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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 42. Natur und Arten der öffentlichen Dienstpflicht.
sorgt werden6. Keine anders zusammenhängende Macht zur
Führung solcher Geschäfte fällt unter diesen Begriff.

Der Staat, die Gemeinde können durch civilrechtlichen Dienst-
vertrag sich Kräfte dingen, um öffentliche Geschäfte durch sie be-
sorgen zu lassen: Straßenarbeiten auszuführen, Dienstgebäude in
Ordnung zu halten, Postwagen zu fahren. Alle diese Leute haben
kein öffentliches Amt7. Neben ihnen stehen andere, die möglicher-
weise ganz das Nämliche machen und damit ein Amt verwalten, die
Beamte sind. Der Unterschied liegt lediglich in der öffentlichen
Dienstpflicht, mit welcher die letzteren an ihre Geschäfte gebunden
sind kraft einer Anstellung im Staatsdienst.

Der Staat kann sich Arbeitsleistungen auch in öffentlich-
rechtlicher
Form verschaffen und sie zu bestimmten öffentlichen
Geschäften verwenden, welche er die Verpflichteten zu besorgen zwingt:
sofern die Pflicht, die er auflegt, nicht die besondere Gestalt der
öffentlichen Dienstpflicht hat, deshalb auch nicht die derselben eigen-

6 Laband, St.R. I S. 338 (3. Aufl. S. 322), setzt in seiner Begriffsbestim-
mung des öffentlichen Amtes an Stelle unserer Voraussetzung einer öffentlich-
rechtlichen Dienstpflicht die Forderung der Abgrenzung durch das öffentliche
Recht: "Ein Staatsamt ist ein durch das öffentliche Recht begrenzter Kreis von
staatlichen Geschäften"; ebenso S. 342: "ein Reichsamt ist ein durch Rechts-
vorschriften begrenzter Kreis von Geschäften des Reichs". Das ist natürlich nicht
so gemeint, daß das Amt im allgemeinen im Kreise der Rechtsordnung stehe,
sonst bedeutete es gar nichts. Auf das Amt selbst bezügliche Rechtsvorschriften
sollen ergehen, um den Kreis seiner Geschäfte abzugrenzen und es dadurch zu
schaffen. Das trifft aber thatsächlich bei vielen Ämtern nicht zu, kann also nicht
begriffswesentlich sein. Es giebt Ämter, die nur vorübergehend bestehen (Laband
a. a. O. I S. 409), z. B. eine außerordentliche diplomatische Mission; der Kreis der
Geschäfte wird hier lediglich durch den kaiserlichen Auftrag bestimmt und nicht
in Form einer Rechtsvorschrift. Aber auch ständige Ämter erhalten ihre Be-
grenzung mannigfach nicht durch solche öffentlichrechtliche Rechtssätze, überhaupt
nicht durch Rechtssätze. Um gewerbliche Unternehmungen zu betreiben, Museen
und Bibliotheken zu verwalten und die dazu nötigen Ämter zu bilden, braucht die
Regierung nur Geld, welches allerdings durch das Budgetgesetz ihr beschafft wird
-- aber das bedeutet doch auch nach Laband keine Abgrenzung durch öffentliches
Recht oder Rechtsvorschriften.
7 Es sind die "kontraktlichen Diener" der preußischen Rechtssprache; Ols-
hausen,
Stf.G.B. II S. 1290; R.G. 24. März 1882 (Samml. VI S. 107); 16. Juni
1882 (Samml. Stf.S. V S. 337); O.V.G. 26. Febr. 1885, 26. Okt. 1885. -- Loening,
V.R. S. 115, stellt auf, daß auch Leute mit privatrechtlichem Dienstvertrage Be-
amte sein können und verweist dafür auf Privatpostgehilfen und Privat-Forstschutz-
personal. Dagegen Laband, St.R. I S. 406 Anm. 2. Wir werden unten § 43, III
noch sehen, daß Loenings Satz richtig ist und unsere im Text gegebene Regel
gleichwohl dabei zur Geltung kommt.

§ 42. Natur und Arten der öffentlichen Dienstpflicht.
sorgt werden6. Keine anders zusammenhängende Macht zur
Führung solcher Geschäfte fällt unter diesen Begriff.

Der Staat, die Gemeinde können durch civilrechtlichen Dienst-
vertrag sich Kräfte dingen, um öffentliche Geschäfte durch sie be-
sorgen zu lassen: Straßenarbeiten auszuführen, Dienstgebäude in
Ordnung zu halten, Postwagen zu fahren. Alle diese Leute haben
kein öffentliches Amt7. Neben ihnen stehen andere, die möglicher-
weise ganz das Nämliche machen und damit ein Amt verwalten, die
Beamte sind. Der Unterschied liegt lediglich in der öffentlichen
Dienstpflicht, mit welcher die letzteren an ihre Geschäfte gebunden
sind kraft einer Anstellung im Staatsdienst.

Der Staat kann sich Arbeitsleistungen auch in öffentlich-
rechtlicher
Form verschaffen und sie zu bestimmten öffentlichen
Geschäften verwenden, welche er die Verpflichteten zu besorgen zwingt:
sofern die Pflicht, die er auflegt, nicht die besondere Gestalt der
öffentlichen Dienstpflicht hat, deshalb auch nicht die derselben eigen-

6 Laband, St.R. I S. 338 (3. Aufl. S. 322), setzt in seiner Begriffsbestim-
mung des öffentlichen Amtes an Stelle unserer Voraussetzung einer öffentlich-
rechtlichen Dienstpflicht die Forderung der Abgrenzung durch das öffentliche
Recht: „Ein Staatsamt ist ein durch das öffentliche Recht begrenzter Kreis von
staatlichen Geschäften“; ebenso S. 342: „ein Reichsamt ist ein durch Rechts-
vorschriften begrenzter Kreis von Geschäften des Reichs“. Das ist natürlich nicht
so gemeint, daß das Amt im allgemeinen im Kreise der Rechtsordnung stehe,
sonst bedeutete es gar nichts. Auf das Amt selbst bezügliche Rechtsvorschriften
sollen ergehen, um den Kreis seiner Geschäfte abzugrenzen und es dadurch zu
schaffen. Das trifft aber thatsächlich bei vielen Ämtern nicht zu, kann also nicht
begriffswesentlich sein. Es giebt Ämter, die nur vorübergehend bestehen (Laband
a. a. O. I S. 409), z. B. eine außerordentliche diplomatische Mission; der Kreis der
Geschäfte wird hier lediglich durch den kaiserlichen Auftrag bestimmt und nicht
in Form einer Rechtsvorschrift. Aber auch ständige Ämter erhalten ihre Be-
grenzung mannigfach nicht durch solche öffentlichrechtliche Rechtssätze, überhaupt
nicht durch Rechtssätze. Um gewerbliche Unternehmungen zu betreiben, Museen
und Bibliotheken zu verwalten und die dazu nötigen Ämter zu bilden, braucht die
Regierung nur Geld, welches allerdings durch das Budgetgesetz ihr beschafft wird
— aber das bedeutet doch auch nach Laband keine Abgrenzung durch öffentliches
Recht oder Rechtsvorschriften.
7 Es sind die „kontraktlichen Diener“ der preußischen Rechtssprache; Ols-
hausen,
Stf.G.B. II S. 1290; R.G. 24. März 1882 (Samml. VI S. 107); 16. Juni
1882 (Samml. Stf.S. V S. 337); O.V.G. 26. Febr. 1885, 26. Okt. 1885. — Loening,
V.R. S. 115, stellt auf, daß auch Leute mit privatrechtlichem Dienstvertrage Be-
amte sein können und verweist dafür auf Privatpostgehilfen und Privat-Forstschutz-
personal. Dagegen Laband, St.R. I S. 406 Anm. 2. Wir werden unten § 43, III
noch sehen, daß Loenings Satz richtig ist und unsere im Text gegebene Regel
gleichwohl dabei zur Geltung kommt.
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[199/0211] § 42. Natur und Arten der öffentlichen Dienstpflicht. sorgt werden 6. Keine anders zusammenhängende Macht zur Führung solcher Geschäfte fällt unter diesen Begriff. Der Staat, die Gemeinde können durch civilrechtlichen Dienst- vertrag sich Kräfte dingen, um öffentliche Geschäfte durch sie be- sorgen zu lassen: Straßenarbeiten auszuführen, Dienstgebäude in Ordnung zu halten, Postwagen zu fahren. Alle diese Leute haben kein öffentliches Amt 7. Neben ihnen stehen andere, die möglicher- weise ganz das Nämliche machen und damit ein Amt verwalten, die Beamte sind. Der Unterschied liegt lediglich in der öffentlichen Dienstpflicht, mit welcher die letzteren an ihre Geschäfte gebunden sind kraft einer Anstellung im Staatsdienst. Der Staat kann sich Arbeitsleistungen auch in öffentlich- rechtlicher Form verschaffen und sie zu bestimmten öffentlichen Geschäften verwenden, welche er die Verpflichteten zu besorgen zwingt: sofern die Pflicht, die er auflegt, nicht die besondere Gestalt der öffentlichen Dienstpflicht hat, deshalb auch nicht die derselben eigen- 6 Laband, St.R. I S. 338 (3. Aufl. S. 322), setzt in seiner Begriffsbestim- mung des öffentlichen Amtes an Stelle unserer Voraussetzung einer öffentlich- rechtlichen Dienstpflicht die Forderung der Abgrenzung durch das öffentliche Recht: „Ein Staatsamt ist ein durch das öffentliche Recht begrenzter Kreis von staatlichen Geschäften“; ebenso S. 342: „ein Reichsamt ist ein durch Rechts- vorschriften begrenzter Kreis von Geschäften des Reichs“. Das ist natürlich nicht so gemeint, daß das Amt im allgemeinen im Kreise der Rechtsordnung stehe, sonst bedeutete es gar nichts. Auf das Amt selbst bezügliche Rechtsvorschriften sollen ergehen, um den Kreis seiner Geschäfte abzugrenzen und es dadurch zu schaffen. Das trifft aber thatsächlich bei vielen Ämtern nicht zu, kann also nicht begriffswesentlich sein. Es giebt Ämter, die nur vorübergehend bestehen (Laband a. a. O. I S. 409), z. B. eine außerordentliche diplomatische Mission; der Kreis der Geschäfte wird hier lediglich durch den kaiserlichen Auftrag bestimmt und nicht in Form einer Rechtsvorschrift. Aber auch ständige Ämter erhalten ihre Be- grenzung mannigfach nicht durch solche öffentlichrechtliche Rechtssätze, überhaupt nicht durch Rechtssätze. Um gewerbliche Unternehmungen zu betreiben, Museen und Bibliotheken zu verwalten und die dazu nötigen Ämter zu bilden, braucht die Regierung nur Geld, welches allerdings durch das Budgetgesetz ihr beschafft wird — aber das bedeutet doch auch nach Laband keine Abgrenzung durch öffentliches Recht oder Rechtsvorschriften. 7 Es sind die „kontraktlichen Diener“ der preußischen Rechtssprache; Ols- hausen, Stf.G.B. II S. 1290; R.G. 24. März 1882 (Samml. VI S. 107); 16. Juni 1882 (Samml. Stf.S. V S. 337); O.V.G. 26. Febr. 1885, 26. Okt. 1885. — Loening, V.R. S. 115, stellt auf, daß auch Leute mit privatrechtlichem Dienstvertrage Be- amte sein können und verweist dafür auf Privatpostgehilfen und Privat-Forstschutz- personal. Dagegen Laband, St.R. I S. 406 Anm. 2. Wir werden unten § 43, III noch sehen, daß Loenings Satz richtig ist und unsere im Text gegebene Regel gleichwohl dabei zur Geltung kommt.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/211>, abgerufen am 25.04.2024.