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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
des Schießplatzes, das aufgestaute Wasser am Straßendamme, das
Sickerwasser des Kanals sind gleichwohl Einwirkungen aus der öffent-
lichen Verwaltung heraus, welche die öffentliche Eigentumsbeschränkung
wirksam werden lassen. Auch in einem bloßen Beharren und Nicht-
thun kann diese erscheinen: die irrtümliche Inbesitznahme eines
Grundstückes, um es zur Straße, zum Festungswerk zu verwenden,
macht nicht die öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung aus; zu
solchem Vorgehen giebt diese überhaupt keine Grundlage; erst in der
Verweigerung der Herausgabe nach festgestelltem Rechte des Dritten
kommt sie zur Geltung.

4. Die rechtliche Bedeutung der Eigentumsbeschränkung ist da-
durch noch nicht erschöpfend wiedergegeben, daß wir nur eine Klage
wegen verletzten Eigentums oder Sachbesitzes verweigern. Auch die
rechtmäßige Selbstverteidigung des angegriffenen Eigentums durch
thatsächliche Verhinderung der Störung ist dadurch ausgeschlossen.
In welchem Maße, dafür ergiebt sich das Genauere nur aus der
Grundidee, auf welcher die Eigentumsbeschränkung beruht: die freie
Bewegung der öffentlichen Verwaltung darf durch die Rücksicht auf
das dabei berührte fremde Eigentum nicht gehemmt werden. Der
Eigentümer kann also zum Schutze seines Eigentums keine Hand-
lungen vornehmen und Einrichtungen treffen, welche dem Zwecke der
Eigentumsbeschränkung zuwider diese Wirkung hätten. Die Hinder-
nisse, die er auf solche Weise bereiten möchte, werden mit unmittel-
barem Zwang durch das Personal des beteiligten Verwaltungszweiges
beiseite geschoben; Gewalt, die er dabei an Personen übt, ist straf-
bar, ebenso die Sachbeschädigung, die er durch Beseitigung der an
seinem Eigentum angebrachten Vorrichtungen begehen könnte. Wohl
aber sind zulässig alle Vorkehrungen, durch welche er sein Grund-
stück gegen den Eingriff schützen kann, ohne dadurch der Verwaltung
ein Hemmnis zu bereiten: er mag eine Mauer aufführen, um die
überfliegenden Kugeln abzuhalten, einen Graben ziehen, um das
Sickerwasser des Kanals wegzulenken. Es handelt sich für die Ver-
waltung nicht um ein Recht, auf sein Grundstück in der bestimmten
Weise einzuwirken, sondern, wie überall, nur darum, daß für sie aus
seinem Rechte am Grundstück und aus der Verteidigung desselben
kein Hemmnis ihrer eignen Thätigkeit erwachse, und das ist hier
nicht der Fall.

III. Der betroffene Grundeigentümer ist dieser Machtentwicklung
der öffentlichen Verwaltung gegenüber schlechthin der leidende Teil.
Rechte und Zuständigkeiten können nur in nebensächlicher Weise

§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
des Schießplatzes, das aufgestaute Wasser am Straßendamme, das
Sickerwasser des Kanals sind gleichwohl Einwirkungen aus der öffent-
lichen Verwaltung heraus, welche die öffentliche Eigentumsbeschränkung
wirksam werden lassen. Auch in einem bloßen Beharren und Nicht-
thun kann diese erscheinen: die irrtümliche Inbesitznahme eines
Grundstückes, um es zur Straße, zum Festungswerk zu verwenden,
macht nicht die öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung aus; zu
solchem Vorgehen giebt diese überhaupt keine Grundlage; erst in der
Verweigerung der Herausgabe nach festgestelltem Rechte des Dritten
kommt sie zur Geltung.

4. Die rechtliche Bedeutung der Eigentumsbeschränkung ist da-
durch noch nicht erschöpfend wiedergegeben, daß wir nur eine Klage
wegen verletzten Eigentums oder Sachbesitzes verweigern. Auch die
rechtmäßige Selbstverteidigung des angegriffenen Eigentums durch
thatsächliche Verhinderung der Störung ist dadurch ausgeschlossen.
In welchem Maße, dafür ergiebt sich das Genauere nur aus der
Grundidee, auf welcher die Eigentumsbeschränkung beruht: die freie
Bewegung der öffentlichen Verwaltung darf durch die Rücksicht auf
das dabei berührte fremde Eigentum nicht gehemmt werden. Der
Eigentümer kann also zum Schutze seines Eigentums keine Hand-
lungen vornehmen und Einrichtungen treffen, welche dem Zwecke der
Eigentumsbeschränkung zuwider diese Wirkung hätten. Die Hinder-
nisse, die er auf solche Weise bereiten möchte, werden mit unmittel-
barem Zwang durch das Personal des beteiligten Verwaltungszweiges
beiseite geschoben; Gewalt, die er dabei an Personen übt, ist straf-
bar, ebenso die Sachbeschädigung, die er durch Beseitigung der an
seinem Eigentum angebrachten Vorrichtungen begehen könnte. Wohl
aber sind zulässig alle Vorkehrungen, durch welche er sein Grund-
stück gegen den Eingriff schützen kann, ohne dadurch der Verwaltung
ein Hemmnis zu bereiten: er mag eine Mauer aufführen, um die
überfliegenden Kugeln abzuhalten, einen Graben ziehen, um das
Sickerwasser des Kanals wegzulenken. Es handelt sich für die Ver-
waltung nicht um ein Recht, auf sein Grundstück in der bestimmten
Weise einzuwirken, sondern, wie überall, nur darum, daß für sie aus
seinem Rechte am Grundstück und aus der Verteidigung desselben
kein Hemmnis ihrer eignen Thätigkeit erwachse, und das ist hier
nicht der Fall.

III. Der betroffene Grundeigentümer ist dieser Machtentwicklung
der öffentlichen Verwaltung gegenüber schlechthin der leidende Teil.
Rechte und Zuständigkeiten können nur in nebensächlicher Weise

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[191/0203] § 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung. des Schießplatzes, das aufgestaute Wasser am Straßendamme, das Sickerwasser des Kanals sind gleichwohl Einwirkungen aus der öffent- lichen Verwaltung heraus, welche die öffentliche Eigentumsbeschränkung wirksam werden lassen. Auch in einem bloßen Beharren und Nicht- thun kann diese erscheinen: die irrtümliche Inbesitznahme eines Grundstückes, um es zur Straße, zum Festungswerk zu verwenden, macht nicht die öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung aus; zu solchem Vorgehen giebt diese überhaupt keine Grundlage; erst in der Verweigerung der Herausgabe nach festgestelltem Rechte des Dritten kommt sie zur Geltung. 4. Die rechtliche Bedeutung der Eigentumsbeschränkung ist da- durch noch nicht erschöpfend wiedergegeben, daß wir nur eine Klage wegen verletzten Eigentums oder Sachbesitzes verweigern. Auch die rechtmäßige Selbstverteidigung des angegriffenen Eigentums durch thatsächliche Verhinderung der Störung ist dadurch ausgeschlossen. In welchem Maße, dafür ergiebt sich das Genauere nur aus der Grundidee, auf welcher die Eigentumsbeschränkung beruht: die freie Bewegung der öffentlichen Verwaltung darf durch die Rücksicht auf das dabei berührte fremde Eigentum nicht gehemmt werden. Der Eigentümer kann also zum Schutze seines Eigentums keine Hand- lungen vornehmen und Einrichtungen treffen, welche dem Zwecke der Eigentumsbeschränkung zuwider diese Wirkung hätten. Die Hinder- nisse, die er auf solche Weise bereiten möchte, werden mit unmittel- barem Zwang durch das Personal des beteiligten Verwaltungszweiges beiseite geschoben; Gewalt, die er dabei an Personen übt, ist straf- bar, ebenso die Sachbeschädigung, die er durch Beseitigung der an seinem Eigentum angebrachten Vorrichtungen begehen könnte. Wohl aber sind zulässig alle Vorkehrungen, durch welche er sein Grund- stück gegen den Eingriff schützen kann, ohne dadurch der Verwaltung ein Hemmnis zu bereiten: er mag eine Mauer aufführen, um die überfliegenden Kugeln abzuhalten, einen Graben ziehen, um das Sickerwasser des Kanals wegzulenken. Es handelt sich für die Ver- waltung nicht um ein Recht, auf sein Grundstück in der bestimmten Weise einzuwirken, sondern, wie überall, nur darum, daß für sie aus seinem Rechte am Grundstück und aus der Verteidigung desselben kein Hemmnis ihrer eignen Thätigkeit erwachse, und das ist hier nicht der Fall. III. Der betroffene Grundeigentümer ist dieser Machtentwicklung der öffentlichen Verwaltung gegenüber schlechthin der leidende Teil. Rechte und Zuständigkeiten können nur in nebensächlicher Weise

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/203>, abgerufen am 29.03.2024.