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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.
konzession, Brücken- und Fährenkonzession (darüber unten § 50).
Auf demselben Gedanken beruht es, wenn von einer Verleihung
des Enteignungsrechtes
(oben § 33, II n. 2 und Note 15) die
Rede ist, oder von Verleihung eines Amtes (unten § 44, II
n. 2). Eine Unterart dieses allgemeinen Begriffes ist denn auch
die Verleihung eines besonderen Nutzungsrechtes an
einer öffentlichen Sache:
sie bedeutet die Einräumung einer
rechtlichen Macht über die öffentliche Sache, von der ein Stück dem
Beliehenen ausgeantwortet wird zum Zweck der besonderen Be-
nutzung.

I. Die verliehenen Nutzungsrechte gehen über das im Gemein-
gebrauch Enthaltene hinaus; von den Gebrauchserlaubnissen, bei
welchen dasselbe der Fall ist, unterscheiden sie sich schon äußerlich
dadurch, daß sie auf die Dauer berechnet sind: der Beliehene tritt
in förmlichen Besitz an einem Stücke der öffentlichen Sache, der
sich bekundet durch gewisse Vorrichtungen, die für ihn an der Sache
bestehen.

In das Anwendungsgebiet der Verleihung fallen demnach
von vorneherein nicht alle besonderen Gewährungen, die nur vorüber-
gehend und oberflächlich die öffentliche Sache berühren: das Über-
schreiten des Eisenbahndammes, das Sitzen auf dem Markte, das Still-
halten der Droschken und Kanalschiffe, ebenso aber auch das Auf-
stellen beweglicher Gegenstände, das Einschlagen von Pfosten bei
Neubauten an der Straße, Eingraben von Blumen und Sträuchern
auf gemeinen Gräbern ist alles nur denkbar als Gegenstand einer
Gebrauchserlaubnis, nicht einer Verleihung.

Umgekehrt enthalten andere Vorrichtungen einen so schwer
wiegenden Eingriff in die öffentliche Sache und sind mit solchem
Aufwand von Mitteln fest mit ihr verbunden, daß sie wohl nur auf
Grund einer Verleihung unternommen werden können: Stauwehre,
Mühlkanäle, Bewässerungsanlagen an öffentlichen Flüssen, umfang-
reiche Röhrenleitungen, fest eingefügte Eisenbahngeleise im Straßen-
boden, kostbare Grabdenkmäler werden niemals auf den unsicheren
Rechtsgrund einer bloßen Gebrauchserlaubnis gestellt werden.

Dazwischen liegen mancherlei Benutzungsarten, deren äußere
Gestalt über die anzuwendende Rechtsform nichts entscheidet. Nament-
lich bestimmt der Begriff des im Boden festen Bauwerks, des opus
soli, durchaus nicht unbedingt und überall die Grenzlinie. Schiffmühlen,
Badeanstalten im öffentlichen Flusse beruhen auf Verleihung, obwohl
sie nur verankert sind und im Winter oder bei Eisgang abgefahren
werden mögen. Andererseits pflegt der Zeitungskiosk, die Soda-

Das öffentliche Sachenrecht.
konzession, Brücken- und Fährenkonzession (darüber unten § 50).
Auf demselben Gedanken beruht es, wenn von einer Verleihung
des Enteignungsrechtes
(oben § 33, II n. 2 und Note 15) die
Rede ist, oder von Verleihung eines Amtes (unten § 44, II
n. 2). Eine Unterart dieses allgemeinen Begriffes ist denn auch
die Verleihung eines besonderen Nutzungsrechtes an
einer öffentlichen Sache:
sie bedeutet die Einräumung einer
rechtlichen Macht über die öffentliche Sache, von der ein Stück dem
Beliehenen ausgeantwortet wird zum Zweck der besonderen Be-
nutzung.

I. Die verliehenen Nutzungsrechte gehen über das im Gemein-
gebrauch Enthaltene hinaus; von den Gebrauchserlaubnissen, bei
welchen dasselbe der Fall ist, unterscheiden sie sich schon äußerlich
dadurch, daß sie auf die Dauer berechnet sind: der Beliehene tritt
in förmlichen Besitz an einem Stücke der öffentlichen Sache, der
sich bekundet durch gewisse Vorrichtungen, die für ihn an der Sache
bestehen.

In das Anwendungsgebiet der Verleihung fallen demnach
von vorneherein nicht alle besonderen Gewährungen, die nur vorüber-
gehend und oberflächlich die öffentliche Sache berühren: das Über-
schreiten des Eisenbahndammes, das Sitzen auf dem Markte, das Still-
halten der Droschken und Kanalschiffe, ebenso aber auch das Auf-
stellen beweglicher Gegenstände, das Einschlagen von Pfosten bei
Neubauten an der Straße, Eingraben von Blumen und Sträuchern
auf gemeinen Gräbern ist alles nur denkbar als Gegenstand einer
Gebrauchserlaubnis, nicht einer Verleihung.

Umgekehrt enthalten andere Vorrichtungen einen so schwer
wiegenden Eingriff in die öffentliche Sache und sind mit solchem
Aufwand von Mitteln fest mit ihr verbunden, daß sie wohl nur auf
Grund einer Verleihung unternommen werden können: Stauwehre,
Mühlkanäle, Bewässerungsanlagen an öffentlichen Flüssen, umfang-
reiche Röhrenleitungen, fest eingefügte Eisenbahngeleise im Straßen-
boden, kostbare Grabdenkmäler werden niemals auf den unsicheren
Rechtsgrund einer bloßen Gebrauchserlaubnis gestellt werden.

Dazwischen liegen mancherlei Benutzungsarten, deren äußere
Gestalt über die anzuwendende Rechtsform nichts entscheidet. Nament-
lich bestimmt der Begriff des im Boden festen Bauwerks, des opus
soli, durchaus nicht unbedingt und überall die Grenzlinie. Schiffmühlen,
Badeanstalten im öffentlichen Flusse beruhen auf Verleihung, obwohl
sie nur verankert sind und im Winter oder bei Eisgang abgefahren
werden mögen. Andererseits pflegt der Zeitungskiosk, die Soda-

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[148/0160] Das öffentliche Sachenrecht. konzession, Brücken- und Fährenkonzession (darüber unten § 50). Auf demselben Gedanken beruht es, wenn von einer Verleihung des Enteignungsrechtes (oben § 33, II n. 2 und Note 15) die Rede ist, oder von Verleihung eines Amtes (unten § 44, II n. 2). Eine Unterart dieses allgemeinen Begriffes ist denn auch die Verleihung eines besonderen Nutzungsrechtes an einer öffentlichen Sache: sie bedeutet die Einräumung einer rechtlichen Macht über die öffentliche Sache, von der ein Stück dem Beliehenen ausgeantwortet wird zum Zweck der besonderen Be- nutzung. I. Die verliehenen Nutzungsrechte gehen über das im Gemein- gebrauch Enthaltene hinaus; von den Gebrauchserlaubnissen, bei welchen dasselbe der Fall ist, unterscheiden sie sich schon äußerlich dadurch, daß sie auf die Dauer berechnet sind: der Beliehene tritt in förmlichen Besitz an einem Stücke der öffentlichen Sache, der sich bekundet durch gewisse Vorrichtungen, die für ihn an der Sache bestehen. In das Anwendungsgebiet der Verleihung fallen demnach von vorneherein nicht alle besonderen Gewährungen, die nur vorüber- gehend und oberflächlich die öffentliche Sache berühren: das Über- schreiten des Eisenbahndammes, das Sitzen auf dem Markte, das Still- halten der Droschken und Kanalschiffe, ebenso aber auch das Auf- stellen beweglicher Gegenstände, das Einschlagen von Pfosten bei Neubauten an der Straße, Eingraben von Blumen und Sträuchern auf gemeinen Gräbern ist alles nur denkbar als Gegenstand einer Gebrauchserlaubnis, nicht einer Verleihung. Umgekehrt enthalten andere Vorrichtungen einen so schwer wiegenden Eingriff in die öffentliche Sache und sind mit solchem Aufwand von Mitteln fest mit ihr verbunden, daß sie wohl nur auf Grund einer Verleihung unternommen werden können: Stauwehre, Mühlkanäle, Bewässerungsanlagen an öffentlichen Flüssen, umfang- reiche Röhrenleitungen, fest eingefügte Eisenbahngeleise im Straßen- boden, kostbare Grabdenkmäler werden niemals auf den unsicheren Rechtsgrund einer bloßen Gebrauchserlaubnis gestellt werden. Dazwischen liegen mancherlei Benutzungsarten, deren äußere Gestalt über die anzuwendende Rechtsform nichts entscheidet. Nament- lich bestimmt der Begriff des im Boden festen Bauwerks, des opus soli, durchaus nicht unbedingt und überall die Grenzlinie. Schiffmühlen, Badeanstalten im öffentlichen Flusse beruhen auf Verleihung, obwohl sie nur verankert sind und im Winter oder bei Eisgang abgefahren werden mögen. Andererseits pflegt der Zeitungskiosk, die Soda-

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/160>, abgerufen am 29.03.2024.