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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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weil sie Werth ohne Aequivalent erhalten. Das Verlangen nach
Geld als solchem besteht stets nur in dem Wunsch, Werth aus
der Form von Waare oder Schuldforderung in die Form von Geld
umzusetzen. Daher auch abgesehn von den Krisen, der grosse
Unterschied zwischen Kapitalaufnahme und Diskonto, der bloss
Verwandlung von Geldforderungen aus einer Form in die andre,
oder in wirkliches Geld, zu Wege bringt.

[Ich -- der Herausgeber -- erlaube mir hier eine Zwischen-
bemerkung.

Bei Norman, wie bei Loyd-Overstone steht der Bankier immer
da als jemand, der "Kapital vorschiesst", und sein Kunde als der-
jenige, der "Kapital" von ihm verlangt. So sagt Overstone, jemand
lässt durch ihn Wechsel diskontiren, "weil er Kapital zu er-
langen wünscht" (3729), und es sei angenehm für denselben Mann,
wenn er "Verfügung über Kapital erhalten kann" zu niedrigem
Zinsfuss" (3730). "Geld ist das Instrument, um Kapital zu er-
halten" (3736), und in einer Panik ist der grosse Wunsch der Ge-
schäftswelt, "Kommando über Kapital zu erhalten" (3743). Bei
aller Verwirrung Loyd-Overstones über das, was Kapital ist, geht
doch soviel klar hervor, dass er das, was der Bankier dem Ge-
schäftskunden gibt, als Kapital bezeichnet, als ein vom Kunden
vorher nicht besessenes, ihm vorgeschossnes Kapital, das zusätzlich
ist zu dem, worüber der Kunde bisher verfügte.

Der Bankier hat sich so sehr daran gewöhnt, als Vertheiler --
in Form des Verleihens -- des in Geldform disponiblen gesell-
schaftlichen Kapitals zu figuriren, dass ihm jede Funktion, wobei
er Geld weggibt, als ein Verleihen vorkommt. Alles Geld, das er
auszahlt, erscheint ihm als ein Vorschuss. Ist das Geld direkt auf
Anleihe ausgelegt, so ist dies wörtlich richtig. Ist es im Wechsel-
Diskonto angelegt, so ist es in der That für ihn selbst Vorschuss
bis zum Verfall des Wechsels. So befestigt sich in seinem Kopf
die Vorstellung, dass er keine Zahlungen machen kann, die nicht
Vorschüsse sind. Und zwar Vorschüsse, nicht etwa bloss in dem
Sinn, dass jede Geldanlage zum Zweck des Zins- oder Profit-
machens ökonomisch als ein Vorschuss betrachtet wird, den der be-
treffende Geldbesitzer, in seiner Eigenschaft als Privatmann sich
selbst, in seiner Eigenschaft als Unternehmer, macht. Sondern
Vorschüsse in dem bestimmten Sinn, dass der Bankier dem Kunden
eine Summe leihweise übergibt, die das dem letzteren zur Ver-
fügung stehende Kapital um ebensoviel vermehrt.

Es ist diese Vorstellung, die, aus dem Bankkomptoir in die

weil sie Werth ohne Aequivalent erhalten. Das Verlangen nach
Geld als solchem besteht stets nur in dem Wunsch, Werth aus
der Form von Waare oder Schuldforderung in die Form von Geld
umzusetzen. Daher auch abgesehn von den Krisen, der grosse
Unterschied zwischen Kapitalaufnahme und Diskonto, der bloss
Verwandlung von Geldforderungen aus einer Form in die andre,
oder in wirkliches Geld, zu Wege bringt.

[Ich — der Herausgeber — erlaube mir hier eine Zwischen-
bemerkung.

Bei Norman, wie bei Loyd-Overstone steht der Bankier immer
da als jemand, der „Kapital vorschiesst“, und sein Kunde als der-
jenige, der „Kapital“ von ihm verlangt. So sagt Overstone, jemand
lässt durch ihn Wechsel diskontiren, „weil er Kapital zu er-
langen wünscht“ (3729), und es sei angenehm für denselben Mann,
wenn er „Verfügung über Kapital erhalten kann“ zu niedrigem
Zinsfuss“ (3730). „Geld ist das Instrument, um Kapital zu er-
halten“ (3736), und in einer Panik ist der grosse Wunsch der Ge-
schäftswelt, „Kommando über Kapital zu erhalten“ (3743). Bei
aller Verwirrung Loyd-Overstones über das, was Kapital ist, geht
doch soviel klar hervor, dass er das, was der Bankier dem Ge-
schäftskunden gibt, als Kapital bezeichnet, als ein vom Kunden
vorher nicht besessenes, ihm vorgeschossnes Kapital, das zusätzlich
ist zu dem, worüber der Kunde bisher verfügte.

Der Bankier hat sich so sehr daran gewöhnt, als Vertheiler —
in Form des Verleihens — des in Geldform disponiblen gesell-
schaftlichen Kapitals zu figuriren, dass ihm jede Funktion, wobei
er Geld weggibt, als ein Verleihen vorkommt. Alles Geld, das er
auszahlt, erscheint ihm als ein Vorschuss. Ist das Geld direkt auf
Anleihe ausgelegt, so ist dies wörtlich richtig. Ist es im Wechsel-
Diskonto angelegt, so ist es in der That für ihn selbst Vorschuss
bis zum Verfall des Wechsels. So befestigt sich in seinem Kopf
die Vorstellung, dass er keine Zahlungen machen kann, die nicht
Vorschüsse sind. Und zwar Vorschüsse, nicht etwa bloss in dem
Sinn, dass jede Geldanlage zum Zweck des Zins- oder Profit-
machens ökonomisch als ein Vorschuss betrachtet wird, den der be-
treffende Geldbesitzer, in seiner Eigenschaft als Privatmann sich
selbst, in seiner Eigenschaft als Unternehmer, macht. Sondern
Vorschüsse in dem bestimmten Sinn, dass der Bankier dem Kunden
eine Summe leihweise übergibt, die das dem letzteren zur Ver-
fügung stehende Kapital um ebensoviel vermehrt.

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[414/0448] weil sie Werth ohne Aequivalent erhalten. Das Verlangen nach Geld als solchem besteht stets nur in dem Wunsch, Werth aus der Form von Waare oder Schuldforderung in die Form von Geld umzusetzen. Daher auch abgesehn von den Krisen, der grosse Unterschied zwischen Kapitalaufnahme und Diskonto, der bloss Verwandlung von Geldforderungen aus einer Form in die andre, oder in wirkliches Geld, zu Wege bringt. [Ich — der Herausgeber — erlaube mir hier eine Zwischen- bemerkung. Bei Norman, wie bei Loyd-Overstone steht der Bankier immer da als jemand, der „Kapital vorschiesst“, und sein Kunde als der- jenige, der „Kapital“ von ihm verlangt. So sagt Overstone, jemand lässt durch ihn Wechsel diskontiren, „weil er Kapital zu er- langen wünscht“ (3729), und es sei angenehm für denselben Mann, wenn er „Verfügung über Kapital erhalten kann“ zu niedrigem Zinsfuss“ (3730). „Geld ist das Instrument, um Kapital zu er- halten“ (3736), und in einer Panik ist der grosse Wunsch der Ge- schäftswelt, „Kommando über Kapital zu erhalten“ (3743). Bei aller Verwirrung Loyd-Overstones über das, was Kapital ist, geht doch soviel klar hervor, dass er das, was der Bankier dem Ge- schäftskunden gibt, als Kapital bezeichnet, als ein vom Kunden vorher nicht besessenes, ihm vorgeschossnes Kapital, das zusätzlich ist zu dem, worüber der Kunde bisher verfügte. Der Bankier hat sich so sehr daran gewöhnt, als Vertheiler — in Form des Verleihens — des in Geldform disponiblen gesell- schaftlichen Kapitals zu figuriren, dass ihm jede Funktion, wobei er Geld weggibt, als ein Verleihen vorkommt. Alles Geld, das er auszahlt, erscheint ihm als ein Vorschuss. Ist das Geld direkt auf Anleihe ausgelegt, so ist dies wörtlich richtig. Ist es im Wechsel- Diskonto angelegt, so ist es in der That für ihn selbst Vorschuss bis zum Verfall des Wechsels. So befestigt sich in seinem Kopf die Vorstellung, dass er keine Zahlungen machen kann, die nicht Vorschüsse sind. Und zwar Vorschüsse, nicht etwa bloss in dem Sinn, dass jede Geldanlage zum Zweck des Zins- oder Profit- machens ökonomisch als ein Vorschuss betrachtet wird, den der be- treffende Geldbesitzer, in seiner Eigenschaft als Privatmann sich selbst, in seiner Eigenschaft als Unternehmer, macht. Sondern Vorschüsse in dem bestimmten Sinn, dass der Bankier dem Kunden eine Summe leihweise übergibt, die das dem letzteren zur Ver- fügung stehende Kapital um ebensoviel vermehrt. Es ist diese Vorstellung, die, aus dem Bankkomptoir in die

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/448>, abgerufen am 25.04.2024.