Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

Aufsicht lassen dürfte. Und übrigens verstehst du auch
das richtige Anschleichen nicht. Man würde dich hören
oder gar sehen."

"Emir, ich verstehe es!"

"Sei still!" meinte da Halef. "Auch ich dachte, ich
verstände es, mich mitten in ein Duar zu schleichen und
das beste Pferd wegzunehmen; aber als ich es vor dem
Effendi machen mußte, habe ich mich schämen müssen, wie
ein Knabe! Aber tröste dich, denn Allah hat nicht ge-
wollt, daß aus dir eine Eidechse werde!"

Wir ließen die Gewehre zurück und schritten voran.
Es war grad so licht, daß man auf fünfzig Schritte einen
Menschen so leidlich erkennen konnte. Vor uns tauchte
nach vielleicht zehn Minuten ein dunkler Punkt auf, dessen
Dimensionen von Schritt zu Schritt zunahmen -- das
Olivenwäldchen. Als wir so weit heran waren, daß wir
es in fünf oder sechs Minuten zu erreichen vermocht
hätten, hielt ich an und lauschte angestrengt. Nicht der
mindeste Laut war zu vernehmen.

"Gehe genau hinter mir, daß unsere Personen eine
einzige Linie bilden!"

Ich hatte nur Jacke und Hose an, beide dunkel; auf
dem Kopfe trug ich den Tarbusch, von dem ich das
Turbantuch abgewunden hatte. So war ich nicht so leicht
vom dunklen Boden zu unterscheiden. Mit Halef war
ganz dasselbe der Fall.

Lautlos glitten wir weiter. Da vernahmen wir das
Geräusch knackender Aeste. Wir legten uns nun auf die
Erde nieder und krochen langsam vorwärts. Das Knacken
und Brechen wurde lauter.

"Man sammelt Aeste, vielleicht gar um ein Feuer zu
machen."

"Gut für uns, Sihdi!" flüsterte Halef.

Aufſicht laſſen dürfte. Und übrigens verſtehſt du auch
das richtige Anſchleichen nicht. Man würde dich hören
oder gar ſehen.“

„Emir, ich verſtehe es!“

„Sei ſtill!“ meinte da Halef. „Auch ich dachte, ich
verſtände es, mich mitten in ein Duar zu ſchleichen und
das beſte Pferd wegzunehmen; aber als ich es vor dem
Effendi machen mußte, habe ich mich ſchämen müſſen, wie
ein Knabe! Aber tröſte dich, denn Allah hat nicht ge-
wollt, daß aus dir eine Eidechſe werde!“

Wir ließen die Gewehre zurück und ſchritten voran.
Es war grad ſo licht, daß man auf fünfzig Schritte einen
Menſchen ſo leidlich erkennen konnte. Vor uns tauchte
nach vielleicht zehn Minuten ein dunkler Punkt auf, deſſen
Dimenſionen von Schritt zu Schritt zunahmen — das
Olivenwäldchen. Als wir ſo weit heran waren, daß wir
es in fünf oder ſechs Minuten zu erreichen vermocht
hätten, hielt ich an und lauſchte angeſtrengt. Nicht der
mindeſte Laut war zu vernehmen.

„Gehe genau hinter mir, daß unſere Perſonen eine
einzige Linie bilden!“

Ich hatte nur Jacke und Hoſe an, beide dunkel; auf
dem Kopfe trug ich den Tarbuſch, von dem ich das
Turbantuch abgewunden hatte. So war ich nicht ſo leicht
vom dunklen Boden zu unterſcheiden. Mit Halef war
ganz dasſelbe der Fall.

Lautlos glitten wir weiter. Da vernahmen wir das
Geräuſch knackender Aeſte. Wir legten uns nun auf die
Erde nieder und krochen langſam vorwärts. Das Knacken
und Brechen wurde lauter.

„Man ſammelt Aeſte, vielleicht gar um ein Feuer zu
machen.“

„Gut für uns, Sihdi!“ flüſterte Halef.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="21"/>
Auf&#x017F;icht la&#x017F;&#x017F;en dürfte. Und übrigens ver&#x017F;teh&#x017F;t du auch<lb/>
das richtige An&#x017F;chleichen nicht. Man würde dich hören<lb/>
oder gar &#x017F;ehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Emir, ich ver&#x017F;tehe es!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sei &#x017F;till!&#x201C; meinte da Halef. &#x201E;Auch ich dachte, ich<lb/>
ver&#x017F;tände es, mich mitten in ein Duar zu &#x017F;chleichen und<lb/>
das be&#x017F;te Pferd wegzunehmen; aber als ich es vor dem<lb/>
Effendi machen mußte, habe ich mich &#x017F;chämen mü&#x017F;&#x017F;en, wie<lb/>
ein Knabe! Aber trö&#x017F;te dich, denn Allah hat nicht ge-<lb/>
wollt, daß aus dir eine Eidech&#x017F;e werde!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wir ließen die Gewehre zurück und &#x017F;chritten voran.<lb/>
Es war grad &#x017F;o licht, daß man auf fünfzig Schritte einen<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;o leidlich erkennen konnte. Vor uns tauchte<lb/>
nach vielleicht zehn Minuten ein dunkler Punkt auf, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Dimen&#x017F;ionen von Schritt zu Schritt zunahmen &#x2014; das<lb/>
Olivenwäldchen. Als wir &#x017F;o weit heran waren, daß wir<lb/>
es in fünf oder &#x017F;echs Minuten zu erreichen vermocht<lb/>
hätten, hielt ich an und lau&#x017F;chte ange&#x017F;trengt. Nicht der<lb/>
minde&#x017F;te Laut war zu vernehmen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gehe genau hinter mir, daß un&#x017F;ere Per&#x017F;onen eine<lb/>
einzige Linie bilden!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich hatte nur Jacke und Ho&#x017F;e an, beide dunkel; auf<lb/>
dem Kopfe trug ich den Tarbu&#x017F;ch, von dem ich das<lb/>
Turbantuch abgewunden hatte. So war ich nicht &#x017F;o leicht<lb/>
vom dunklen Boden zu unter&#x017F;cheiden. Mit Halef war<lb/>
ganz das&#x017F;elbe der Fall.</p><lb/>
        <p>Lautlos glitten wir weiter. Da vernahmen wir das<lb/>
Geräu&#x017F;ch knackender Ae&#x017F;te. Wir legten uns nun auf die<lb/>
Erde nieder und krochen lang&#x017F;am vorwärts. Das Knacken<lb/>
und Brechen wurde lauter.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Man &#x017F;ammelt Ae&#x017F;te, vielleicht gar um ein Feuer zu<lb/>
machen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gut für uns, Sihdi!&#x201C; flü&#x017F;terte Halef.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0035] Aufſicht laſſen dürfte. Und übrigens verſtehſt du auch das richtige Anſchleichen nicht. Man würde dich hören oder gar ſehen.“ „Emir, ich verſtehe es!“ „Sei ſtill!“ meinte da Halef. „Auch ich dachte, ich verſtände es, mich mitten in ein Duar zu ſchleichen und das beſte Pferd wegzunehmen; aber als ich es vor dem Effendi machen mußte, habe ich mich ſchämen müſſen, wie ein Knabe! Aber tröſte dich, denn Allah hat nicht ge- wollt, daß aus dir eine Eidechſe werde!“ Wir ließen die Gewehre zurück und ſchritten voran. Es war grad ſo licht, daß man auf fünfzig Schritte einen Menſchen ſo leidlich erkennen konnte. Vor uns tauchte nach vielleicht zehn Minuten ein dunkler Punkt auf, deſſen Dimenſionen von Schritt zu Schritt zunahmen — das Olivenwäldchen. Als wir ſo weit heran waren, daß wir es in fünf oder ſechs Minuten zu erreichen vermocht hätten, hielt ich an und lauſchte angeſtrengt. Nicht der mindeſte Laut war zu vernehmen. „Gehe genau hinter mir, daß unſere Perſonen eine einzige Linie bilden!“ Ich hatte nur Jacke und Hoſe an, beide dunkel; auf dem Kopfe trug ich den Tarbuſch, von dem ich das Turbantuch abgewunden hatte. So war ich nicht ſo leicht vom dunklen Boden zu unterſcheiden. Mit Halef war ganz dasſelbe der Fall. Lautlos glitten wir weiter. Da vernahmen wir das Geräuſch knackender Aeſte. Wir legten uns nun auf die Erde nieder und krochen langſam vorwärts. Das Knacken und Brechen wurde lauter. „Man ſammelt Aeſte, vielleicht gar um ein Feuer zu machen.“ „Gut für uns, Sihdi!“ flüſterte Halef.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/35
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/35>, abgerufen am 18.04.2024.