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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.
liegen, und Dienste leisten muß, die die Polizei nicht verlangen kann.
Die Last hat keine Grenze an der Forderung des bloßen Nichtstörens,
sondern hat sie nur an dem Bedürfnis des öffentlichen Unternehmens,
dem sie dient2.

Wenn wir aber nun die einzelnen Fälle von öffentlichrechtlicher
Grunddienstbarkeit betrachten, die diesem Begriffe entsprechen, so er-
geben sich sofort zwei deutlich unterschiedene Arten.

Die beschränkte rechtliche Herrschaft über die Sache für das
öffentliche Unternehmen kann nämlich ganz in derselben Weise ge-
staltet sein, wie beim öffentlichen Eigentum die umfassende recht-
liche Beherrschung: ein dingliches Recht, welches dem Subjekte der
Verwaltung an der Sache zusteht, dient dazu, die Sache unmittelbar
für den öffentlichen Zweck zu verwenden; die Sache wird dadurch
zu einer öffentlichen, das Recht selbst aber unterliegt der Beurteilung

2 Der Unterschied zwischen Polizeiverbot und öffentlicher Grunddienstbarkeit
wird insofern von Erheblichkeit, als eine Maßregel in den bekannten allgemeinen
Ermächtigungen begriffen ist, wenn sie als Polizeiverbot angesehen werden kann,
nicht dagegen, wenn sie die Auferlegung einer Grunddienstbarkeit vorstellt. Dar-
über Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 10 u. 11; O.L.G. München 19. Okt. 1886 (Reger VII
S. 266). Es handelte sich im letzterwähnten Erkenntnis um polizeiliche Ver-
ordnungen, welche befahlen, hart an der öffentlichen Straße nicht zu pflügen, den
Wald längs derselben auszuhauen, Kiesgruben nicht unmittelbar daran auszugraben.
Als Belastung mit einer Grunddienstbarkeit wären alle diese Anordnungen nach
Verf.U. IV § 8 und nach Expropr.Ges. v. 17. Nov. 1837 nicht zulässig. Es wird
aber angenommen, daß es sich nicht um eine Servitut, sondern um eine polizei-
liche Maßregel handle, die als solche dann gültig ist. Dabei legt das Gericht
allerdings zu viel Wert darauf, daß nur eine Unterlassung gefordert ist, nur ge-
wisse Schranken gesetzt sind für die freie Benützung. Das könnte ganz gut auch
bei einer wirklichen Servitut zutreffen; Beispiel: die Rayonservituten. Entscheidend
ist, daß hier immer nur die Abwehr eines möglichen Eingriffes in den guten
Stand der Straße bezweckt ist (durch Anpflügen, Beschatten, Angraben); das giebt
der Maßregel die polizeiliche Natur und den Gegensatz zur Dienstbarkeits-
auferlegung. Richtig heißt es in diesem Sinne in Bl. f. adm. Pr. a. a. O. S. 17
von solchen Anordnungen: es werde dadurch nur die "Polizeigewalt über das
Straßenwesen" gewahrt.
Noch in anderer Beziehung kann die Unterscheidung bedeutsam werden.
Verbote, welche nur darauf gerichtet sind, polizeiwidrige Störungen abzuwehren
und zu verhindern, die von dem Grundstücke ausgehen können, begründen selbst-
verständlich keinen Entschädigungsanspruch des Besitzers. Das Grundstück ist so
zu sagen selbst schuld. Dagegen ist die Inanspruchnahme eines Grundstücks mit
einer Dienstbarkeit zu Gunsten eines öffentlichen Unternehmens allerdings geeignet,
als ein besonderes Opfer angesehen zu werden, welches der Ausgleichung bedarf.
Die Frage ist namentlich bezüglich der Baulinie und der damit zusammenhängenden
Bauverbote erörtert worden. O.Tr. 23. April 1863 (Str. 51 S. 33); Bl. f. adm. Pr.
1870 S. 348. Vgl. auch unten Note 5 u. 14.

Das öffentliche Sachenrecht.
liegen, und Dienste leisten muß, die die Polizei nicht verlangen kann.
Die Last hat keine Grenze an der Forderung des bloßen Nichtstörens,
sondern hat sie nur an dem Bedürfnis des öffentlichen Unternehmens,
dem sie dient2.

Wenn wir aber nun die einzelnen Fälle von öffentlichrechtlicher
Grunddienstbarkeit betrachten, die diesem Begriffe entsprechen, so er-
geben sich sofort zwei deutlich unterschiedene Arten.

Die beschränkte rechtliche Herrschaft über die Sache für das
öffentliche Unternehmen kann nämlich ganz in derselben Weise ge-
staltet sein, wie beim öffentlichen Eigentum die umfassende recht-
liche Beherrschung: ein dingliches Recht, welches dem Subjekte der
Verwaltung an der Sache zusteht, dient dazu, die Sache unmittelbar
für den öffentlichen Zweck zu verwenden; die Sache wird dadurch
zu einer öffentlichen, das Recht selbst aber unterliegt der Beurteilung

2 Der Unterschied zwischen Polizeiverbot und öffentlicher Grunddienstbarkeit
wird insofern von Erheblichkeit, als eine Maßregel in den bekannten allgemeinen
Ermächtigungen begriffen ist, wenn sie als Polizeiverbot angesehen werden kann,
nicht dagegen, wenn sie die Auferlegung einer Grunddienstbarkeit vorstellt. Dar-
über Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 10 u. 11; O.L.G. München 19. Okt. 1886 (Reger VII
S. 266). Es handelte sich im letzterwähnten Erkenntnis um polizeiliche Ver-
ordnungen, welche befahlen, hart an der öffentlichen Straße nicht zu pflügen, den
Wald längs derselben auszuhauen, Kiesgruben nicht unmittelbar daran auszugraben.
Als Belastung mit einer Grunddienstbarkeit wären alle diese Anordnungen nach
Verf.U. IV § 8 und nach Expropr.Ges. v. 17. Nov. 1837 nicht zulässig. Es wird
aber angenommen, daß es sich nicht um eine Servitut, sondern um eine polizei-
liche Maßregel handle, die als solche dann gültig ist. Dabei legt das Gericht
allerdings zu viel Wert darauf, daß nur eine Unterlassung gefordert ist, nur ge-
wisse Schranken gesetzt sind für die freie Benützung. Das könnte ganz gut auch
bei einer wirklichen Servitut zutreffen; Beispiel: die Rayonservituten. Entscheidend
ist, daß hier immer nur die Abwehr eines möglichen Eingriffes in den guten
Stand der Straße bezweckt ist (durch Anpflügen, Beschatten, Angraben); das giebt
der Maßregel die polizeiliche Natur und den Gegensatz zur Dienstbarkeits-
auferlegung. Richtig heißt es in diesem Sinne in Bl. f. adm. Pr. a. a. O. S. 17
von solchen Anordnungen: es werde dadurch nur die „Polizeigewalt über das
Straßenwesen“ gewahrt.
Noch in anderer Beziehung kann die Unterscheidung bedeutsam werden.
Verbote, welche nur darauf gerichtet sind, polizeiwidrige Störungen abzuwehren
und zu verhindern, die von dem Grundstücke ausgehen können, begründen selbst-
verständlich keinen Entschädigungsanspruch des Besitzers. Das Grundstück ist so
zu sagen selbst schuld. Dagegen ist die Inanspruchnahme eines Grundstücks mit
einer Dienstbarkeit zu Gunsten eines öffentlichen Unternehmens allerdings geeignet,
als ein besonderes Opfer angesehen zu werden, welches der Ausgleichung bedarf.
Die Frage ist namentlich bezüglich der Baulinie und der damit zusammenhängenden
Bauverbote erörtert worden. O.Tr. 23. April 1863 (Str. 51 S. 33); Bl. f. adm. Pr.
1870 S. 348. Vgl. auch unten Note 5 u. 14.
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[166/0178] Das öffentliche Sachenrecht. liegen, und Dienste leisten muß, die die Polizei nicht verlangen kann. Die Last hat keine Grenze an der Forderung des bloßen Nichtstörens, sondern hat sie nur an dem Bedürfnis des öffentlichen Unternehmens, dem sie dient 2. Wenn wir aber nun die einzelnen Fälle von öffentlichrechtlicher Grunddienstbarkeit betrachten, die diesem Begriffe entsprechen, so er- geben sich sofort zwei deutlich unterschiedene Arten. Die beschränkte rechtliche Herrschaft über die Sache für das öffentliche Unternehmen kann nämlich ganz in derselben Weise ge- staltet sein, wie beim öffentlichen Eigentum die umfassende recht- liche Beherrschung: ein dingliches Recht, welches dem Subjekte der Verwaltung an der Sache zusteht, dient dazu, die Sache unmittelbar für den öffentlichen Zweck zu verwenden; die Sache wird dadurch zu einer öffentlichen, das Recht selbst aber unterliegt der Beurteilung 2 Der Unterschied zwischen Polizeiverbot und öffentlicher Grunddienstbarkeit wird insofern von Erheblichkeit, als eine Maßregel in den bekannten allgemeinen Ermächtigungen begriffen ist, wenn sie als Polizeiverbot angesehen werden kann, nicht dagegen, wenn sie die Auferlegung einer Grunddienstbarkeit vorstellt. Dar- über Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 10 u. 11; O.L.G. München 19. Okt. 1886 (Reger VII S. 266). Es handelte sich im letzterwähnten Erkenntnis um polizeiliche Ver- ordnungen, welche befahlen, hart an der öffentlichen Straße nicht zu pflügen, den Wald längs derselben auszuhauen, Kiesgruben nicht unmittelbar daran auszugraben. Als Belastung mit einer Grunddienstbarkeit wären alle diese Anordnungen nach Verf.U. IV § 8 und nach Expropr.Ges. v. 17. Nov. 1837 nicht zulässig. Es wird aber angenommen, daß es sich nicht um eine Servitut, sondern um eine polizei- liche Maßregel handle, die als solche dann gültig ist. Dabei legt das Gericht allerdings zu viel Wert darauf, daß nur eine Unterlassung gefordert ist, nur ge- wisse Schranken gesetzt sind für die freie Benützung. Das könnte ganz gut auch bei einer wirklichen Servitut zutreffen; Beispiel: die Rayonservituten. Entscheidend ist, daß hier immer nur die Abwehr eines möglichen Eingriffes in den guten Stand der Straße bezweckt ist (durch Anpflügen, Beschatten, Angraben); das giebt der Maßregel die polizeiliche Natur und den Gegensatz zur Dienstbarkeits- auferlegung. Richtig heißt es in diesem Sinne in Bl. f. adm. Pr. a. a. O. S. 17 von solchen Anordnungen: es werde dadurch nur die „Polizeigewalt über das Straßenwesen“ gewahrt. Noch in anderer Beziehung kann die Unterscheidung bedeutsam werden. Verbote, welche nur darauf gerichtet sind, polizeiwidrige Störungen abzuwehren und zu verhindern, die von dem Grundstücke ausgehen können, begründen selbst- verständlich keinen Entschädigungsanspruch des Besitzers. Das Grundstück ist so zu sagen selbst schuld. Dagegen ist die Inanspruchnahme eines Grundstücks mit einer Dienstbarkeit zu Gunsten eines öffentlichen Unternehmens allerdings geeignet, als ein besonderes Opfer angesehen zu werden, welches der Ausgleichung bedarf. Die Frage ist namentlich bezüglich der Baulinie und der damit zusammenhängenden Bauverbote erörtert worden. O.Tr. 23. April 1863 (Str. 51 S. 33); Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 348. Vgl. auch unten Note 5 u. 14.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/178>, abgerufen am 29.03.2024.