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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.
überhaupt nirgend ausdrücklich genannt sind, aber nicht besonders
gestattet zu werden brauchen, sondern auf Grund der allgemeinen
Rechtsanschauung als selbstverständlich gelten, wie z. B. das Aus-
spannen von Fischernetzen18.

Der Inhalt des Gemeingebrauchs ist so formenreich, wie der der
Freiheit überhaupt.

III. Das Recht des Gemeingebrauchs hat seine Grenzen. Eine
Überschreitung derselben bildet einen Eingriff in den Bestand der
öffentlichen Sache. Diejenige Seite der öffentlichen Gewalt, welche
darauf gerichtet ist, solche Eingriffe abzuwehren, haben wir kennen
gelernt als die Polizei der öffentlichen Sachen; sie ist zugleich
Polizei des Gemeingebrauchs. Als solche richtet sie sich gegen
alle Störung, die durch die Art der Ausübung des Gemeingebrauchs
der guten Ordnung der öffentlichen Sache erwachsen mag. Mit Be-
fehlen, Strafsetzungen19 und unmittelbarem Zwang wird da entgegen-
getreten. Das Gesetz kann den Gemeingebrauch ganz oder teilweise
beseitigen; die Änderung der natürlichen Freiheitsgrenzen liegt ja in
seiner Hand. Die allgemeinen Ermächtigungen der Behörden enthalten
eine solche Befugnis regelmäßig nicht. Sie gehen bloß dahin, den fort-
bestehenden Gemeingebrauch so zu ordnen und zu leiten, daß die
Sache dabei im ganzen ihrem Zwecke möglichst erhalten und dienst-

18 R.G. 23. Febr. 1880 (Samml. I S. 366).
19 Wichtig vor allem Stf.G.B. § 366 Ziff. 9: "wer auf öffentlichen Wegen
.. Gegenstände, durch welche der freie Verkehr gehindert wird, aufstellt, hinlegt
oder liegen läßt." Nur darf man dieser Bestimmung nicht eine Art Alleinherr-
schaft für die Bestimmung der Grenzen des Gemeingebrauchs zumuten. Es liegt
noch manches innerhalb der anerkannten Grenze des Gemeingebrauchs, was
immerhin den freien Verkehr einigermaßen hindern wird und deshalb von dem
Wortlaut des § 366 Ziff. 9 getroffen wäre; vgl. oben Note 14. Und umgekehrt
geht die Polizeigewalt zum Schutz der öffentlichen Straße gegen manches vor,
was, ohne Verkehrsstörung zu sein und deshalb unter den § 366 Ziff. 9 zu fallen,
den Gemeingebrauch überschreitet. Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 317: Nicht alles Auf-
stellen von Gegenständen auf der Straße ist durch § 366 Ziff. 9 getroffen; es genügt
diesem gegenüber, daß dem Verkehr Raum genug übrig gelassen wird. Also nicht
einmal das Aufstellen von Buden ist unter dieser Voraussetzung als strafbar zu
verhindern (Riedel, Komment. z. P.Stf.G.B. S. 146). Kann aber nicht trotzdem
gegen diese Buden von Polizeiwegen eingeschritten werden? Da wird denn be-
hauptet, "höchstens Civilklage auf Beseitigung" sei möglich. In Wirklichkeit fällt
es der Polizeibehörde natürlich gar nicht ein, so zu klagen. Sie fordert auf, weg-
zuräumen, und räumt selbst weg, wenn es nicht geschieht; darüber ist wohl kein
Zweifel.

Das öffentliche Sachenrecht.
überhaupt nirgend ausdrücklich genannt sind, aber nicht besonders
gestattet zu werden brauchen, sondern auf Grund der allgemeinen
Rechtsanschauung als selbstverständlich gelten, wie z. B. das Aus-
spannen von Fischernetzen18.

Der Inhalt des Gemeingebrauchs ist so formenreich, wie der der
Freiheit überhaupt.

III. Das Recht des Gemeingebrauchs hat seine Grenzen. Eine
Überschreitung derselben bildet einen Eingriff in den Bestand der
öffentlichen Sache. Diejenige Seite der öffentlichen Gewalt, welche
darauf gerichtet ist, solche Eingriffe abzuwehren, haben wir kennen
gelernt als die Polizei der öffentlichen Sachen; sie ist zugleich
Polizei des Gemeingebrauchs. Als solche richtet sie sich gegen
alle Störung, die durch die Art der Ausübung des Gemeingebrauchs
der guten Ordnung der öffentlichen Sache erwachsen mag. Mit Be-
fehlen, Strafsetzungen19 und unmittelbarem Zwang wird da entgegen-
getreten. Das Gesetz kann den Gemeingebrauch ganz oder teilweise
beseitigen; die Änderung der natürlichen Freiheitsgrenzen liegt ja in
seiner Hand. Die allgemeinen Ermächtigungen der Behörden enthalten
eine solche Befugnis regelmäßig nicht. Sie gehen bloß dahin, den fort-
bestehenden Gemeingebrauch so zu ordnen und zu leiten, daß die
Sache dabei im ganzen ihrem Zwecke möglichst erhalten und dienst-

18 R.G. 23. Febr. 1880 (Samml. I S. 366).
19 Wichtig vor allem Stf.G.B. § 366 Ziff. 9: „wer auf öffentlichen Wegen
.. Gegenstände, durch welche der freie Verkehr gehindert wird, aufstellt, hinlegt
oder liegen läßt.“ Nur darf man dieser Bestimmung nicht eine Art Alleinherr-
schaft für die Bestimmung der Grenzen des Gemeingebrauchs zumuten. Es liegt
noch manches innerhalb der anerkannten Grenze des Gemeingebrauchs, was
immerhin den freien Verkehr einigermaßen hindern wird und deshalb von dem
Wortlaut des § 366 Ziff. 9 getroffen wäre; vgl. oben Note 14. Und umgekehrt
geht die Polizeigewalt zum Schutz der öffentlichen Straße gegen manches vor,
was, ohne Verkehrsstörung zu sein und deshalb unter den § 366 Ziff. 9 zu fallen,
den Gemeingebrauch überschreitet. Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 317: Nicht alles Auf-
stellen von Gegenständen auf der Straße ist durch § 366 Ziff. 9 getroffen; es genügt
diesem gegenüber, daß dem Verkehr Raum genug übrig gelassen wird. Also nicht
einmal das Aufstellen von Buden ist unter dieser Voraussetzung als strafbar zu
verhindern (Riedel, Komment. z. P.Stf.G.B. S. 146). Kann aber nicht trotzdem
gegen diese Buden von Polizeiwegen eingeschritten werden? Da wird denn be-
hauptet, „höchstens Civilklage auf Beseitigung“ sei möglich. In Wirklichkeit fällt
es der Polizeibehörde natürlich gar nicht ein, so zu klagen. Sie fordert auf, weg-
zuräumen, und räumt selbst weg, wenn es nicht geschieht; darüber ist wohl kein
Zweifel.
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[124/0136] Das öffentliche Sachenrecht. überhaupt nirgend ausdrücklich genannt sind, aber nicht besonders gestattet zu werden brauchen, sondern auf Grund der allgemeinen Rechtsanschauung als selbstverständlich gelten, wie z. B. das Aus- spannen von Fischernetzen 18. Der Inhalt des Gemeingebrauchs ist so formenreich, wie der der Freiheit überhaupt. III. Das Recht des Gemeingebrauchs hat seine Grenzen. Eine Überschreitung derselben bildet einen Eingriff in den Bestand der öffentlichen Sache. Diejenige Seite der öffentlichen Gewalt, welche darauf gerichtet ist, solche Eingriffe abzuwehren, haben wir kennen gelernt als die Polizei der öffentlichen Sachen; sie ist zugleich Polizei des Gemeingebrauchs. Als solche richtet sie sich gegen alle Störung, die durch die Art der Ausübung des Gemeingebrauchs der guten Ordnung der öffentlichen Sache erwachsen mag. Mit Be- fehlen, Strafsetzungen 19 und unmittelbarem Zwang wird da entgegen- getreten. Das Gesetz kann den Gemeingebrauch ganz oder teilweise beseitigen; die Änderung der natürlichen Freiheitsgrenzen liegt ja in seiner Hand. Die allgemeinen Ermächtigungen der Behörden enthalten eine solche Befugnis regelmäßig nicht. Sie gehen bloß dahin, den fort- bestehenden Gemeingebrauch so zu ordnen und zu leiten, daß die Sache dabei im ganzen ihrem Zwecke möglichst erhalten und dienst- 18 R.G. 23. Febr. 1880 (Samml. I S. 366). 19 Wichtig vor allem Stf.G.B. § 366 Ziff. 9: „wer auf öffentlichen Wegen .. Gegenstände, durch welche der freie Verkehr gehindert wird, aufstellt, hinlegt oder liegen läßt.“ Nur darf man dieser Bestimmung nicht eine Art Alleinherr- schaft für die Bestimmung der Grenzen des Gemeingebrauchs zumuten. Es liegt noch manches innerhalb der anerkannten Grenze des Gemeingebrauchs, was immerhin den freien Verkehr einigermaßen hindern wird und deshalb von dem Wortlaut des § 366 Ziff. 9 getroffen wäre; vgl. oben Note 14. Und umgekehrt geht die Polizeigewalt zum Schutz der öffentlichen Straße gegen manches vor, was, ohne Verkehrsstörung zu sein und deshalb unter den § 366 Ziff. 9 zu fallen, den Gemeingebrauch überschreitet. Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 317: Nicht alles Auf- stellen von Gegenständen auf der Straße ist durch § 366 Ziff. 9 getroffen; es genügt diesem gegenüber, daß dem Verkehr Raum genug übrig gelassen wird. Also nicht einmal das Aufstellen von Buden ist unter dieser Voraussetzung als strafbar zu verhindern (Riedel, Komment. z. P.Stf.G.B. S. 146). Kann aber nicht trotzdem gegen diese Buden von Polizeiwegen eingeschritten werden? Da wird denn be- hauptet, „höchstens Civilklage auf Beseitigung“ sei möglich. In Wirklichkeit fällt es der Polizeibehörde natürlich gar nicht ein, so zu klagen. Sie fordert auf, weg- zuräumen, und räumt selbst weg, wenn es nicht geschieht; darüber ist wohl kein Zweifel.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/136>, abgerufen am 25.04.2024.