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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Einleitung.
wie gerade an den damit gegebenen Unterscheidungen innerhalb der
obersten Gewalt unser ganzes Verwaltungsrecht hängt (unten § 6 ff.)

Durch die verfassungsmässige Trägerschaft der obersten Gewalt
und unter ihr durch mancherlei Diener und mittelbare Vertreter wird
alsdann die Thätigkeit geübt, um deren willen der Staat da ist. Die
Verwaltung ist nur eine Art davon. Das Ganze stellt sich uns dar
in der üblichen Dreiteilung: Gesetzgebung, Justiz, Ver-
waltung
. Im Zusammenhang dieser Nachbarbegriffe erhält die Ver-
waltung die bestimmte Abgrenzung, in der sie beim Verwaltungsrecht
gemeint ist.

Man nennt daneben als vierte Thätigkeitsart wohl noch die
Regierung. Allein der Begriff der Regierung, wie er sich nach
allen Wandlungen, die er schon erfahren, jetzt festgesetzt hat, fällt
völlig aus diesem Kreise heraus.

Mit diesem Namen wollte man ursprünglich die ganze staat-
liche Thätigkeit bezeichnen, also Gesetzgebung, Justiz und Verwaltung
unausgeschieden. Die weitere Entwicklung vollzog sich in einer all-
mählichen Absonderung dieser Zweige. Zuerst scheidet aus die Justiz,
der Wirkungskreis der ordentlichen Gerichte: Regierungssachen und
Justizsachen bedeuten nunmehr Gegensätze. Mit der Ausbildung des
neuen Verfassungsrechts wird auch die Gesetzgebung, sofern sie jetzt
an die Mitwirkung der Volksvertretung gebunden ist, in Gegensatz
gestellt zu den sonstigen Staatsthätigkeiten. Zugleich kommt für
die übrige Staatsthätigkeit ausserhalb Gesetzgebung und Justiz, der
Name Verwaltung auf. Die ist dann ebenmässig nicht mehr gedacht
als ein blosser Zweig der Regierung, sie soll ein Seitenstück der
Justiz sein und wie diese ein Gegenstück zur Regierung, von der sie
sich ablöst2.

Das Ergebnis ist für unsere heutige Auffassung, dass alle un-
mittelbar wirksame Staatsthätigkeit an diese selbständigen Begriffe ver-
teilt ist. Für die Regierung ist nichts übrig geblieben, als das All-
gemeine, das darüber steht. Man begreift darunter die Ober-
leitung
des Ganzen, das einheitliche Richtunggeben für die politischen
Geschicke des Staates und die Kulturentwicklung im Innern. Aus-

2 Die Stufenfolge bezeichnen: Moser, Landeshoheit in Reg.S. Kap. I § 4,
wo die Regierung noch alles ist; Häberlin, St.R. II § 299 Note, wo die Re-
gierung alles umfasst, auch die Gesetzgebung, nur nicht die Justiz; Zachariae,
Vierzig Bücher v. St. I S. 124 und Pözl, Bayr. Verf.R. § 143, wo gesetzgebende
Gewalt und Regierungsgewalt sic[h] gegenüberstehen; endlich v. Roenne, St.R.
d. Preuss. Mon. III S. 1 Note 3: "Die Trennung von Regierung und Verwaltung ge-
hört zu den Grundideen der repräsentativen Monarchie".

Einleitung.
wie gerade an den damit gegebenen Unterscheidungen innerhalb der
obersten Gewalt unser ganzes Verwaltungsrecht hängt (unten § 6 ff.)

Durch die verfassungsmäſsige Trägerschaft der obersten Gewalt
und unter ihr durch mancherlei Diener und mittelbare Vertreter wird
alsdann die Thätigkeit geübt, um deren willen der Staat da ist. Die
Verwaltung ist nur eine Art davon. Das Ganze stellt sich uns dar
in der üblichen Dreiteilung: Gesetzgebung, Justiz, Ver-
waltung
. Im Zusammenhang dieser Nachbarbegriffe erhält die Ver-
waltung die bestimmte Abgrenzung, in der sie beim Verwaltungsrecht
gemeint ist.

Man nennt daneben als vierte Thätigkeitsart wohl noch die
Regierung. Allein der Begriff der Regierung, wie er sich nach
allen Wandlungen, die er schon erfahren, jetzt festgesetzt hat, fällt
völlig aus diesem Kreise heraus.

Mit diesem Namen wollte man ursprünglich die ganze staat-
liche Thätigkeit bezeichnen, also Gesetzgebung, Justiz und Verwaltung
unausgeschieden. Die weitere Entwicklung vollzog sich in einer all-
mählichen Absonderung dieser Zweige. Zuerst scheidet aus die Justiz,
der Wirkungskreis der ordentlichen Gerichte: Regierungssachen und
Justizsachen bedeuten nunmehr Gegensätze. Mit der Ausbildung des
neuen Verfassungsrechts wird auch die Gesetzgebung, sofern sie jetzt
an die Mitwirkung der Volksvertretung gebunden ist, in Gegensatz
gestellt zu den sonstigen Staatsthätigkeiten. Zugleich kommt für
die übrige Staatsthätigkeit auſserhalb Gesetzgebung und Justiz, der
Name Verwaltung auf. Die ist dann ebenmäſsig nicht mehr gedacht
als ein bloſser Zweig der Regierung, sie soll ein Seitenstück der
Justiz sein und wie diese ein Gegenstück zur Regierung, von der sie
sich ablöst2.

Das Ergebnis ist für unsere heutige Auffassung, daſs alle un-
mittelbar wirksame Staatsthätigkeit an diese selbständigen Begriffe ver-
teilt ist. Für die Regierung ist nichts übrig geblieben, als das All-
gemeine, das darüber steht. Man begreift darunter die Ober-
leitung
des Ganzen, das einheitliche Richtunggeben für die politischen
Geschicke des Staates und die Kulturentwicklung im Innern. Aus-

2 Die Stufenfolge bezeichnen: Moser, Landeshoheit in Reg.S. Kap. I § 4,
wo die Regierung noch alles ist; Häberlin, St.R. II § 299 Note, wo die Re-
gierung alles umfaſst, auch die Gesetzgebung, nur nicht die Justiz; Zachariae,
Vierzig Bücher v. St. I S. 124 und Pözl, Bayr. Verf.R. § 143, wo gesetzgebende
Gewalt und Regierungsgewalt sic[h] gegenüberstehen; endlich v. Roenne, St.R.
d. Preuſs. Mon. III S. 1 Note 3: „Die Trennung von Regierung und Verwaltung ge-
hört zu den Grundideen der repräsentativen Monarchie“.
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[4/0024] Einleitung. wie gerade an den damit gegebenen Unterscheidungen innerhalb der obersten Gewalt unser ganzes Verwaltungsrecht hängt (unten § 6 ff.) Durch die verfassungsmäſsige Trägerschaft der obersten Gewalt und unter ihr durch mancherlei Diener und mittelbare Vertreter wird alsdann die Thätigkeit geübt, um deren willen der Staat da ist. Die Verwaltung ist nur eine Art davon. Das Ganze stellt sich uns dar in der üblichen Dreiteilung: Gesetzgebung, Justiz, Ver- waltung. Im Zusammenhang dieser Nachbarbegriffe erhält die Ver- waltung die bestimmte Abgrenzung, in der sie beim Verwaltungsrecht gemeint ist. Man nennt daneben als vierte Thätigkeitsart wohl noch die Regierung. Allein der Begriff der Regierung, wie er sich nach allen Wandlungen, die er schon erfahren, jetzt festgesetzt hat, fällt völlig aus diesem Kreise heraus. Mit diesem Namen wollte man ursprünglich die ganze staat- liche Thätigkeit bezeichnen, also Gesetzgebung, Justiz und Verwaltung unausgeschieden. Die weitere Entwicklung vollzog sich in einer all- mählichen Absonderung dieser Zweige. Zuerst scheidet aus die Justiz, der Wirkungskreis der ordentlichen Gerichte: Regierungssachen und Justizsachen bedeuten nunmehr Gegensätze. Mit der Ausbildung des neuen Verfassungsrechts wird auch die Gesetzgebung, sofern sie jetzt an die Mitwirkung der Volksvertretung gebunden ist, in Gegensatz gestellt zu den sonstigen Staatsthätigkeiten. Zugleich kommt für die übrige Staatsthätigkeit auſserhalb Gesetzgebung und Justiz, der Name Verwaltung auf. Die ist dann ebenmäſsig nicht mehr gedacht als ein bloſser Zweig der Regierung, sie soll ein Seitenstück der Justiz sein und wie diese ein Gegenstück zur Regierung, von der sie sich ablöst 2. Das Ergebnis ist für unsere heutige Auffassung, daſs alle un- mittelbar wirksame Staatsthätigkeit an diese selbständigen Begriffe ver- teilt ist. Für die Regierung ist nichts übrig geblieben, als das All- gemeine, das darüber steht. Man begreift darunter die Ober- leitung des Ganzen, das einheitliche Richtunggeben für die politischen Geschicke des Staates und die Kulturentwicklung im Innern. Aus- 2 Die Stufenfolge bezeichnen: Moser, Landeshoheit in Reg.S. Kap. I § 4, wo die Regierung noch alles ist; Häberlin, St.R. II § 299 Note, wo die Re- gierung alles umfaſst, auch die Gesetzgebung, nur nicht die Justiz; Zachariae, Vierzig Bücher v. St. I S. 124 und Pözl, Bayr. Verf.R. § 143, wo gesetzgebende Gewalt und Regierungsgewalt sich gegenüberstehen; endlich v. Roenne, St.R. d. Preuſs. Mon. III S. 1 Note 3: „Die Trennung von Regierung und Verwaltung ge- hört zu den Grundideen der repräsentativen Monarchie“.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/24>, abgerufen am 29.03.2024.