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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Einleitung.

Die Justiz ist in diesem Gegensatz nicht beschränkt auf den
engen Begriff der Rechtsprechung d. h. des obrigkeitlichen Aus-
spruches dessen, was im Einzelfalle Rechtens ist. Es gehört dazu
ebensowohl die ganze Prozessleitung, als die sogenannte frei-
willige Gerichtsbarkeit,
sofern sie mit ihrer Beurkundung,
Bestätigung, Aufsichtsführung obrigkeitlicher Weise der Aufrecht-
erhaltung der Rechtsordnung dient. Es ist auch nicht bloss das Justiz,
was der Richter persönlich macht, sondern es gehört dazu noch alles,
was im Zusammenhang mit ihm oder unterseiner Leitung
namens des Staates für diesen Zweck geschieht: Akte der Staats-
anwaltschaft, Zustellungsakte, Pfändungen und sonstige Zwangsmass-
regeln der gerichtlichen Vollstreckungsbeamten10.

Ausgeschlossen vom Gebiete der Justiz sind alle Thätigkeiten, denen
das eine oder das andere Stück des zusammengesetzten Begriffes fehlt.

Also einmal Geschäfte, welche wohl bei den Gerichten besorgt
werden, aber keine Rechtspflege, nicht obrigkeitliche Aufrecht-
erhaltung der Rechtsordnung sind. Dahin gehören insbesondere die
den Gerichten etwa übertragenen Geschäfte der Justizverwaltung
mit ihren Materialverwaltungen, Ernennungen u. s. w.

Sodann aber auch Thätigkeiten, welche wohl der Aufrechterhaltung
der Rechtsordnung mit obrigkeitlicher Gewalt zu dienen bestimmt sind,
aber nicht bei den für Civil- und Strafrechtspflege be-
stellten Gerichten
stattfinden. Alle Beurkundungen, Be-
stätigungen, Beaufsichtigungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit haben

digung des Enteigneten oder den Gehaltsanspruch des Beamten nicht mehr Justiz
sein. Vgl. Schulze, D.St.R. I S. 545, 546; Laband, St.R. I S. 673, wo mit
Recht das die Justiz charakterisierende "subjektive Moment" betont wird.
10 Ublicher Weise wird bei Erwähnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit die
Bemerkung gemacht, sie sei eigentlich nicht Justiz, sondern "ihrem materiellen Ge-
halte nach" Verwaltung; G. Meyer, V.R. I S. 3; Seligmann, Beitr. S. 71;
Bernatzik, Rechtskraft S. 2. Laband, St.R. I S. 678 Note 1, bemerkt dazu
mit Recht, dass, wenn man einmal so weit geht, folgerichtig alles aus dem Begriff
der Justiz zu entfernen ist, was nicht Rechtsprechung ist, d. h. obrigkeitlicher
Ausspruch, dessen was Rechtens ist; die ganze Zwangsvollstreckung, die ganze
Prozessleitung, Terminsbestimmungen, Vertagungen, alles das wäre Verwaltung.
Leuthold, Sächs. V.R. S. 137, hat sich dem angeschlossen und sieht in der
Prozessleitung der Gerichte einen "umfänglichen Teil der öffentlichen Verwaltung".
Mit solchen Zuspitzungen werden die überkommenen einleuchtenden Gruppierungen
unnötigerweise zersetzt. Unsere Reichsjustizgesetze rechnen jedenfalls die sog.
freiwillige Rechtspflege noch zur Gerichtsbarkeit im Gegensatze zur Verwaltung.
Wäre sie Verwaltung, so könnte sie gemäss E.G. zu G.V.G. § 4 von den ordentlichen
Gerichten überhaupt nicht mehr geführt werden. Denn Justizverwaltung, deren
Übertragung allein noch zulässig ist, wäre sie doch auf keinen Fall.
Einleitung.

Die Justiz ist in diesem Gegensatz nicht beschränkt auf den
engen Begriff der Rechtsprechung d. h. des obrigkeitlichen Aus-
spruches dessen, was im Einzelfalle Rechtens ist. Es gehört dazu
ebensowohl die ganze Prozeſsleitung, als die sogenannte frei-
willige Gerichtsbarkeit,
sofern sie mit ihrer Beurkundung,
Bestätigung, Aufsichtsführung obrigkeitlicher Weise der Aufrecht-
erhaltung der Rechtsordnung dient. Es ist auch nicht bloſs das Justiz,
was der Richter persönlich macht, sondern es gehört dazu noch alles,
was im Zusammenhang mit ihm oder unterseiner Leitung
namens des Staates für diesen Zweck geschieht: Akte der Staats-
anwaltschaft, Zustellungsakte, Pfändungen und sonstige Zwangsmaſs-
regeln der gerichtlichen Vollstreckungsbeamten10.

Ausgeschlossen vom Gebiete der Justiz sind alle Thätigkeiten, denen
das eine oder das andere Stück des zusammengesetzten Begriffes fehlt.

Also einmal Geschäfte, welche wohl bei den Gerichten besorgt
werden, aber keine Rechtspflege, nicht obrigkeitliche Aufrecht-
erhaltung der Rechtsordnung sind. Dahin gehören insbesondere die
den Gerichten etwa übertragenen Geschäfte der Justizverwaltung
mit ihren Materialverwaltungen, Ernennungen u. s. w.

Sodann aber auch Thätigkeiten, welche wohl der Aufrechterhaltung
der Rechtsordnung mit obrigkeitlicher Gewalt zu dienen bestimmt sind,
aber nicht bei den für Civil- und Strafrechtspflege be-
stellten Gerichten
stattfinden. Alle Beurkundungen, Be-
stätigungen, Beaufsichtigungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit haben

digung des Enteigneten oder den Gehaltsanspruch des Beamten nicht mehr Justiz
sein. Vgl. Schulze, D.St.R. I S. 545, 546; Laband, St.R. I S. 673, wo mit
Recht das die Justiz charakterisierende „subjektive Moment“ betont wird.
10 Ublicher Weise wird bei Erwähnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit die
Bemerkung gemacht, sie sei eigentlich nicht Justiz, sondern „ihrem materiellen Ge-
halte nach“ Verwaltung; G. Meyer, V.R. I S. 3; Seligmann, Beitr. S. 71;
Bernatzik, Rechtskraft S. 2. Laband, St.R. I S. 678 Note 1, bemerkt dazu
mit Recht, daſs, wenn man einmal so weit geht, folgerichtig alles aus dem Begriff
der Justiz zu entfernen ist, was nicht Rechtsprechung ist, d. h. obrigkeitlicher
Ausspruch, dessen was Rechtens ist; die ganze Zwangsvollstreckung, die ganze
Prozeſsleitung, Terminsbestimmungen, Vertagungen, alles das wäre Verwaltung.
Leuthold, Sächs. V.R. S. 137, hat sich dem angeschlossen und sieht in der
Prozeſsleitung der Gerichte einen „umfänglichen Teil der öffentlichen Verwaltung“.
Mit solchen Zuspitzungen werden die überkommenen einleuchtenden Gruppierungen
unnötigerweise zersetzt. Unsere Reichsjustizgesetze rechnen jedenfalls die sog.
freiwillige Rechtspflege noch zur Gerichtsbarkeit im Gegensatze zur Verwaltung.
Wäre sie Verwaltung, so könnte sie gemäſs E.G. zu G.V.G. § 4 von den ordentlichen
Gerichten überhaupt nicht mehr geführt werden. Denn Justizverwaltung, deren
Übertragung allein noch zulässig ist, wäre sie doch auf keinen Fall.
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[8/0028] Einleitung. Die Justiz ist in diesem Gegensatz nicht beschränkt auf den engen Begriff der Rechtsprechung d. h. des obrigkeitlichen Aus- spruches dessen, was im Einzelfalle Rechtens ist. Es gehört dazu ebensowohl die ganze Prozeſsleitung, als die sogenannte frei- willige Gerichtsbarkeit, sofern sie mit ihrer Beurkundung, Bestätigung, Aufsichtsführung obrigkeitlicher Weise der Aufrecht- erhaltung der Rechtsordnung dient. Es ist auch nicht bloſs das Justiz, was der Richter persönlich macht, sondern es gehört dazu noch alles, was im Zusammenhang mit ihm oder unterseiner Leitung namens des Staates für diesen Zweck geschieht: Akte der Staats- anwaltschaft, Zustellungsakte, Pfändungen und sonstige Zwangsmaſs- regeln der gerichtlichen Vollstreckungsbeamten 10. Ausgeschlossen vom Gebiete der Justiz sind alle Thätigkeiten, denen das eine oder das andere Stück des zusammengesetzten Begriffes fehlt. Also einmal Geschäfte, welche wohl bei den Gerichten besorgt werden, aber keine Rechtspflege, nicht obrigkeitliche Aufrecht- erhaltung der Rechtsordnung sind. Dahin gehören insbesondere die den Gerichten etwa übertragenen Geschäfte der Justizverwaltung mit ihren Materialverwaltungen, Ernennungen u. s. w. Sodann aber auch Thätigkeiten, welche wohl der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung mit obrigkeitlicher Gewalt zu dienen bestimmt sind, aber nicht bei den für Civil- und Strafrechtspflege be- stellten Gerichten stattfinden. Alle Beurkundungen, Be- stätigungen, Beaufsichtigungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit haben 9 10 Ublicher Weise wird bei Erwähnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Bemerkung gemacht, sie sei eigentlich nicht Justiz, sondern „ihrem materiellen Ge- halte nach“ Verwaltung; G. Meyer, V.R. I S. 3; Seligmann, Beitr. S. 71; Bernatzik, Rechtskraft S. 2. Laband, St.R. I S. 678 Note 1, bemerkt dazu mit Recht, daſs, wenn man einmal so weit geht, folgerichtig alles aus dem Begriff der Justiz zu entfernen ist, was nicht Rechtsprechung ist, d. h. obrigkeitlicher Ausspruch, dessen was Rechtens ist; die ganze Zwangsvollstreckung, die ganze Prozeſsleitung, Terminsbestimmungen, Vertagungen, alles das wäre Verwaltung. Leuthold, Sächs. V.R. S. 137, hat sich dem angeschlossen und sieht in der Prozeſsleitung der Gerichte einen „umfänglichen Teil der öffentlichen Verwaltung“. Mit solchen Zuspitzungen werden die überkommenen einleuchtenden Gruppierungen unnötigerweise zersetzt. Unsere Reichsjustizgesetze rechnen jedenfalls die sog. freiwillige Rechtspflege noch zur Gerichtsbarkeit im Gegensatze zur Verwaltung. Wäre sie Verwaltung, so könnte sie gemäſs E.G. zu G.V.G. § 4 von den ordentlichen Gerichten überhaupt nicht mehr geführt werden. Denn Justizverwaltung, deren Übertragung allein noch zulässig ist, wäre sie doch auf keinen Fall. 9 digung des Enteigneten oder den Gehaltsanspruch des Beamten nicht mehr Justiz sein. Vgl. Schulze, D.St.R. I S. 545, 546; Laband, St.R. I S. 673, wo mit Recht das die Justiz charakterisierende „subjektive Moment“ betont wird.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/28>, abgerufen am 23.04.2024.