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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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Wirklichkeit stets in der Hand einerseits der industriellen Kapi-
talisten und Kaufleute, deren Wechsel damit diskontirt, und denen
Vorschüsse damit gemacht werden; andrerseits in der Hand der
Händler in Werthpapieren (Börsenmakler) oder in der Hand von
Privaten, die ihre Werthpapiere verkauft haben, oder in der Hand
der Regierung (bei Schatzscheinen und neuen Anleihen). Die Depo-
siten selbst spielen eine doppelte Rolle. Einerseits werden sie,
wie eben erwähnt, als zinstragendes Kapital ausgeliehen, und finden
sich also nicht in den Kassen der Banken, sondern figuriren nur
in ihren Büchern als Guthaben der Depositoren. Andrerseits fun-
giren sie als solche blosse Buchposten, soweit die wechselseitigen
Guthaben der Depositoren durch Cheques auf ihre Depositen sich
ausgleichen und gegen einander abgeschrieben werden; wobei es
ganz gleichgültig ist, ob die Depositen bei demselben Bankier
liegen, sodass dieser die verschiednen Conti gegeneinander abschreibt,
oder ob dies durch verschiedne Banken geschieht, die ihre Cheques
gegeneinander austauschen, und sich nur die Differenzen zahlen.

Mit der Entwicklung des zinstragenden Kapitals und des Kredit-
systems scheint sich alles Kapital zu verdoppeln und stellenweis
zu verdreifachen durch die verschiedne Weise, worin dasselbe
Kapital oder auch nur dieselbe Schuldforderung in verschiednen
Händen unter verschiednen Formen erscheint.3) Der grösste Theil
dieses "Geldkapitals" ist rein fiktiv. Die sämmtlichen Depositen,
mit Ausnahme des Reservefonds, sind nichts als Guthaben an den

3) [Diese Verdopplung und Verdreifachung von Kapital hat in den letzten
Jahren sich bedeutend weiter entwickelt, z. B. durch die Financial Trusts,
die im Londoner Börsenbericht schon eine besondre Rubrik einnehmen. Es
bildet sich eine Gesellschaft zum Ankauf einer gewissen Klasse zinstragender
Papiere, sage ausländische Staatspapiere, englische städtische oder amerika-
nische öffentliche Schuldscheine, Eisenbahnaktien etc. Das Kapital, sage
2 Millionen £, wird durch Aktienzeichnung aufgebracht; die Direktion kauft
die betr. Werthe ein, resp. spekulirt mehr oder weniger aktiv darin, und
vertheilt den jährlichen Zinsenertrag nach Abzug der Kosten als Dividende
unter die Aktionäre. -- Ferner ist bei einzelnen Aktiengesellschaften der
Brauch aufgekommen, die gewöhnlichen Aktien in zwei Klassen zu theilen,
preferred und deferred. Die preferred erhalten eine fixe Verzinsung, sage
5 %, vorausgesetzt dass der Gesammtprofit dies erlaubt; bleibt dann noch
etwas übrig, so erhalten es die deferred. Auf diese Weise wird die "solide"
Kapitalanlage in den preferred mehr oder weniger von der eigentlichen
Spekulation -- in den deferred -- getrennt. Da nun einzelne grosse Unter-
nehmungen sich dieser neuen Mode nicht fügen wollen, ist es vorgekommen,
dass sich Gesellschaften gebildet haben, die eine oder einige Millionen £
in den Aktien jener anlegen, und darauf hin für den Nominalwerth dieser
Aktien neue Aktien ausgeben, aber die eine Hälfte preferred und die andre
deferred. In diesen Fällen werden die ursprünglichen Aktien verdoppelt,
indem sie zur Grundlage neuer Aktienausgabe dienen. -- F. E.]

Wirklichkeit stets in der Hand einerseits der industriellen Kapi-
talisten und Kaufleute, deren Wechsel damit diskontirt, und denen
Vorschüsse damit gemacht werden; andrerseits in der Hand der
Händler in Werthpapieren (Börsenmakler) oder in der Hand von
Privaten, die ihre Werthpapiere verkauft haben, oder in der Hand
der Regierung (bei Schatzscheinen und neuen Anleihen). Die Depo-
siten selbst spielen eine doppelte Rolle. Einerseits werden sie,
wie eben erwähnt, als zinstragendes Kapital ausgeliehen, und finden
sich also nicht in den Kassen der Banken, sondern figuriren nur
in ihren Büchern als Guthaben der Depositoren. Andrerseits fun-
giren sie als solche blosse Buchposten, soweit die wechselseitigen
Guthaben der Depositoren durch Cheques auf ihre Depositen sich
ausgleichen und gegen einander abgeschrieben werden; wobei es
ganz gleichgültig ist, ob die Depositen bei demselben Bankier
liegen, sodass dieser die verschiednen Conti gegeneinander abschreibt,
oder ob dies durch verschiedne Banken geschieht, die ihre Cheques
gegeneinander austauschen, und sich nur die Differenzen zahlen.

Mit der Entwicklung des zinstragenden Kapitals und des Kredit-
systems scheint sich alles Kapital zu verdoppeln und stellenweis
zu verdreifachen durch die verschiedne Weise, worin dasselbe
Kapital oder auch nur dieselbe Schuldforderung in verschiednen
Händen unter verschiednen Formen erscheint.3) Der grösste Theil
dieses „Geldkapitals“ ist rein fiktiv. Die sämmtlichen Depositen,
mit Ausnahme des Reservefonds, sind nichts als Guthaben an den

3) [Diese Verdopplung und Verdreifachung von Kapital hat in den letzten
Jahren sich bedeutend weiter entwickelt, z. B. durch die Financial Trusts,
die im Londoner Börsenbericht schon eine besondre Rubrik einnehmen. Es
bildet sich eine Gesellschaft zum Ankauf einer gewissen Klasse zinstragender
Papiere, sage ausländische Staatspapiere, englische städtische oder amerika-
nische öffentliche Schuldscheine, Eisenbahnaktien etc. Das Kapital, sage
2 Millionen £, wird durch Aktienzeichnung aufgebracht; die Direktion kauft
die betr. Werthe ein, resp. spekulirt mehr oder weniger aktiv darin, und
vertheilt den jährlichen Zinsenertrag nach Abzug der Kosten als Dividende
unter die Aktionäre. — Ferner ist bei einzelnen Aktiengesellschaften der
Brauch aufgekommen, die gewöhnlichen Aktien in zwei Klassen zu theilen,
preferred und deferred. Die preferred erhalten eine fixe Verzinsung, sage
5 %, vorausgesetzt dass der Gesammtprofit dies erlaubt; bleibt dann noch
etwas übrig, so erhalten es die deferred. Auf diese Weise wird die „solide“
Kapitalanlage in den preferred mehr oder weniger von der eigentlichen
Spekulation — in den deferred — getrennt. Da nun einzelne grosse Unter-
nehmungen sich dieser neuen Mode nicht fügen wollen, ist es vorgekommen,
dass sich Gesellschaften gebildet haben, die eine oder einige Millionen £
in den Aktien jener anlegen, und darauf hin für den Nominalwerth dieser
Aktien neue Aktien ausgeben, aber die eine Hälfte preferred und die andre
deferred. In diesen Fällen werden die ursprünglichen Aktien verdoppelt,
indem sie zur Grundlage neuer Aktienausgabe dienen. — F. E.]
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[8/0017] Wirklichkeit stets in der Hand einerseits der industriellen Kapi- talisten und Kaufleute, deren Wechsel damit diskontirt, und denen Vorschüsse damit gemacht werden; andrerseits in der Hand der Händler in Werthpapieren (Börsenmakler) oder in der Hand von Privaten, die ihre Werthpapiere verkauft haben, oder in der Hand der Regierung (bei Schatzscheinen und neuen Anleihen). Die Depo- siten selbst spielen eine doppelte Rolle. Einerseits werden sie, wie eben erwähnt, als zinstragendes Kapital ausgeliehen, und finden sich also nicht in den Kassen der Banken, sondern figuriren nur in ihren Büchern als Guthaben der Depositoren. Andrerseits fun- giren sie als solche blosse Buchposten, soweit die wechselseitigen Guthaben der Depositoren durch Cheques auf ihre Depositen sich ausgleichen und gegen einander abgeschrieben werden; wobei es ganz gleichgültig ist, ob die Depositen bei demselben Bankier liegen, sodass dieser die verschiednen Conti gegeneinander abschreibt, oder ob dies durch verschiedne Banken geschieht, die ihre Cheques gegeneinander austauschen, und sich nur die Differenzen zahlen. Mit der Entwicklung des zinstragenden Kapitals und des Kredit- systems scheint sich alles Kapital zu verdoppeln und stellenweis zu verdreifachen durch die verschiedne Weise, worin dasselbe Kapital oder auch nur dieselbe Schuldforderung in verschiednen Händen unter verschiednen Formen erscheint. 3) Der grösste Theil dieses „Geldkapitals“ ist rein fiktiv. Die sämmtlichen Depositen, mit Ausnahme des Reservefonds, sind nichts als Guthaben an den 3) [Diese Verdopplung und Verdreifachung von Kapital hat in den letzten Jahren sich bedeutend weiter entwickelt, z. B. durch die Financial Trusts, die im Londoner Börsenbericht schon eine besondre Rubrik einnehmen. Es bildet sich eine Gesellschaft zum Ankauf einer gewissen Klasse zinstragender Papiere, sage ausländische Staatspapiere, englische städtische oder amerika- nische öffentliche Schuldscheine, Eisenbahnaktien etc. Das Kapital, sage 2 Millionen £, wird durch Aktienzeichnung aufgebracht; die Direktion kauft die betr. Werthe ein, resp. spekulirt mehr oder weniger aktiv darin, und vertheilt den jährlichen Zinsenertrag nach Abzug der Kosten als Dividende unter die Aktionäre. — Ferner ist bei einzelnen Aktiengesellschaften der Brauch aufgekommen, die gewöhnlichen Aktien in zwei Klassen zu theilen, preferred und deferred. Die preferred erhalten eine fixe Verzinsung, sage 5 %, vorausgesetzt dass der Gesammtprofit dies erlaubt; bleibt dann noch etwas übrig, so erhalten es die deferred. Auf diese Weise wird die „solide“ Kapitalanlage in den preferred mehr oder weniger von der eigentlichen Spekulation — in den deferred — getrennt. Da nun einzelne grosse Unter- nehmungen sich dieser neuen Mode nicht fügen wollen, ist es vorgekommen, dass sich Gesellschaften gebildet haben, die eine oder einige Millionen £ in den Aktien jener anlegen, und darauf hin für den Nominalwerth dieser Aktien neue Aktien ausgeben, aber die eine Hälfte preferred und die andre deferred. In diesen Fällen werden die ursprünglichen Aktien verdoppelt, indem sie zur Grundlage neuer Aktienausgabe dienen. — F. E.]

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/17>, abgerufen am 19.04.2024.