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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.
deutsamer Weise hervor im Falle eines Rechtsstreites, zu dem
es Anlaß giebt.

Ein derartiger Rechtsstreit kann in verschiedener Gestalt er-
scheinen.

Ein Rechtsstreit über das öffentliche Eigentum selbst,
so daß jede der streitenden Parteien es als solches für sich in An-
spruch nimmt, ist nur denkbar zwischen Subjekten der öffentlichen
Verwaltung. Der Staat, die Gemeinde, der beliehene Unternehmer,
oder gleichartige Rechtssubjekte der letzteren Art stehen sich gegen-
über. Der Streit kann sich nur erledigen auf der Grundlage des
Rechtstitels, auf welchen das untergeordnete Rechtssubjekt seinen An-
spruch auf dieses Stück öffentlicher Verwaltung gründet; es kommt
darauf an, ob es in dem Selbstverwaltungsrecht, in der Verleihung be-
griffen ist und wie weit etwa die Aufsichtsgewalt abändernd ein-
gegriffen hat. Der Streit bewegt sich ganz und gar auf dem Boden
des öffentlichen Rechts; mit der Natur einer rei vindicatio hat er nichts
gemein. Die Handhabung der entsprechenden öffentlichrechtlichen
Rechtsinstitute giebt die Lösung, die nicht notwendig in die Form der
Rechtspflege gebracht ist20.

Es kann auch ein Rechtsstreit vorliegen über das civilrecht-
liche Eigentum an der öffentlichen Sache
. Die Widmung
der öffentlichen Sache ist ja möglich auf Grund einer öffentlichrecht-
lichen Dienstbarkeit oder eines öffentlichrechtlichen Besitzes. Das
Eigentum selbst bleibt dahinter einem Andern gehörig als dem Ver-
walter der öffentlichen Sache. Wer der Andere sei, kann also Gegen-
stand des Streites werden. Das mögen die Parteien nach den Regeln
der rei vindicatio mit einander ausmachen, die öffentliche Sache und
ihr Verwalter sind dabei nicht beteiligt21.

Der dritte und wichtigste Fall ist der Streit zwischen
civilrechtlichem und öffentlichem Eigentum:
der Ver-

20 O.Tr. 7. Juli 1854: Ein Gemeindeweg wird bei Neubau einer Staatsstraße
verschüttet, Klage der Stadt gegen den Fiskus. Die Regierung erklärt: die Wieder-
herstellung des unterbrochenen Gemeindeweges sei "nicht bloß polizeilich un-
zulässig, sondern auch polizeilich nicht notwendig" (!). Das Gericht, "bei diesem
Ungrunde des klägerischen Anspruches" (!), weist die Klage ab; die Aufsichts-
behörde hatte entschieden. Ebenso R.G. 13. April 1880 (Samml. I, S. 420).
21 Ebensowenig bei einer Besitzstörungsklage, auf welche Verklagter er-
widert: es sei eine öffentliche Sache. Darin liegt eine Bestreitung der Aktiv-
legitimation und möglicherweise auch die Behauptung der Rechtmäßigkeit der an-
gegriffenen Handlung, da sie im Gemeingebrauch begründet war. O.Tr. 12. Jan.
1852 (Str. 4, S. 248).

Das öffentliche Sachenrecht.
deutsamer Weise hervor im Falle eines Rechtsstreites, zu dem
es Anlaß giebt.

Ein derartiger Rechtsstreit kann in verschiedener Gestalt er-
scheinen.

Ein Rechtsstreit über das öffentliche Eigentum selbst,
so daß jede der streitenden Parteien es als solches für sich in An-
spruch nimmt, ist nur denkbar zwischen Subjekten der öffentlichen
Verwaltung. Der Staat, die Gemeinde, der beliehene Unternehmer,
oder gleichartige Rechtssubjekte der letzteren Art stehen sich gegen-
über. Der Streit kann sich nur erledigen auf der Grundlage des
Rechtstitels, auf welchen das untergeordnete Rechtssubjekt seinen An-
spruch auf dieses Stück öffentlicher Verwaltung gründet; es kommt
darauf an, ob es in dem Selbstverwaltungsrecht, in der Verleihung be-
griffen ist und wie weit etwa die Aufsichtsgewalt abändernd ein-
gegriffen hat. Der Streit bewegt sich ganz und gar auf dem Boden
des öffentlichen Rechts; mit der Natur einer rei vindicatio hat er nichts
gemein. Die Handhabung der entsprechenden öffentlichrechtlichen
Rechtsinstitute giebt die Lösung, die nicht notwendig in die Form der
Rechtspflege gebracht ist20.

Es kann auch ein Rechtsstreit vorliegen über das civilrecht-
liche Eigentum an der öffentlichen Sache
. Die Widmung
der öffentlichen Sache ist ja möglich auf Grund einer öffentlichrecht-
lichen Dienstbarkeit oder eines öffentlichrechtlichen Besitzes. Das
Eigentum selbst bleibt dahinter einem Andern gehörig als dem Ver-
walter der öffentlichen Sache. Wer der Andere sei, kann also Gegen-
stand des Streites werden. Das mögen die Parteien nach den Regeln
der rei vindicatio mit einander ausmachen, die öffentliche Sache und
ihr Verwalter sind dabei nicht beteiligt21.

Der dritte und wichtigste Fall ist der Streit zwischen
civilrechtlichem und öffentlichem Eigentum:
der Ver-

20 O.Tr. 7. Juli 1854: Ein Gemeindeweg wird bei Neubau einer Staatsstraße
verschüttet, Klage der Stadt gegen den Fiskus. Die Regierung erklärt: die Wieder-
herstellung des unterbrochenen Gemeindeweges sei „nicht bloß polizeilich un-
zulässig, sondern auch polizeilich nicht notwendig“ (!). Das Gericht, „bei diesem
Ungrunde des klägerischen Anspruches“ (!), weist die Klage ab; die Aufsichts-
behörde hatte entschieden. Ebenso R.G. 13. April 1880 (Samml. I, S. 420).
21 Ebensowenig bei einer Besitzstörungsklage, auf welche Verklagter er-
widert: es sei eine öffentliche Sache. Darin liegt eine Bestreitung der Aktiv-
legitimation und möglicherweise auch die Behauptung der Rechtmäßigkeit der an-
gegriffenen Handlung, da sie im Gemeingebrauch begründet war. O.Tr. 12. Jan.
1852 (Str. 4, S. 248).
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[102/0114] Das öffentliche Sachenrecht. deutsamer Weise hervor im Falle eines Rechtsstreites, zu dem es Anlaß giebt. Ein derartiger Rechtsstreit kann in verschiedener Gestalt er- scheinen. Ein Rechtsstreit über das öffentliche Eigentum selbst, so daß jede der streitenden Parteien es als solches für sich in An- spruch nimmt, ist nur denkbar zwischen Subjekten der öffentlichen Verwaltung. Der Staat, die Gemeinde, der beliehene Unternehmer, oder gleichartige Rechtssubjekte der letzteren Art stehen sich gegen- über. Der Streit kann sich nur erledigen auf der Grundlage des Rechtstitels, auf welchen das untergeordnete Rechtssubjekt seinen An- spruch auf dieses Stück öffentlicher Verwaltung gründet; es kommt darauf an, ob es in dem Selbstverwaltungsrecht, in der Verleihung be- griffen ist und wie weit etwa die Aufsichtsgewalt abändernd ein- gegriffen hat. Der Streit bewegt sich ganz und gar auf dem Boden des öffentlichen Rechts; mit der Natur einer rei vindicatio hat er nichts gemein. Die Handhabung der entsprechenden öffentlichrechtlichen Rechtsinstitute giebt die Lösung, die nicht notwendig in die Form der Rechtspflege gebracht ist 20. Es kann auch ein Rechtsstreit vorliegen über das civilrecht- liche Eigentum an der öffentlichen Sache. Die Widmung der öffentlichen Sache ist ja möglich auf Grund einer öffentlichrecht- lichen Dienstbarkeit oder eines öffentlichrechtlichen Besitzes. Das Eigentum selbst bleibt dahinter einem Andern gehörig als dem Ver- walter der öffentlichen Sache. Wer der Andere sei, kann also Gegen- stand des Streites werden. Das mögen die Parteien nach den Regeln der rei vindicatio mit einander ausmachen, die öffentliche Sache und ihr Verwalter sind dabei nicht beteiligt 21. Der dritte und wichtigste Fall ist der Streit zwischen civilrechtlichem und öffentlichem Eigentum: der Ver- 20 O.Tr. 7. Juli 1854: Ein Gemeindeweg wird bei Neubau einer Staatsstraße verschüttet, Klage der Stadt gegen den Fiskus. Die Regierung erklärt: die Wieder- herstellung des unterbrochenen Gemeindeweges sei „nicht bloß polizeilich un- zulässig, sondern auch polizeilich nicht notwendig“ (!). Das Gericht, „bei diesem Ungrunde des klägerischen Anspruches“ (!), weist die Klage ab; die Aufsichts- behörde hatte entschieden. Ebenso R.G. 13. April 1880 (Samml. I, S. 420). 21 Ebensowenig bei einer Besitzstörungsklage, auf welche Verklagter er- widert: es sei eine öffentliche Sache. Darin liegt eine Bestreitung der Aktiv- legitimation und möglicherweise auch die Behauptung der Rechtmäßigkeit der an- gegriffenen Handlung, da sie im Gemeingebrauch begründet war. O.Tr. 12. Jan. 1852 (Str. 4, S. 248).

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/114>, abgerufen am 19.04.2024.