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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
frage, in Wahrheit Hauptfrage. Eine Maßregel der Verwaltung soll
durch das Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit nachgeprüft, oder eine
neue Maßregel derselben erzwungen werden. Es ist der in Bd. I
S. 219 besprochene Fall. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit liegt
nicht vor. Die Zuständigkeit der Gerichte ist nicht selbstverständ-
lich. Das Gesetz kann sie auch hier zu einer solchen berufen;
aber thatsächlich pflegen derartige Bestimmungen nicht gegeben
zu sein17.

Es kommt also darauf an, inwieweit sonst hier die Gesetzgebung
Rechtsschutzmittel gewährt zur Anfechtung und Erwirkung von Ver-
waltungshandlungen, förmliche Beschwerde oder Verwaltungsklage;
thatsächlich ist auch das nicht der Brauch. Die Folge davon ist, daß
gegenüber der öffentlichen Verwaltung auch die Abwehr einer un-
berechtigten Geltendmachung öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschrän-
kung auf den Weg der Vorstellungen und einfachen Beschwerden
verwiesen ist.

2. Das wichtigste Recht des betroffenen Grundeigentümers und
zugleich ein wahres subjektives öffentliches Recht ist der Anspruch
auf Entschädigung. Dieser kann durch die Gesetzgebung für be-
sondere Arten öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschränkungen besonders
geregelt sein. Soweit nichts bestimmt ist, folgt er einfach den Regeln
des unter § 53 und 54 noch zu erörternden allgemeinen Rechts-
instituts18.

17 Eger, Ges. über die Enteignung I S. 84: "dem Gericht kann eine Ent-
scheidung darüber, ob eine Überschreitung vorliege, nicht zustehen, denn andern-
falls würde den Gerichten gewissermaßen die Befugnis von Interpretativ- oder
Kontroll-Organen der betreffenden administrativen Anordnungen zugewiesen sein,
wozu die Gerichte weder die Qualifikation noch -- nach der Absicht des Ge-
setzes -- die Kompetenz besitzen." Eger hat hier den Fall der Gestattung von
Vorarbeiten nach Preuß. Enteignungsges. § 5 im Auge. Diese "Anordnung" hat
nur die Bedeutung einer Anerkennung und Leitung des öffentlichen Unternehmens
(oben Note 9); die Sache steht, was die Zuständigkeitsfrage anlangt, gerade so,
wenn ohne alle Anordnung die thatsächliche Einwirkung des öffentlichen Unter-
nehmens auf das Grundstück stattfindet. Immer handelt es sich darum, daß das
Gericht der Verwaltung vorschreibe, was sie auf ihrem eignen, nicht dem Civil-
recht bereits unterworfenen Gebiete hätte thun sollen oder künftig thun solle, und
das ist eben keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit mehr.
18 So erklärt sich, was unter dem so häufig verwendeten Gesichtspunkte der
civilrechtlichen Schadensersatzpflicht quasi ex delicto nie erklärbar wird: daß die
Schädiger selbst, die Soldaten, Telegraphenarbeiter, Kriminalbeamten u. s. w. nicht
haften, sondern einzig das Gemeinwesen, dem das Unternehmen gehört, aus dem
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 13

§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
frage, in Wahrheit Hauptfrage. Eine Maßregel der Verwaltung soll
durch das Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit nachgeprüft, oder eine
neue Maßregel derselben erzwungen werden. Es ist der in Bd. I
S. 219 besprochene Fall. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit liegt
nicht vor. Die Zuständigkeit der Gerichte ist nicht selbstverständ-
lich. Das Gesetz kann sie auch hier zu einer solchen berufen;
aber thatsächlich pflegen derartige Bestimmungen nicht gegeben
zu sein17.

Es kommt also darauf an, inwieweit sonst hier die Gesetzgebung
Rechtsschutzmittel gewährt zur Anfechtung und Erwirkung von Ver-
waltungshandlungen, förmliche Beschwerde oder Verwaltungsklage;
thatsächlich ist auch das nicht der Brauch. Die Folge davon ist, daß
gegenüber der öffentlichen Verwaltung auch die Abwehr einer un-
berechtigten Geltendmachung öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschrän-
kung auf den Weg der Vorstellungen und einfachen Beschwerden
verwiesen ist.

2. Das wichtigste Recht des betroffenen Grundeigentümers und
zugleich ein wahres subjektives öffentliches Recht ist der Anspruch
auf Entschädigung. Dieser kann durch die Gesetzgebung für be-
sondere Arten öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschränkungen besonders
geregelt sein. Soweit nichts bestimmt ist, folgt er einfach den Regeln
des unter § 53 und 54 noch zu erörternden allgemeinen Rechts-
instituts18.

17 Eger, Ges. über die Enteignung I S. 84: „dem Gericht kann eine Ent-
scheidung darüber, ob eine Überschreitung vorliege, nicht zustehen, denn andern-
falls würde den Gerichten gewissermaßen die Befugnis von Interpretativ- oder
Kontroll-Organen der betreffenden administrativen Anordnungen zugewiesen sein,
wozu die Gerichte weder die Qualifikation noch — nach der Absicht des Ge-
setzes — die Kompetenz besitzen.“ Eger hat hier den Fall der Gestattung von
Vorarbeiten nach Preuß. Enteignungsges. § 5 im Auge. Diese „Anordnung“ hat
nur die Bedeutung einer Anerkennung und Leitung des öffentlichen Unternehmens
(oben Note 9); die Sache steht, was die Zuständigkeitsfrage anlangt, gerade so,
wenn ohne alle Anordnung die thatsächliche Einwirkung des öffentlichen Unter-
nehmens auf das Grundstück stattfindet. Immer handelt es sich darum, daß das
Gericht der Verwaltung vorschreibe, was sie auf ihrem eignen, nicht dem Civil-
recht bereits unterworfenen Gebiete hätte thun sollen oder künftig thun solle, und
das ist eben keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit mehr.
18 So erklärt sich, was unter dem so häufig verwendeten Gesichtspunkte der
civilrechtlichen Schadensersatzpflicht quasi ex delicto nie erklärbar wird: daß die
Schädiger selbst, die Soldaten, Telegraphenarbeiter, Kriminalbeamten u. s. w. nicht
haften, sondern einzig das Gemeinwesen, dem das Unternehmen gehört, aus dem
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 13
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[193/0205] § 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung. frage, in Wahrheit Hauptfrage. Eine Maßregel der Verwaltung soll durch das Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit nachgeprüft, oder eine neue Maßregel derselben erzwungen werden. Es ist der in Bd. I S. 219 besprochene Fall. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit liegt nicht vor. Die Zuständigkeit der Gerichte ist nicht selbstverständ- lich. Das Gesetz kann sie auch hier zu einer solchen berufen; aber thatsächlich pflegen derartige Bestimmungen nicht gegeben zu sein 17. Es kommt also darauf an, inwieweit sonst hier die Gesetzgebung Rechtsschutzmittel gewährt zur Anfechtung und Erwirkung von Ver- waltungshandlungen, förmliche Beschwerde oder Verwaltungsklage; thatsächlich ist auch das nicht der Brauch. Die Folge davon ist, daß gegenüber der öffentlichen Verwaltung auch die Abwehr einer un- berechtigten Geltendmachung öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschrän- kung auf den Weg der Vorstellungen und einfachen Beschwerden verwiesen ist. 2. Das wichtigste Recht des betroffenen Grundeigentümers und zugleich ein wahres subjektives öffentliches Recht ist der Anspruch auf Entschädigung. Dieser kann durch die Gesetzgebung für be- sondere Arten öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschränkungen besonders geregelt sein. Soweit nichts bestimmt ist, folgt er einfach den Regeln des unter § 53 und 54 noch zu erörternden allgemeinen Rechts- instituts 18. 17 Eger, Ges. über die Enteignung I S. 84: „dem Gericht kann eine Ent- scheidung darüber, ob eine Überschreitung vorliege, nicht zustehen, denn andern- falls würde den Gerichten gewissermaßen die Befugnis von Interpretativ- oder Kontroll-Organen der betreffenden administrativen Anordnungen zugewiesen sein, wozu die Gerichte weder die Qualifikation noch — nach der Absicht des Ge- setzes — die Kompetenz besitzen.“ Eger hat hier den Fall der Gestattung von Vorarbeiten nach Preuß. Enteignungsges. § 5 im Auge. Diese „Anordnung“ hat nur die Bedeutung einer Anerkennung und Leitung des öffentlichen Unternehmens (oben Note 9); die Sache steht, was die Zuständigkeitsfrage anlangt, gerade so, wenn ohne alle Anordnung die thatsächliche Einwirkung des öffentlichen Unter- nehmens auf das Grundstück stattfindet. Immer handelt es sich darum, daß das Gericht der Verwaltung vorschreibe, was sie auf ihrem eignen, nicht dem Civil- recht bereits unterworfenen Gebiete hätte thun sollen oder künftig thun solle, und das ist eben keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit mehr. 18 So erklärt sich, was unter dem so häufig verwendeten Gesichtspunkte der civilrechtlichen Schadensersatzpflicht quasi ex delicto nie erklärbar wird: daß die Schädiger selbst, die Soldaten, Telegraphenarbeiter, Kriminalbeamten u. s. w. nicht haften, sondern einzig das Gemeinwesen, dem das Unternehmen gehört, aus dem Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 13

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/205>, abgerufen am 19.04.2024.