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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
ist nicht gegeben, daß es nur durch Entlassungserklärung endigen
könne. Es wird in erster Linie auf die Art des Endigungsgrundes
ankommen. Wo der Behörde ein gewisser Spielraum zur Berück-
sichtigung besonderer Verhältnisse zusteht, ist selbstverständlich ein
förmlicher Ausspruch notwendig. Zeitablauf, Unwürdigkeitsgründe
und dergleichen unbedingt bestimmte Ursachen können auch un-
mittelbar wirken. Es hängt von Zweckmäßigkeitserwägungen des
Gesetzgebers ab, ob er der Ordnung halber eine Entlassung auch
hier vorschreiben will.

7. Ist die Dienstpflicht überhaupt erloschen, so kann möglicher-
weise der Zustand der besonderen Verpflichtbarkeit für den
bisherigen Dienstpflichtigen übrig bleiben, wie er bestand in Begründung
der Dienstpflicht. In der Regel wird diese Fähigkeit erschöpft sein;
oder es ist wenigstens für die nächste Zeit ein Anspruch auf Frei-
lassung von der aufzulegenden Dienstpflicht gegeben, ein Ab-
lehnungsrecht
. Dann endigt die Verpflichtbarkeit mit der Endigung
der Dienstpflicht und durch die Wirkung des gleichen Grundes. Ab-
gesehen von solcher Erschöpfung endigt die Verpflichtbarkeit in
selbständiger Weise aus den gewöhnlichen Gründen, Zeitablauf,
Unwürdigkeit, Wegfall besonderer Voraussetzungen u. s. w., diese
werden aber dann allesamt unmittelbar wirksam aus dem Gesetz,
das ja für die ganze Verpflichtbarkeit überhaupt allein maßgebend ist.

II. In unserer Verwaltungsorganisation, aber auch über sie hinaus
in Gerichtsverfassung und Heeresverfassung, sind zahlreiche Ämter
vorgesehen, welche von einzelnen Unterthanen übernommen werden
sollen zur Erfüllung einer Bürgerpflicht, einer rechtlich erzwingbaren
oder einer bloß moralischen, ohne Entgelt. Wir bezeichnen sie als
Ehrenämter. Ein Ehrenamt versieht auch der Geschworene und
Schöffe, so lange er seine Dienstpflicht ableistet (oben Note 2). Hier
sind im Gegensatz dazu nur die ständigen Ehrenämter verstanden,
die, den Berufsämtern gleich, den Einzelnen förmlich übertragen
werden. Wer ein solches Amt übernimmt, wird damit zugleich den
diesem Amte entsprechenden Pflichten unterworfen; es entsteht für
ihn eine öffentliche Dienstpflicht dem Gemeinwesen gegenüber, welchem
das Amt gehört, Staat, Kreis, Gemeinde. Diese Dienstpflicht ist in
Entstehung und Endigung sowohl von der Zwangsdienstpflicht als von
der des berufsmäßigen öffentlichen Dienstes verschieden.

1. Alle staatlichen Ämter dieser Art sind gesetzlich geordnet.
Eine gesetzliche Grundlage wegen Eingriffs in die Freiheit wäre hier
insofern nicht unbedingt erforderlich, als ja die freiwillige Übernahme

Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
ist nicht gegeben, daß es nur durch Entlassungserklärung endigen
könne. Es wird in erster Linie auf die Art des Endigungsgrundes
ankommen. Wo der Behörde ein gewisser Spielraum zur Berück-
sichtigung besonderer Verhältnisse zusteht, ist selbstverständlich ein
förmlicher Ausspruch notwendig. Zeitablauf, Unwürdigkeitsgründe
und dergleichen unbedingt bestimmte Ursachen können auch un-
mittelbar wirken. Es hängt von Zweckmäßigkeitserwägungen des
Gesetzgebers ab, ob er der Ordnung halber eine Entlassung auch
hier vorschreiben will.

7. Ist die Dienstpflicht überhaupt erloschen, so kann möglicher-
weise der Zustand der besonderen Verpflichtbarkeit für den
bisherigen Dienstpflichtigen übrig bleiben, wie er bestand in Begründung
der Dienstpflicht. In der Regel wird diese Fähigkeit erschöpft sein;
oder es ist wenigstens für die nächste Zeit ein Anspruch auf Frei-
lassung von der aufzulegenden Dienstpflicht gegeben, ein Ab-
lehnungsrecht
. Dann endigt die Verpflichtbarkeit mit der Endigung
der Dienstpflicht und durch die Wirkung des gleichen Grundes. Ab-
gesehen von solcher Erschöpfung endigt die Verpflichtbarkeit in
selbständiger Weise aus den gewöhnlichen Gründen, Zeitablauf,
Unwürdigkeit, Wegfall besonderer Voraussetzungen u. s. w., diese
werden aber dann allesamt unmittelbar wirksam aus dem Gesetz,
das ja für die ganze Verpflichtbarkeit überhaupt allein maßgebend ist.

II. In unserer Verwaltungsorganisation, aber auch über sie hinaus
in Gerichtsverfassung und Heeresverfassung, sind zahlreiche Ämter
vorgesehen, welche von einzelnen Unterthanen übernommen werden
sollen zur Erfüllung einer Bürgerpflicht, einer rechtlich erzwingbaren
oder einer bloß moralischen, ohne Entgelt. Wir bezeichnen sie als
Ehrenämter. Ein Ehrenamt versieht auch der Geschworene und
Schöffe, so lange er seine Dienstpflicht ableistet (oben Note 2). Hier
sind im Gegensatz dazu nur die ständigen Ehrenämter verstanden,
die, den Berufsämtern gleich, den Einzelnen förmlich übertragen
werden. Wer ein solches Amt übernimmt, wird damit zugleich den
diesem Amte entsprechenden Pflichten unterworfen; es entsteht für
ihn eine öffentliche Dienstpflicht dem Gemeinwesen gegenüber, welchem
das Amt gehört, Staat, Kreis, Gemeinde. Diese Dienstpflicht ist in
Entstehung und Endigung sowohl von der Zwangsdienstpflicht als von
der des berufsmäßigen öffentlichen Dienstes verschieden.

1. Alle staatlichen Ämter dieser Art sind gesetzlich geordnet.
Eine gesetzliche Grundlage wegen Eingriffs in die Freiheit wäre hier
insofern nicht unbedingt erforderlich, als ja die freiwillige Übernahme

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[208/0220] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. ist nicht gegeben, daß es nur durch Entlassungserklärung endigen könne. Es wird in erster Linie auf die Art des Endigungsgrundes ankommen. Wo der Behörde ein gewisser Spielraum zur Berück- sichtigung besonderer Verhältnisse zusteht, ist selbstverständlich ein förmlicher Ausspruch notwendig. Zeitablauf, Unwürdigkeitsgründe und dergleichen unbedingt bestimmte Ursachen können auch un- mittelbar wirken. Es hängt von Zweckmäßigkeitserwägungen des Gesetzgebers ab, ob er der Ordnung halber eine Entlassung auch hier vorschreiben will. 7. Ist die Dienstpflicht überhaupt erloschen, so kann möglicher- weise der Zustand der besonderen Verpflichtbarkeit für den bisherigen Dienstpflichtigen übrig bleiben, wie er bestand in Begründung der Dienstpflicht. In der Regel wird diese Fähigkeit erschöpft sein; oder es ist wenigstens für die nächste Zeit ein Anspruch auf Frei- lassung von der aufzulegenden Dienstpflicht gegeben, ein Ab- lehnungsrecht. Dann endigt die Verpflichtbarkeit mit der Endigung der Dienstpflicht und durch die Wirkung des gleichen Grundes. Ab- gesehen von solcher Erschöpfung endigt die Verpflichtbarkeit in selbständiger Weise aus den gewöhnlichen Gründen, Zeitablauf, Unwürdigkeit, Wegfall besonderer Voraussetzungen u. s. w., diese werden aber dann allesamt unmittelbar wirksam aus dem Gesetz, das ja für die ganze Verpflichtbarkeit überhaupt allein maßgebend ist. II. In unserer Verwaltungsorganisation, aber auch über sie hinaus in Gerichtsverfassung und Heeresverfassung, sind zahlreiche Ämter vorgesehen, welche von einzelnen Unterthanen übernommen werden sollen zur Erfüllung einer Bürgerpflicht, einer rechtlich erzwingbaren oder einer bloß moralischen, ohne Entgelt. Wir bezeichnen sie als Ehrenämter. Ein Ehrenamt versieht auch der Geschworene und Schöffe, so lange er seine Dienstpflicht ableistet (oben Note 2). Hier sind im Gegensatz dazu nur die ständigen Ehrenämter verstanden, die, den Berufsämtern gleich, den Einzelnen förmlich übertragen werden. Wer ein solches Amt übernimmt, wird damit zugleich den diesem Amte entsprechenden Pflichten unterworfen; es entsteht für ihn eine öffentliche Dienstpflicht dem Gemeinwesen gegenüber, welchem das Amt gehört, Staat, Kreis, Gemeinde. Diese Dienstpflicht ist in Entstehung und Endigung sowohl von der Zwangsdienstpflicht als von der des berufsmäßigen öffentlichen Dienstes verschieden. 1. Alle staatlichen Ämter dieser Art sind gesetzlich geordnet. Eine gesetzliche Grundlage wegen Eingriffs in die Freiheit wäre hier insofern nicht unbedingt erforderlich, als ja die freiwillige Übernahme

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/220>, abgerufen am 28.03.2024.