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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.

2. Das Eigentum ist jedoch deshalb keineswegs schutzlos gegen-
über jedem Eingriff, der namens des Staates oder eines gleichwertigen
Gemeinwesens vorgenommen werden könnte. Nach verschiedenen
Seiten hin sind dem Umfange der öffentlichrechtlichen Eigentums-
beschränkung Grenzen gesetzt.

Vor allem muß es sich handeln um eine Einrichtung, die von der
öffentlichen Verwaltung ausgeht. Nicht gedeckt durch unser Rechts-
institut sind Störungen, welche dem Eigentum verursacht werden
mögen von privatwirtschaftlichen Unternehmungen des
Fiskus (Bd. I § 11, III n. 1). Ebensowenig Eingriffe, welche etwa
ein Beamter unter Mißbrauch seiner Stellung in anderem Interesse,
insbesondere im eignen, nicht in gutgläubiger Führung der Geschäfte
der Verwaltung vornehmen könnte, wo er also, wie wir oben Bd. I
S. 228 sagten, aus dem Kreise des öffentlichen Unternehmens ganz
heraustritt.

Aber auch die öffentliche Verwaltung kann den Eigentümer und
sein Gut nur soweit in Anspruch nehmen, als ihre freie Bewegung
dadurch nicht gehemmt sein darf; nur soweit wirkt das maßgebende
Grundverhältnis von selbst als Beschränkung. Die öffentlichrechtliche
Eigentumsbeschränkung geht nie über die Forderung eines Duldens
hinaus. Alle Anforderungen an ein weiteres persönliches Verhalten
des Eigentümers, an sein Handeln und Leisten, bedürfen einer be-
sonderen Grundlage und fallen aus dem Bereiche unseres Rechts-
institutes heraus14.

Dazu kommen dann noch die bedeutsamen und leicht erkenn-
baren Schranken, welche das Eingreifen der Gesetzgebung an
so vielen Stellen der Geltendmachung des Übergewichts der öffent-
lichen Verwaltung gezogen hat. Überall, wo jene einen Eingriff aus-

14 Das Reichs-Rayonges. v. 21. Dez. 1871 giebt in § 43 dem Festungskomman-
danten im Armierungsfalle das Recht, von den Grundbesitzern im Rayon die Weg-
schaffung von Gebäuden, Pflanzungen, Vorräten zu verlangen; dieselben sind ver-
pflichtet, seiner Aufforderung nachzukommen und werden nötigenfalls "durch
administrative Zwangsmaßregeln dazu angehalten". Das ist keine öffentlichrecht-
liche Eigentumsbeschränkung, wie die in der Zulässigkeit von Zerstörungen
im Festungsvorlande sich offenbarenden; es handelt sich um eine persönliche Ver-
pflichtung, welche auferlegt wird nach dem Maßstabe des Besitzes, ähnlich dem
Polizeibefehl. Eben deshalb ist es auch keine Grunddienstbarkeit, ins-
besondere nicht eine Folge der Rayonservitut. Es ist vielmehr hier ein drittes
Rechtsinstitut mit der Rayoneinrichtung verbunden: eine Kriegsleistung ist in
Frage, welche unter den Begriff der unten § 47 zu erörternden öffentlichen Lasten
fällt. Damit hängt auch schon die Form zusammen, in der sie wirksam gemacht
wird: öffentlich bekannt gemachte Aufforderung genügt.
Das öffentliche Sachenrecht.

2. Das Eigentum ist jedoch deshalb keineswegs schutzlos gegen-
über jedem Eingriff, der namens des Staates oder eines gleichwertigen
Gemeinwesens vorgenommen werden könnte. Nach verschiedenen
Seiten hin sind dem Umfange der öffentlichrechtlichen Eigentums-
beschränkung Grenzen gesetzt.

Vor allem muß es sich handeln um eine Einrichtung, die von der
öffentlichen Verwaltung ausgeht. Nicht gedeckt durch unser Rechts-
institut sind Störungen, welche dem Eigentum verursacht werden
mögen von privatwirtschaftlichen Unternehmungen des
Fiskus (Bd. I § 11, III n. 1). Ebensowenig Eingriffe, welche etwa
ein Beamter unter Mißbrauch seiner Stellung in anderem Interesse,
insbesondere im eignen, nicht in gutgläubiger Führung der Geschäfte
der Verwaltung vornehmen könnte, wo er also, wie wir oben Bd. I
S. 228 sagten, aus dem Kreise des öffentlichen Unternehmens ganz
heraustritt.

Aber auch die öffentliche Verwaltung kann den Eigentümer und
sein Gut nur soweit in Anspruch nehmen, als ihre freie Bewegung
dadurch nicht gehemmt sein darf; nur soweit wirkt das maßgebende
Grundverhältnis von selbst als Beschränkung. Die öffentlichrechtliche
Eigentumsbeschränkung geht nie über die Forderung eines Duldens
hinaus. Alle Anforderungen an ein weiteres persönliches Verhalten
des Eigentümers, an sein Handeln und Leisten, bedürfen einer be-
sonderen Grundlage und fallen aus dem Bereiche unseres Rechts-
institutes heraus14.

Dazu kommen dann noch die bedeutsamen und leicht erkenn-
baren Schranken, welche das Eingreifen der Gesetzgebung an
so vielen Stellen der Geltendmachung des Übergewichts der öffent-
lichen Verwaltung gezogen hat. Überall, wo jene einen Eingriff aus-

14 Das Reichs-Rayonges. v. 21. Dez. 1871 giebt in § 43 dem Festungskomman-
danten im Armierungsfalle das Recht, von den Grundbesitzern im Rayon die Weg-
schaffung von Gebäuden, Pflanzungen, Vorräten zu verlangen; dieselben sind ver-
pflichtet, seiner Aufforderung nachzukommen und werden nötigenfalls „durch
administrative Zwangsmaßregeln dazu angehalten“. Das ist keine öffentlichrecht-
liche Eigentumsbeschränkung, wie die in der Zulässigkeit von Zerstörungen
im Festungsvorlande sich offenbarenden; es handelt sich um eine persönliche Ver-
pflichtung, welche auferlegt wird nach dem Maßstabe des Besitzes, ähnlich dem
Polizeibefehl. Eben deshalb ist es auch keine Grunddienstbarkeit, ins-
besondere nicht eine Folge der Rayonservitut. Es ist vielmehr hier ein drittes
Rechtsinstitut mit der Rayoneinrichtung verbunden: eine Kriegsleistung ist in
Frage, welche unter den Begriff der unten § 47 zu erörternden öffentlichen Lasten
fällt. Damit hängt auch schon die Form zusammen, in der sie wirksam gemacht
wird: öffentlich bekannt gemachte Aufforderung genügt.
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[188/0200] Das öffentliche Sachenrecht. 2. Das Eigentum ist jedoch deshalb keineswegs schutzlos gegen- über jedem Eingriff, der namens des Staates oder eines gleichwertigen Gemeinwesens vorgenommen werden könnte. Nach verschiedenen Seiten hin sind dem Umfange der öffentlichrechtlichen Eigentums- beschränkung Grenzen gesetzt. Vor allem muß es sich handeln um eine Einrichtung, die von der öffentlichen Verwaltung ausgeht. Nicht gedeckt durch unser Rechts- institut sind Störungen, welche dem Eigentum verursacht werden mögen von privatwirtschaftlichen Unternehmungen des Fiskus (Bd. I § 11, III n. 1). Ebensowenig Eingriffe, welche etwa ein Beamter unter Mißbrauch seiner Stellung in anderem Interesse, insbesondere im eignen, nicht in gutgläubiger Führung der Geschäfte der Verwaltung vornehmen könnte, wo er also, wie wir oben Bd. I S. 228 sagten, aus dem Kreise des öffentlichen Unternehmens ganz heraustritt. Aber auch die öffentliche Verwaltung kann den Eigentümer und sein Gut nur soweit in Anspruch nehmen, als ihre freie Bewegung dadurch nicht gehemmt sein darf; nur soweit wirkt das maßgebende Grundverhältnis von selbst als Beschränkung. Die öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung geht nie über die Forderung eines Duldens hinaus. Alle Anforderungen an ein weiteres persönliches Verhalten des Eigentümers, an sein Handeln und Leisten, bedürfen einer be- sonderen Grundlage und fallen aus dem Bereiche unseres Rechts- institutes heraus 14. Dazu kommen dann noch die bedeutsamen und leicht erkenn- baren Schranken, welche das Eingreifen der Gesetzgebung an so vielen Stellen der Geltendmachung des Übergewichts der öffent- lichen Verwaltung gezogen hat. Überall, wo jene einen Eingriff aus- 14 Das Reichs-Rayonges. v. 21. Dez. 1871 giebt in § 43 dem Festungskomman- danten im Armierungsfalle das Recht, von den Grundbesitzern im Rayon die Weg- schaffung von Gebäuden, Pflanzungen, Vorräten zu verlangen; dieselben sind ver- pflichtet, seiner Aufforderung nachzukommen und werden nötigenfalls „durch administrative Zwangsmaßregeln dazu angehalten“. Das ist keine öffentlichrecht- liche Eigentumsbeschränkung, wie die in der Zulässigkeit von Zerstörungen im Festungsvorlande sich offenbarenden; es handelt sich um eine persönliche Ver- pflichtung, welche auferlegt wird nach dem Maßstabe des Besitzes, ähnlich dem Polizeibefehl. Eben deshalb ist es auch keine Grunddienstbarkeit, ins- besondere nicht eine Folge der Rayonservitut. Es ist vielmehr hier ein drittes Rechtsinstitut mit der Rayoneinrichtung verbunden: eine Kriegsleistung ist in Frage, welche unter den Begriff der unten § 47 zu erörternden öffentlichen Lasten fällt. Damit hängt auch schon die Form zusammen, in der sie wirksam gemacht wird: öffentlich bekannt gemachte Aufforderung genügt.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/200>, abgerufen am 20.04.2024.