form eines gewöhnlichen
Verwaltungsaktes des Fürsten oder einer Behörde. Diese Art der
Übertragung des Amtes heißt Ernennung7.

6 Daß wir die letzteren hier aufführen, soll noch ausführlich gerechtfertigt
werden; vgl. unten Note 18. Das Reichsrecht hat uns noch zahlreiche Ehren-
ämter geliefert in der Arbeiterversicherungsgesetzgebung. Sie sind wesentlich den
sogenannten Selbstverwaltungsämtern nachgebildet. Über diese Ämter Rosin,
R. der Arbeiterversicherung III S. 646, 696.
7 Die Stelle der Ernennung vertritt unter Umständen die Wahl; vgl. unten
§ 58, II n. 1.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 14

§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
allgemeinem Grundsatze gemäß eine solche ersetzte. Allein einerseits
handelt es sich dabei durchweg um obrigkeitliche Ämter, deren Ordnung
das Gesetz thatsächlich für sich in Anspruch genommen hat wegen
der Wirkung nach außen (Bd. I S. 15). Andererseits scheint hier
die Anschauung sich geltend zu machen, daß der Staat die Dienste,
deren er bedarf, ordentlicherweise durch berufsmäßigen Staatsdienst
oder civilrechtlichen Dienstvertrag sich verschaffen soll; auch die Be-
nützung freiwillig zu übernehmender Ehrenamtsdienste gilt demnach
nur als zulässig, soweit das Gesetz sie erlaubt. Bei den unteren
Gemeinwesen dagegen kommen Ehrenämter auch ohne gesetzliche
Grundlage in großer Anzahl vor; für sie erscheint es verhältnis-
mäßig angemessener, den Gemeinsinn ihrer Angehörigen in Anspruch
zu nehmen. Die wichtigsten Anwendungsfälle bieten uns die Ehren-
ämter unserer neuen sogenannten Selbstverwaltungsordnungen,
sodann die Ämter der Handelsrichter und der Reserve-
offiziere
6.

Soweit das Gesetz diese Ehrenämter ordnet, bestimmt es ins-
besondere auch die Voraussetzungen der Fähigkeit dazu.
Außer der Staatsangehörigkeit pflegt noch die Zugehörigkeit zu dem
engeren Gemeinwesen oder Interessenkreise gefordert zu werden,
welchem die Thätigkeit des Beamten zu Gute kommen soll. Das Zu-
treffen dieser Voraussetzungen bei einer bestimmten Person ist be-
deutsam als Bedingung der Gültigkeit ihrer Berufung zum Amte und,
soweit Zwang zur Übernahme stattfindet, der Zulässigkeit dieses
Zwanges.

Für den dadurch abgegrenzten Kreis von Personen entsteht wieder
eine gemeinsame Eigenschaft der Verpflichtbarkeit. Aber diese
Verpflichtbarkeit ist hier wesentlich anderer Natur wie im vorigen
Falle, gemäß der ganz verschiedenen Art der Entstehung der Dienst-
pflicht selbst.

2. Die Dienstpflicht des Ehrenbeamten entsteht durch Über-
tragung des Amtes
. Diese geschieht in Form eines gewöhnlichen
Verwaltungsaktes des Fürsten oder einer Behörde. Diese Art der
Übertragung des Amtes heißt Ernennung7.

6 Daß wir die letzteren hier aufführen, soll noch ausführlich gerechtfertigt
werden; vgl. unten Note 18. Das Reichsrecht hat uns noch zahlreiche Ehren-
ämter geliefert in der Arbeiterversicherungsgesetzgebung. Sie sind wesentlich den
sogenannten Selbstverwaltungsämtern nachgebildet. Über diese Ämter Rosin,
R. der Arbeiterversicherung III S. 646, 696.
7 Die Stelle der Ernennung vertritt unter Umständen die Wahl; vgl. unten
§ 58, II n. 1.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 14
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[209/0221] § 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt. allgemeinem Grundsatze gemäß eine solche ersetzte. Allein einerseits handelt es sich dabei durchweg um obrigkeitliche Ämter, deren Ordnung das Gesetz thatsächlich für sich in Anspruch genommen hat wegen der Wirkung nach außen (Bd. I S. 15). Andererseits scheint hier die Anschauung sich geltend zu machen, daß der Staat die Dienste, deren er bedarf, ordentlicherweise durch berufsmäßigen Staatsdienst oder civilrechtlichen Dienstvertrag sich verschaffen soll; auch die Be- nützung freiwillig zu übernehmender Ehrenamtsdienste gilt demnach nur als zulässig, soweit das Gesetz sie erlaubt. Bei den unteren Gemeinwesen dagegen kommen Ehrenämter auch ohne gesetzliche Grundlage in großer Anzahl vor; für sie erscheint es verhältnis- mäßig angemessener, den Gemeinsinn ihrer Angehörigen in Anspruch zu nehmen. Die wichtigsten Anwendungsfälle bieten uns die Ehren- ämter unserer neuen sogenannten Selbstverwaltungsordnungen, sodann die Ämter der Handelsrichter und der Reserve- offiziere 6. Soweit das Gesetz diese Ehrenämter ordnet, bestimmt es ins- besondere auch die Voraussetzungen der Fähigkeit dazu. Außer der Staatsangehörigkeit pflegt noch die Zugehörigkeit zu dem engeren Gemeinwesen oder Interessenkreise gefordert zu werden, welchem die Thätigkeit des Beamten zu Gute kommen soll. Das Zu- treffen dieser Voraussetzungen bei einer bestimmten Person ist be- deutsam als Bedingung der Gültigkeit ihrer Berufung zum Amte und, soweit Zwang zur Übernahme stattfindet, der Zulässigkeit dieses Zwanges. Für den dadurch abgegrenzten Kreis von Personen entsteht wieder eine gemeinsame Eigenschaft der Verpflichtbarkeit. Aber diese Verpflichtbarkeit ist hier wesentlich anderer Natur wie im vorigen Falle, gemäß der ganz verschiedenen Art der Entstehung der Dienst- pflicht selbst. 2. Die Dienstpflicht des Ehrenbeamten entsteht durch Über- tragung des Amtes. Diese geschieht in Form eines gewöhnlichen Verwaltungsaktes des Fürsten oder einer Behörde. Diese Art der Übertragung des Amtes heißt Ernennung 7. 6 Daß wir die letzteren hier aufführen, soll noch ausführlich gerechtfertigt werden; vgl. unten Note 18. Das Reichsrecht hat uns noch zahlreiche Ehren- ämter geliefert in der Arbeiterversicherungsgesetzgebung. Sie sind wesentlich den sogenannten Selbstverwaltungsämtern nachgebildet. Über diese Ämter Rosin, R. der Arbeiterversicherung III S. 646, 696. 7 Die Stelle der Ernennung vertritt unter Umständen die Wahl; vgl. unten § 58, II n. 1. Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 14

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/221>, abgerufen am 29.03.2024.