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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 37. Der Gemeingebrauch.

Wenn wir aber jetzt diese Vorteile der Einzelnen aus öffentlichen
Sachen genauer betrachten wollen, so müssen wir beginnen mit einer
Ausscheidung. Nicht alles, was die öffentliche Sache zu leisten hat,
gehört hierher. Nur was die Sache unmittelbar selbst erfaßt, steht
unter der ausschließlichen Herrschaft des öffentlichen Rechts, nicht
aber äußerliches Zubehör und zur Loslösung bestimmte Teile.

Gegenstände der letzteren Art können in Formen des Civilrechts
veräußert und einem Erwerber zur Verfügung gestellt werden. Insofern
dem Erwerber überlassen wird, sich selbst des ihm Abgetretenen zu
bemächtigen, sprechen wir von einem Nutzungsrecht an der
öffentlichen Sache,
das ihm eingeräumt ist. Die Begründung
dieser Nutzungsrechte geschieht durch civilrechtlichen Kaufvertrag oder
Pachtvertrag. Wir sehen z. B. die Grasnutzung an Wegen, Flußufern
und Kanalböschungen, sogar an Festungswerken verkauft und ver-
pachtet werden. Der Obstertrag an den Bäumen längs der Landstraße,
die Weidennutzung am Strombette und -Ufer, die Eisgewinnung
am Kanal werden in derselben Weise behandelt. Ebenso das
Recht der Jagd und der Fischerei. Der daraus erzielte Gewinn bildet
einen Nebenvorteil des Herrn der öffentlichen Sache. Uns geht das
alles hier nichts weiter an.

In unser Gebiet gehört nur die andere unvergleichlich wichtigere
Art von Vorteilen der Einzelnen, die, wobei die Sache selbst mit
ihrem Körper dem Interesse der Einzelnen dienstbar gemacht und
von diesen gebraucht wird. Insofern diese Vorteile in Formen des
Rechts bestimmt und geordnet sind, sprechen wir von Gebrauchs-
rechten an der öffentlichen Sache
. Damit soll noch nichts
darüber gesagt sein, inwiefern sie die Bezeichnung als subjektive Rechte
in einem strengeren Sinne wirklich verdienen. Es sind eben öffent-
liche Rechte mit sehr verschiedenen Graden der "Individualisierung".
Vgl. darüber oben § 9.

Die Gebrauchsrechte an der öffentlichen Sache erscheinen ihrer
verschiedenen Grundlage gemäß in dreierlei Gestalt. Wir unter-
scheiden: Gemeingebrauch, Gebrauchserlaubnis und Verleihung. Von
dem ersteren ist hier zunächst die Rede.

I. Gewisse öffentliche Sachen, bei weitem nicht alle, sind dem
Rechte des Gemeingebrauchs unterworfen. Was ist das für eine
Art von Recht?

Wir dürfen zum Ausgangspunkt eine Ordnung der Dinge nehmen,
bei welcher diese Frage auf die einfachste Weise gelöst wird. Die
wichtigsten öffentlichen Sachen treten ursprünglich auf als gemeinsame
Anstalten örtlicher Vereinigungen: Wege, Plätze, Brücken, Gemeinde-

§ 37. Der Gemeingebrauch.

Wenn wir aber jetzt diese Vorteile der Einzelnen aus öffentlichen
Sachen genauer betrachten wollen, so müssen wir beginnen mit einer
Ausscheidung. Nicht alles, was die öffentliche Sache zu leisten hat,
gehört hierher. Nur was die Sache unmittelbar selbst erfaßt, steht
unter der ausschließlichen Herrschaft des öffentlichen Rechts, nicht
aber äußerliches Zubehör und zur Loslösung bestimmte Teile.

Gegenstände der letzteren Art können in Formen des Civilrechts
veräußert und einem Erwerber zur Verfügung gestellt werden. Insofern
dem Erwerber überlassen wird, sich selbst des ihm Abgetretenen zu
bemächtigen, sprechen wir von einem Nutzungsrecht an der
öffentlichen Sache,
das ihm eingeräumt ist. Die Begründung
dieser Nutzungsrechte geschieht durch civilrechtlichen Kaufvertrag oder
Pachtvertrag. Wir sehen z. B. die Grasnutzung an Wegen, Flußufern
und Kanalböschungen, sogar an Festungswerken verkauft und ver-
pachtet werden. Der Obstertrag an den Bäumen längs der Landstraße,
die Weidennutzung am Strombette und -Ufer, die Eisgewinnung
am Kanal werden in derselben Weise behandelt. Ebenso das
Recht der Jagd und der Fischerei. Der daraus erzielte Gewinn bildet
einen Nebenvorteil des Herrn der öffentlichen Sache. Uns geht das
alles hier nichts weiter an.

In unser Gebiet gehört nur die andere unvergleichlich wichtigere
Art von Vorteilen der Einzelnen, die, wobei die Sache selbst mit
ihrem Körper dem Interesse der Einzelnen dienstbar gemacht und
von diesen gebraucht wird. Insofern diese Vorteile in Formen des
Rechts bestimmt und geordnet sind, sprechen wir von Gebrauchs-
rechten an der öffentlichen Sache
. Damit soll noch nichts
darüber gesagt sein, inwiefern sie die Bezeichnung als subjektive Rechte
in einem strengeren Sinne wirklich verdienen. Es sind eben öffent-
liche Rechte mit sehr verschiedenen Graden der „Individualisierung“.
Vgl. darüber oben § 9.

Die Gebrauchsrechte an der öffentlichen Sache erscheinen ihrer
verschiedenen Grundlage gemäß in dreierlei Gestalt. Wir unter-
scheiden: Gemeingebrauch, Gebrauchserlaubnis und Verleihung. Von
dem ersteren ist hier zunächst die Rede.

I. Gewisse öffentliche Sachen, bei weitem nicht alle, sind dem
Rechte des Gemeingebrauchs unterworfen. Was ist das für eine
Art von Recht?

Wir dürfen zum Ausgangspunkt eine Ordnung der Dinge nehmen,
bei welcher diese Frage auf die einfachste Weise gelöst wird. Die
wichtigsten öffentlichen Sachen treten ursprünglich auf als gemeinsame
Anstalten örtlicher Vereinigungen: Wege, Plätze, Brücken, Gemeinde-

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[111/0123] § 37. Der Gemeingebrauch. Wenn wir aber jetzt diese Vorteile der Einzelnen aus öffentlichen Sachen genauer betrachten wollen, so müssen wir beginnen mit einer Ausscheidung. Nicht alles, was die öffentliche Sache zu leisten hat, gehört hierher. Nur was die Sache unmittelbar selbst erfaßt, steht unter der ausschließlichen Herrschaft des öffentlichen Rechts, nicht aber äußerliches Zubehör und zur Loslösung bestimmte Teile. Gegenstände der letzteren Art können in Formen des Civilrechts veräußert und einem Erwerber zur Verfügung gestellt werden. Insofern dem Erwerber überlassen wird, sich selbst des ihm Abgetretenen zu bemächtigen, sprechen wir von einem Nutzungsrecht an der öffentlichen Sache, das ihm eingeräumt ist. Die Begründung dieser Nutzungsrechte geschieht durch civilrechtlichen Kaufvertrag oder Pachtvertrag. Wir sehen z. B. die Grasnutzung an Wegen, Flußufern und Kanalböschungen, sogar an Festungswerken verkauft und ver- pachtet werden. Der Obstertrag an den Bäumen längs der Landstraße, die Weidennutzung am Strombette und -Ufer, die Eisgewinnung am Kanal werden in derselben Weise behandelt. Ebenso das Recht der Jagd und der Fischerei. Der daraus erzielte Gewinn bildet einen Nebenvorteil des Herrn der öffentlichen Sache. Uns geht das alles hier nichts weiter an. In unser Gebiet gehört nur die andere unvergleichlich wichtigere Art von Vorteilen der Einzelnen, die, wobei die Sache selbst mit ihrem Körper dem Interesse der Einzelnen dienstbar gemacht und von diesen gebraucht wird. Insofern diese Vorteile in Formen des Rechts bestimmt und geordnet sind, sprechen wir von Gebrauchs- rechten an der öffentlichen Sache. Damit soll noch nichts darüber gesagt sein, inwiefern sie die Bezeichnung als subjektive Rechte in einem strengeren Sinne wirklich verdienen. Es sind eben öffent- liche Rechte mit sehr verschiedenen Graden der „Individualisierung“. Vgl. darüber oben § 9. Die Gebrauchsrechte an der öffentlichen Sache erscheinen ihrer verschiedenen Grundlage gemäß in dreierlei Gestalt. Wir unter- scheiden: Gemeingebrauch, Gebrauchserlaubnis und Verleihung. Von dem ersteren ist hier zunächst die Rede. I. Gewisse öffentliche Sachen, bei weitem nicht alle, sind dem Rechte des Gemeingebrauchs unterworfen. Was ist das für eine Art von Recht? Wir dürfen zum Ausgangspunkt eine Ordnung der Dinge nehmen, bei welcher diese Frage auf die einfachste Weise gelöst wird. Die wichtigsten öffentlichen Sachen treten ursprünglich auf als gemeinsame Anstalten örtlicher Vereinigungen: Wege, Plätze, Brücken, Gemeinde-

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/123>, abgerufen am 25.04.2024.