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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.
der öffentlichen Sache. Es wäre also falsch, die Verweigerung der
Herausgabe des vindicierten Stückes Festungswerk oder Straßenkörper
als einfache Gewaltthat aufzufassen. Hier ist ein öffentlichrechtliches
Rechtsinstitut im Spiele, das von der Herausgabepflicht entbindet.
Der Gerechtigkeit gegenüber dem Eigentümer muß in anderer Weise
Genüge geschehen: das billige Ermessen der Verwaltungsbehörde und
der oberen Instanzen und vor allem die Entschädigungspflicht der
Staatskasse (unten § 53) schützen gegen den Mißbrauch24.

III. Die Endigung des öffentlichen Eigentums entspricht in
ihrer rechtlichen Gestalt der Entstehung. Wenn die Entstehung sich
daran knüpft, daß die sämtlichen Voraussetzungen des öffentlichen
Eigentums zusammenkommen, so wird die Endigung gegeben sein,
sobald eine davon wegfällt.

Von diesen Voraussetzungen kann die eine, die umfassende recht-
liche Macht über die Sache, das Eigentum, nach der bestehenden
Rechtsordnung nicht wohl für sich allein in Wegfall kommen.

Die Endigung wird also wesentlich nur dadurch herbeigeführt
werden, daß die Sache aufhört, der öffentlichen Verwaltung in dem
besonderen Sinn der öffentlichen Sache zu dienen, sei es, daß sie die
nötige äußerliche Beschaffenheit verliert, sei es, daß die Verwaltung
sie diesem Zwecke nicht mehr gewidmet haben will.

Die Erklärung, in welcher dieses letztere zum Ausdruck kommt,

24 Vgl. unten § 41, Note 12. Diese Einschränkung der Eigentumsklage
zeigt sich zumeist in der Form wirksam, daß das Gericht sich unzuständig er-
klärt, die Herausgabe der öffentlichen Sachen gegen die Verwaltung anzuordnen
und zu erzwingen. In Bl. f. adm. Pr. 1870, S. 366 ff., wird eine Reihe von Ent-
scheidungen des bayr. Obersten G.H. angeführt, die sich mit Eigentumsklagen wegen
öffentlicher Sachen beschäftigen und sie in diesem Sinne zurückweisen. Der
Herausgeber Luthardt begleitet dieselben mit sehr bemerkenswerten Erörterungen,
in welchen er auf das kräftigste gegen die darin vertretenen Grundsätze ankämpft
und aufstellt: sobald einmal die Klage sich auf Eigentum gründet, müssen die
Gerichte zuständig sein. Allein die Gerichte sind wohl berufen, jeder Zeit die
Klage nach ihrem wahren Ziele zu würdigen. Wenn der Kläger bloß verlangt, als
Eigentümer anerkannt zu sein, und die Verwaltung bestreitet, daß er es sei, so
muß das Gericht entscheiden. Wenn die Klage aber geht auf Freigabe der Sache,
weil Kläger Eigentümer sei, und die Verwaltung entgegnet: die Sache sei eine
öffentliche Straße, oder ein Festungswerk oder ein Teil eines öffentlichen Flusses,
so wird das Gericht sich fragen müssen: streiten die Parteien über Eigentum oder
streiten sie nur über die Herausgabepflicht. Der Bayrische Oberste Gerichtshof
hat überall das letztere angenommen und die Unzuständigkeit der Gerichte als-
dann mit Recht erkannt. Der vorsichtige Kläger wird, sobald ihm die Einrede
der öffentlichen Sache entgegentritt, durch Beschränkung seiner Klage auf die Fest-
stellung des Eigentums den Streit auf civilrechtlichem Gebiete festhalten.

Das öffentliche Sachenrecht.
der öffentlichen Sache. Es wäre also falsch, die Verweigerung der
Herausgabe des vindicierten Stückes Festungswerk oder Straßenkörper
als einfache Gewaltthat aufzufassen. Hier ist ein öffentlichrechtliches
Rechtsinstitut im Spiele, das von der Herausgabepflicht entbindet.
Der Gerechtigkeit gegenüber dem Eigentümer muß in anderer Weise
Genüge geschehen: das billige Ermessen der Verwaltungsbehörde und
der oberen Instanzen und vor allem die Entschädigungspflicht der
Staatskasse (unten § 53) schützen gegen den Mißbrauch24.

III. Die Endigung des öffentlichen Eigentums entspricht in
ihrer rechtlichen Gestalt der Entstehung. Wenn die Entstehung sich
daran knüpft, daß die sämtlichen Voraussetzungen des öffentlichen
Eigentums zusammenkommen, so wird die Endigung gegeben sein,
sobald eine davon wegfällt.

Von diesen Voraussetzungen kann die eine, die umfassende recht-
liche Macht über die Sache, das Eigentum, nach der bestehenden
Rechtsordnung nicht wohl für sich allein in Wegfall kommen.

Die Endigung wird also wesentlich nur dadurch herbeigeführt
werden, daß die Sache aufhört, der öffentlichen Verwaltung in dem
besonderen Sinn der öffentlichen Sache zu dienen, sei es, daß sie die
nötige äußerliche Beschaffenheit verliert, sei es, daß die Verwaltung
sie diesem Zwecke nicht mehr gewidmet haben will.

Die Erklärung, in welcher dieses letztere zum Ausdruck kommt,

24 Vgl. unten § 41, Note 12. Diese Einschränkung der Eigentumsklage
zeigt sich zumeist in der Form wirksam, daß das Gericht sich unzuständig er-
klärt, die Herausgabe der öffentlichen Sachen gegen die Verwaltung anzuordnen
und zu erzwingen. In Bl. f. adm. Pr. 1870, S. 366 ff., wird eine Reihe von Ent-
scheidungen des bayr. Obersten G.H. angeführt, die sich mit Eigentumsklagen wegen
öffentlicher Sachen beschäftigen und sie in diesem Sinne zurückweisen. Der
Herausgeber Luthardt begleitet dieselben mit sehr bemerkenswerten Erörterungen,
in welchen er auf das kräftigste gegen die darin vertretenen Grundsätze ankämpft
und aufstellt: sobald einmal die Klage sich auf Eigentum gründet, müssen die
Gerichte zuständig sein. Allein die Gerichte sind wohl berufen, jeder Zeit die
Klage nach ihrem wahren Ziele zu würdigen. Wenn der Kläger bloß verlangt, als
Eigentümer anerkannt zu sein, und die Verwaltung bestreitet, daß er es sei, so
muß das Gericht entscheiden. Wenn die Klage aber geht auf Freigabe der Sache,
weil Kläger Eigentümer sei, und die Verwaltung entgegnet: die Sache sei eine
öffentliche Straße, oder ein Festungswerk oder ein Teil eines öffentlichen Flusses,
so wird das Gericht sich fragen müssen: streiten die Parteien über Eigentum oder
streiten sie nur über die Herausgabepflicht. Der Bayrische Oberste Gerichtshof
hat überall das letztere angenommen und die Unzuständigkeit der Gerichte als-
dann mit Recht erkannt. Der vorsichtige Kläger wird, sobald ihm die Einrede
der öffentlichen Sache entgegentritt, durch Beschränkung seiner Klage auf die Fest-
stellung des Eigentums den Streit auf civilrechtlichem Gebiete festhalten.
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[106/0118] Das öffentliche Sachenrecht. der öffentlichen Sache. Es wäre also falsch, die Verweigerung der Herausgabe des vindicierten Stückes Festungswerk oder Straßenkörper als einfache Gewaltthat aufzufassen. Hier ist ein öffentlichrechtliches Rechtsinstitut im Spiele, das von der Herausgabepflicht entbindet. Der Gerechtigkeit gegenüber dem Eigentümer muß in anderer Weise Genüge geschehen: das billige Ermessen der Verwaltungsbehörde und der oberen Instanzen und vor allem die Entschädigungspflicht der Staatskasse (unten § 53) schützen gegen den Mißbrauch 24. III. Die Endigung des öffentlichen Eigentums entspricht in ihrer rechtlichen Gestalt der Entstehung. Wenn die Entstehung sich daran knüpft, daß die sämtlichen Voraussetzungen des öffentlichen Eigentums zusammenkommen, so wird die Endigung gegeben sein, sobald eine davon wegfällt. Von diesen Voraussetzungen kann die eine, die umfassende recht- liche Macht über die Sache, das Eigentum, nach der bestehenden Rechtsordnung nicht wohl für sich allein in Wegfall kommen. Die Endigung wird also wesentlich nur dadurch herbeigeführt werden, daß die Sache aufhört, der öffentlichen Verwaltung in dem besonderen Sinn der öffentlichen Sache zu dienen, sei es, daß sie die nötige äußerliche Beschaffenheit verliert, sei es, daß die Verwaltung sie diesem Zwecke nicht mehr gewidmet haben will. Die Erklärung, in welcher dieses letztere zum Ausdruck kommt, 24 Vgl. unten § 41, Note 12. Diese Einschränkung der Eigentumsklage zeigt sich zumeist in der Form wirksam, daß das Gericht sich unzuständig er- klärt, die Herausgabe der öffentlichen Sachen gegen die Verwaltung anzuordnen und zu erzwingen. In Bl. f. adm. Pr. 1870, S. 366 ff., wird eine Reihe von Ent- scheidungen des bayr. Obersten G.H. angeführt, die sich mit Eigentumsklagen wegen öffentlicher Sachen beschäftigen und sie in diesem Sinne zurückweisen. Der Herausgeber Luthardt begleitet dieselben mit sehr bemerkenswerten Erörterungen, in welchen er auf das kräftigste gegen die darin vertretenen Grundsätze ankämpft und aufstellt: sobald einmal die Klage sich auf Eigentum gründet, müssen die Gerichte zuständig sein. Allein die Gerichte sind wohl berufen, jeder Zeit die Klage nach ihrem wahren Ziele zu würdigen. Wenn der Kläger bloß verlangt, als Eigentümer anerkannt zu sein, und die Verwaltung bestreitet, daß er es sei, so muß das Gericht entscheiden. Wenn die Klage aber geht auf Freigabe der Sache, weil Kläger Eigentümer sei, und die Verwaltung entgegnet: die Sache sei eine öffentliche Straße, oder ein Festungswerk oder ein Teil eines öffentlichen Flusses, so wird das Gericht sich fragen müssen: streiten die Parteien über Eigentum oder streiten sie nur über die Herausgabepflicht. Der Bayrische Oberste Gerichtshof hat überall das letztere angenommen und die Unzuständigkeit der Gerichte als- dann mit Recht erkannt. Der vorsichtige Kläger wird, sobald ihm die Einrede der öffentlichen Sache entgegentritt, durch Beschränkung seiner Klage auf die Fest- stellung des Eigentums den Streit auf civilrechtlichem Gebiete festhalten.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/118>, abgerufen am 19.04.2024.