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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.
Rechts, wo es streitig geworden ist. Nach der Art des Streites werden
wir verschiedene Fälle unterscheiden9.

Besteht der Streit zwischen dem Berechtigten und der Verwaltung
selbst, die seine Ansprüche nicht anerkennt, so ist die Entscheidung
ordentlicher Weise innerhalb der Behördenordnung der Verwaltung
zu suchen: Gegenvorstellung, Beschwerde, Anfechtungsklage in ihren
verschiedenen Gestaltungen geben die Form (Bd. I § 12 ff.). Handelt
es sich zwischen beliehenen Nutzungsberechtigten um die Grenzen
ihrer beiderseitigen Rechte, so sind die Voraussetzungen einer sog.
Parteistreitigkeit des öffentlichen Rechtes gegeben (Bd. I S. 182)10.

Wenn dagegen die Zugehörigkeit eines und desselben Nutzungs-
rechts von verschiedenen in Anspruch genommen wird, so wird es in
erster Linie auf die Beurteilung civilrechtlicher Rechtsübergänge an-
kommen (oben n. 3) und die bürgerliche Rechtsstreitigkeit ist gegeben,
mögen auch öffentlichrechtliche Zwischenfragen dabei zu entscheiden

9 Den Anspruch auf Rechtsschutz weiß die übliche Auffassungsweise durch-
weg nur so zu erklären, daß sie das durch die Verleihung begründete
Recht irgendwie an das Civilrecht anlehnt. Der Ausdruck "Privatrecht, Privat-
eigentum" mit seiner bekannten Zweideutigkeit dient dazu, den Übergang zu ver-
schleiern. In diesem Sinne V.G.H. 1. März 1887 (Samml. VIII S. 217): Das
Wasserbenutzungsrecht, "obwohl es einem öffentlichrechtlichen Akte, nämlich der
Verleihung durch die Staatsgewalt seine Entstehung verdankt, nimmt die Natur
eines Privatrechtes an, indem es gesetzlich den nämlichen Schutz wie ein Privat-
recht gewährt". Als ob ein subjektives öffentliches Recht Dritten gegenüber nicht
ebensogut geschützt sein könnte, wie ein civilrechtliches! So auch O.Tr. 8. Juli
1869 (Str. 75, S. 250): "Ein solches Wasserrecht geht in das Privateigentum des
Berechtigten über und letzterer ist berechtigt, dieses sein Eigentum gegen jeder-
mann durch eine dingliche Klage zu schützen, sei es der Verleiher, der in das
Privateigentum eingreift, sei es ein Dritter". Hier soll das "Privateigentum", das
ja ohnehin nicht im strengen Sinn von Eigentum gemeint sein kann, denn die frag-
lichen Rechte sind inhaltlich ganz anderer Art, nur dazu dienen, die civilgericht-
liche Zuständigkeit zu begründen. Dazu ist aber ein civilrechtlicher Anspruch
gar nicht unerläßlich (Bd. I S. 213 ff.). Die Gleichstellung des Verhältnisses zu
dem Verleiher, zu dem Herrn der öffentlichen Sache, an der das Recht besteht,
und des Verhältnisses zu jedem Dritten ist jedenfalls ganz unrichtig.
10 Bei Wassernutzungsrechten an öffentlichen Flüssen erledigen sich der-
artige Streitigkeiten meist als Incidentpunkte im Verfahren wegen der neuen Ver-
leihung; vgl. oben Note 6. -- Für die Frage der Zuständigkeit bei Streitigkeiten
zwischen Besitzern von Kirchstühlen stellt O.V.G. 10. Dez. 1884 (Reger V, S. 388)
auf: Die Gottesdienste der öffentlichen Religionsgesellschaften sind Teile der
öffentlichen Ordnung; die Kirchstuhlordnung ist ein Teil der äußeren Ordnung des
Gottesdienstes, also untersteht sie polizeilichem Schutz und die allgemeine Ordnungs-
polizeibehörde ist im Streitfalle zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Ordnung
zwischen streitenden Besitzern berufen.

Das öffentliche Sachenrecht.
Rechts, wo es streitig geworden ist. Nach der Art des Streites werden
wir verschiedene Fälle unterscheiden9.

Besteht der Streit zwischen dem Berechtigten und der Verwaltung
selbst, die seine Ansprüche nicht anerkennt, so ist die Entscheidung
ordentlicher Weise innerhalb der Behördenordnung der Verwaltung
zu suchen: Gegenvorstellung, Beschwerde, Anfechtungsklage in ihren
verschiedenen Gestaltungen geben die Form (Bd. I § 12 ff.). Handelt
es sich zwischen beliehenen Nutzungsberechtigten um die Grenzen
ihrer beiderseitigen Rechte, so sind die Voraussetzungen einer sog.
Parteistreitigkeit des öffentlichen Rechtes gegeben (Bd. I S. 182)10.

Wenn dagegen die Zugehörigkeit eines und desselben Nutzungs-
rechts von verschiedenen in Anspruch genommen wird, so wird es in
erster Linie auf die Beurteilung civilrechtlicher Rechtsübergänge an-
kommen (oben n. 3) und die bürgerliche Rechtsstreitigkeit ist gegeben,
mögen auch öffentlichrechtliche Zwischenfragen dabei zu entscheiden

9 Den Anspruch auf Rechtsschutz weiß die übliche Auffassungsweise durch-
weg nur so zu erklären, daß sie das durch die Verleihung begründete
Recht irgendwie an das Civilrecht anlehnt. Der Ausdruck „Privatrecht, Privat-
eigentum“ mit seiner bekannten Zweideutigkeit dient dazu, den Übergang zu ver-
schleiern. In diesem Sinne V.G.H. 1. März 1887 (Samml. VIII S. 217): Das
Wasserbenutzungsrecht, „obwohl es einem öffentlichrechtlichen Akte, nämlich der
Verleihung durch die Staatsgewalt seine Entstehung verdankt, nimmt die Natur
eines Privatrechtes an, indem es gesetzlich den nämlichen Schutz wie ein Privat-
recht gewährt“. Als ob ein subjektives öffentliches Recht Dritten gegenüber nicht
ebensogut geschützt sein könnte, wie ein civilrechtliches! So auch O.Tr. 8. Juli
1869 (Str. 75, S. 250): „Ein solches Wasserrecht geht in das Privateigentum des
Berechtigten über und letzterer ist berechtigt, dieses sein Eigentum gegen jeder-
mann durch eine dingliche Klage zu schützen, sei es der Verleiher, der in das
Privateigentum eingreift, sei es ein Dritter“. Hier soll das „Privateigentum“, das
ja ohnehin nicht im strengen Sinn von Eigentum gemeint sein kann, denn die frag-
lichen Rechte sind inhaltlich ganz anderer Art, nur dazu dienen, die civilgericht-
liche Zuständigkeit zu begründen. Dazu ist aber ein civilrechtlicher Anspruch
gar nicht unerläßlich (Bd. I S. 213 ff.). Die Gleichstellung des Verhältnisses zu
dem Verleiher, zu dem Herrn der öffentlichen Sache, an der das Recht besteht,
und des Verhältnisses zu jedem Dritten ist jedenfalls ganz unrichtig.
10 Bei Wassernutzungsrechten an öffentlichen Flüssen erledigen sich der-
artige Streitigkeiten meist als Incidentpunkte im Verfahren wegen der neuen Ver-
leihung; vgl. oben Note 6. — Für die Frage der Zuständigkeit bei Streitigkeiten
zwischen Besitzern von Kirchstühlen stellt O.V.G. 10. Dez. 1884 (Reger V, S. 388)
auf: Die Gottesdienste der öffentlichen Religionsgesellschaften sind Teile der
öffentlichen Ordnung; die Kirchstuhlordnung ist ein Teil der äußeren Ordnung des
Gottesdienstes, also untersteht sie polizeilichem Schutz und die allgemeine Ordnungs-
polizeibehörde ist im Streitfalle zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Ordnung
zwischen streitenden Besitzern berufen.
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[156/0168] Das öffentliche Sachenrecht. Rechts, wo es streitig geworden ist. Nach der Art des Streites werden wir verschiedene Fälle unterscheiden 9. Besteht der Streit zwischen dem Berechtigten und der Verwaltung selbst, die seine Ansprüche nicht anerkennt, so ist die Entscheidung ordentlicher Weise innerhalb der Behördenordnung der Verwaltung zu suchen: Gegenvorstellung, Beschwerde, Anfechtungsklage in ihren verschiedenen Gestaltungen geben die Form (Bd. I § 12 ff.). Handelt es sich zwischen beliehenen Nutzungsberechtigten um die Grenzen ihrer beiderseitigen Rechte, so sind die Voraussetzungen einer sog. Parteistreitigkeit des öffentlichen Rechtes gegeben (Bd. I S. 182) 10. Wenn dagegen die Zugehörigkeit eines und desselben Nutzungs- rechts von verschiedenen in Anspruch genommen wird, so wird es in erster Linie auf die Beurteilung civilrechtlicher Rechtsübergänge an- kommen (oben n. 3) und die bürgerliche Rechtsstreitigkeit ist gegeben, mögen auch öffentlichrechtliche Zwischenfragen dabei zu entscheiden 9 Den Anspruch auf Rechtsschutz weiß die übliche Auffassungsweise durch- weg nur so zu erklären, daß sie das durch die Verleihung begründete Recht irgendwie an das Civilrecht anlehnt. Der Ausdruck „Privatrecht, Privat- eigentum“ mit seiner bekannten Zweideutigkeit dient dazu, den Übergang zu ver- schleiern. In diesem Sinne V.G.H. 1. März 1887 (Samml. VIII S. 217): Das Wasserbenutzungsrecht, „obwohl es einem öffentlichrechtlichen Akte, nämlich der Verleihung durch die Staatsgewalt seine Entstehung verdankt, nimmt die Natur eines Privatrechtes an, indem es gesetzlich den nämlichen Schutz wie ein Privat- recht gewährt“. Als ob ein subjektives öffentliches Recht Dritten gegenüber nicht ebensogut geschützt sein könnte, wie ein civilrechtliches! So auch O.Tr. 8. Juli 1869 (Str. 75, S. 250): „Ein solches Wasserrecht geht in das Privateigentum des Berechtigten über und letzterer ist berechtigt, dieses sein Eigentum gegen jeder- mann durch eine dingliche Klage zu schützen, sei es der Verleiher, der in das Privateigentum eingreift, sei es ein Dritter“. Hier soll das „Privateigentum“, das ja ohnehin nicht im strengen Sinn von Eigentum gemeint sein kann, denn die frag- lichen Rechte sind inhaltlich ganz anderer Art, nur dazu dienen, die civilgericht- liche Zuständigkeit zu begründen. Dazu ist aber ein civilrechtlicher Anspruch gar nicht unerläßlich (Bd. I S. 213 ff.). Die Gleichstellung des Verhältnisses zu dem Verleiher, zu dem Herrn der öffentlichen Sache, an der das Recht besteht, und des Verhältnisses zu jedem Dritten ist jedenfalls ganz unrichtig. 10 Bei Wassernutzungsrechten an öffentlichen Flüssen erledigen sich der- artige Streitigkeiten meist als Incidentpunkte im Verfahren wegen der neuen Ver- leihung; vgl. oben Note 6. — Für die Frage der Zuständigkeit bei Streitigkeiten zwischen Besitzern von Kirchstühlen stellt O.V.G. 10. Dez. 1884 (Reger V, S. 388) auf: Die Gottesdienste der öffentlichen Religionsgesellschaften sind Teile der öffentlichen Ordnung; die Kirchstuhlordnung ist ein Teil der äußeren Ordnung des Gottesdienstes, also untersteht sie polizeilichem Schutz und die allgemeine Ordnungs- polizeibehörde ist im Streitfalle zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Ordnung zwischen streitenden Besitzern berufen.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/168>, abgerufen am 25.04.2024.