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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.

Der Gegensatz dieser beiden Arten wird bedeutsam in allen Einzel-
heiten der Entfaltung des Rechtsinstituts.

I. Die Entstehung der öffentlichen Grunddienstbarkeit voll-
zieht sich bei jeder der beiden Arten in der ihr entsprechenden be-
sonderen Form.

Für die Grunddienstbarkeit der öffentlichen Sache ist das Vorbild
des öffentlichen Eigentums maßgebend.

Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit ist demnach entstanden
in dem Augenblicke, in welchem die zwei Voraussetzungen
zusammentreffen:
Indienststellung der öffentlichen Sache und Be-
gründung des dinglichen Rechtes an derselben (oben § 36, I). Für
die Indienststellung oder Widmung gilt alles, was beim öffentlichen
Eigentum in dieser Beziehung zu sagen war. Ebenso für die Be-
gründung des dinglichen Rechts, nur mit dem Unterschiede, daß hier
Grunddienstbarkeit statt Eigentum der Gegenstand ist. Die Be-
gründung kann wie dort sowohl durch civilrechtlichen als durch öffent-
lichrechtlichen Titel geschehen. Wir finden öffentliche Wege auf
Privatgrundstücken kraft einer durch civilrechtlichen Vertrag ein-
geräumten Servitut. Noch häufiger ist es die civilrechtliche Ersitzung,
die hier angerufen wird. Andererseits kann die Servitut nach gesetz-
licher Bestimmung auch im Wege des Enteignungsverfahrens be-
gründet werden. Die dadurch hergestellte beschränkte rechtliche Macht
über die Sache ist, gerade wie das so erworbene Eigentum, an sich
geneigt, für alle weiteren Beziehungen, die sich von da aus anknüpfen,
nach Civilrecht beurteilt zu werden. Die Enteignung schafft also zu-
nächst wieder eine civilrechtliche Servitut und erst durch die Wid-
mung der Sache geht diese ins Öffentlichrechtliche über. In diesem
Punkt steht die Begründung durch Enteignung der durch Vertrag
oder Ersitzung ganz gleich. Überall sind die zwei Bestandteile, welche
zusammen unser Rechtsinstitut verwirklichen, selbständig, von einander
scheidbar, und sowie dabei die Rechtsbegründung erscheint ohne noch
von der Widmung begleitet zu sein, ist zunächst statt einer öffentlich-
rechtlichen eine civilrechtliche Grunddienstbarkeit gegeben6.

finden, indem diesen Baubeschränkungen die Bezeichnung gegeben wird als "eine
sog. auf polizeilichen Rücksichten beruhende Legalservitut". Das Polizeiliche
dient offenbar nur dazu, der Legalservitut ihre öffentlichrechtliche Natur zu geben;
die kann sie aber auch haben, ohne Polizei zu sein.
6 Dieses Verhältnis sucht man verschiedentlich zum Ausdruck zu bringen.
Luthardt in Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 372 stellt auf: "eine öffentliche Wegeservitut
ist eine privatrechtliche Servitut für einen öffentlichen Weg". Richtiger wäre zu
sagen: eine wie eine privatrechtliche begründete Servitut; denn dadurch, daß sie
§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.

Der Gegensatz dieser beiden Arten wird bedeutsam in allen Einzel-
heiten der Entfaltung des Rechtsinstituts.

I. Die Entstehung der öffentlichen Grunddienstbarkeit voll-
zieht sich bei jeder der beiden Arten in der ihr entsprechenden be-
sonderen Form.

Für die Grunddienstbarkeit der öffentlichen Sache ist das Vorbild
des öffentlichen Eigentums maßgebend.

Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit ist demnach entstanden
in dem Augenblicke, in welchem die zwei Voraussetzungen
zusammentreffen:
Indienststellung der öffentlichen Sache und Be-
gründung des dinglichen Rechtes an derselben (oben § 36, I). Für
die Indienststellung oder Widmung gilt alles, was beim öffentlichen
Eigentum in dieser Beziehung zu sagen war. Ebenso für die Be-
gründung des dinglichen Rechts, nur mit dem Unterschiede, daß hier
Grunddienstbarkeit statt Eigentum der Gegenstand ist. Die Be-
gründung kann wie dort sowohl durch civilrechtlichen als durch öffent-
lichrechtlichen Titel geschehen. Wir finden öffentliche Wege auf
Privatgrundstücken kraft einer durch civilrechtlichen Vertrag ein-
geräumten Servitut. Noch häufiger ist es die civilrechtliche Ersitzung,
die hier angerufen wird. Andererseits kann die Servitut nach gesetz-
licher Bestimmung auch im Wege des Enteignungsverfahrens be-
gründet werden. Die dadurch hergestellte beschränkte rechtliche Macht
über die Sache ist, gerade wie das so erworbene Eigentum, an sich
geneigt, für alle weiteren Beziehungen, die sich von da aus anknüpfen,
nach Civilrecht beurteilt zu werden. Die Enteignung schafft also zu-
nächst wieder eine civilrechtliche Servitut und erst durch die Wid-
mung der Sache geht diese ins Öffentlichrechtliche über. In diesem
Punkt steht die Begründung durch Enteignung der durch Vertrag
oder Ersitzung ganz gleich. Überall sind die zwei Bestandteile, welche
zusammen unser Rechtsinstitut verwirklichen, selbständig, von einander
scheidbar, und sowie dabei die Rechtsbegründung erscheint ohne noch
von der Widmung begleitet zu sein, ist zunächst statt einer öffentlich-
rechtlichen eine civilrechtliche Grunddienstbarkeit gegeben6.

finden, indem diesen Baubeschränkungen die Bezeichnung gegeben wird als „eine
sog. auf polizeilichen Rücksichten beruhende Legalservitut“. Das Polizeiliche
dient offenbar nur dazu, der Legalservitut ihre öffentlichrechtliche Natur zu geben;
die kann sie aber auch haben, ohne Polizei zu sein.
6 Dieses Verhältnis sucht man verschiedentlich zum Ausdruck zu bringen.
Luthardt in Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 372 stellt auf: „eine öffentliche Wegeservitut
ist eine privatrechtliche Servitut für einen öffentlichen Weg“. Richtiger wäre zu
sagen: eine wie eine privatrechtliche begründete Servitut; denn dadurch, daß sie
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[169/0181] § 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten. Der Gegensatz dieser beiden Arten wird bedeutsam in allen Einzel- heiten der Entfaltung des Rechtsinstituts. I. Die Entstehung der öffentlichen Grunddienstbarkeit voll- zieht sich bei jeder der beiden Arten in der ihr entsprechenden be- sonderen Form. Für die Grunddienstbarkeit der öffentlichen Sache ist das Vorbild des öffentlichen Eigentums maßgebend. Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit ist demnach entstanden in dem Augenblicke, in welchem die zwei Voraussetzungen zusammentreffen: Indienststellung der öffentlichen Sache und Be- gründung des dinglichen Rechtes an derselben (oben § 36, I). Für die Indienststellung oder Widmung gilt alles, was beim öffentlichen Eigentum in dieser Beziehung zu sagen war. Ebenso für die Be- gründung des dinglichen Rechts, nur mit dem Unterschiede, daß hier Grunddienstbarkeit statt Eigentum der Gegenstand ist. Die Be- gründung kann wie dort sowohl durch civilrechtlichen als durch öffent- lichrechtlichen Titel geschehen. Wir finden öffentliche Wege auf Privatgrundstücken kraft einer durch civilrechtlichen Vertrag ein- geräumten Servitut. Noch häufiger ist es die civilrechtliche Ersitzung, die hier angerufen wird. Andererseits kann die Servitut nach gesetz- licher Bestimmung auch im Wege des Enteignungsverfahrens be- gründet werden. Die dadurch hergestellte beschränkte rechtliche Macht über die Sache ist, gerade wie das so erworbene Eigentum, an sich geneigt, für alle weiteren Beziehungen, die sich von da aus anknüpfen, nach Civilrecht beurteilt zu werden. Die Enteignung schafft also zu- nächst wieder eine civilrechtliche Servitut und erst durch die Wid- mung der Sache geht diese ins Öffentlichrechtliche über. In diesem Punkt steht die Begründung durch Enteignung der durch Vertrag oder Ersitzung ganz gleich. Überall sind die zwei Bestandteile, welche zusammen unser Rechtsinstitut verwirklichen, selbständig, von einander scheidbar, und sowie dabei die Rechtsbegründung erscheint ohne noch von der Widmung begleitet zu sein, ist zunächst statt einer öffentlich- rechtlichen eine civilrechtliche Grunddienstbarkeit gegeben 6. 5 6 Dieses Verhältnis sucht man verschiedentlich zum Ausdruck zu bringen. Luthardt in Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 372 stellt auf: „eine öffentliche Wegeservitut ist eine privatrechtliche Servitut für einen öffentlichen Weg“. Richtiger wäre zu sagen: eine wie eine privatrechtliche begründete Servitut; denn dadurch, daß sie 5 finden, indem diesen Baubeschränkungen die Bezeichnung gegeben wird als „eine sog. auf polizeilichen Rücksichten beruhende Legalservitut“. Das Polizeiliche dient offenbar nur dazu, der Legalservitut ihre öffentlichrechtliche Natur zu geben; die kann sie aber auch haben, ohne Polizei zu sein.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/181>, abgerufen am 19.04.2024.