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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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die Profitrate die gemeinsame Quelle von Zins und Unternehmer-
gewinn. Die Zinsrate kann die Profitrate unberührt lassen, aber
nicht den Unternehmergewinn. Antwort Overstone's]: "Erstens
werden Geschäftsleute nicht eine Diskontorate bezahlen, die ihren
Profit wesentlich vorwegnimmt; sie werden lieber ihr Geschäft ein-
stellen." [Jawohl, wenn sie können, ohne sich zu ruiniren. So
lange ihr Profit hoch, zahlen sie den Diskonto, weil sie wollen,
und sobald er niedrig, weil sie müssen.] "Was bedeutet Diskonto?
Warum diskontirt jemand einen Wechsel? ... Weil er ein grössres
Kapital zu erlangen wünscht;" [halte-la! weil er den Geldrückfluss
seines festgelegten Kapitals zu anticipiren und den Stillstand seines
Geschäfts zu vermeiden wünscht. Weil er fällige Zahlung decken
muss. Vermehrtes Kapital verlangt er nur, wenn das Geschäft
gut geht, oder wenn er auf fremdes Kapital spekulirt, selbst
während es schlecht geht. Der Diskonto ist keineswegs bloss
Mittel zur Ausdehnung des Geschäfts.] "Und warum will er das
Kommando über ein grösseres Kapital erhalten? Weil er dies
Kapital anwenden will; und warum will er dies Kapital anwenden?
weil dies profitlich ist; es wäre aber nicht profitlich für ihn, wenn
der Diskonto seinen Profit verschlänge."

Dieser selbstgefällige Logiker unterstellt, dass Wechsel nur dis-
kontirt werden um das Geschäft auszudehnen, und dass das Ge-
schäft ausgedehnt wird, weil es profitlich ist. Die erste Voraus-
setzung ist falsch. Der gewöhnliche Geschäftsmann diskontirt, um
die Geldform seines Kapitals zu anticipiren, und dadurch den Re-
produktionsprocess im Fluss zu erhalten; nicht um das Geschäft
auszudehnen oder Zusatzkapital aufzubringen, sondern um den
Kredit, den er gibt, auszugleichen durch den Kredit, den er nimmt.
Und wenn er sein Geschäft auf Kredit ausdehnen will, wird ihm
das Diskontiren von Wechseln wenig nutzen, das ja bloss ein Um-
satz von schon in seiner Hand befindlichem Geldkapital aus einer
Form in eine andre ist; er wird lieber eine feste Anleihe auf
längere Zeit aufnehmen. Der Kreditritter allerdings wird seine Reit-
wechsel diskontiren lassen um sein Geschäft auszudehnen, um ein
faules Geschäft durch das andre zu decken; nicht um Profit zu
machen, sondern um sich in Besitz von fremdem Kapital zu setzen.

Nachdem Herr Overstone so den Diskonto identificirt mit An-
leihe von Zusatzkapital (statt mit Verwandlung von Wechseln, die
Kapital repräsentiren, in baares Geld) zieht er sich sofort zurück,
sobald ihm die Daumschrauben angesetzt werden. -- "3730. (Frage:)
Müssen nicht Kaufleute, einmal im Geschäft engagirt, ihre Opera-

die Profitrate die gemeinsame Quelle von Zins und Unternehmer-
gewinn. Die Zinsrate kann die Profitrate unberührt lassen, aber
nicht den Unternehmergewinn. Antwort Overstone’s]: „Erstens
werden Geschäftsleute nicht eine Diskontorate bezahlen, die ihren
Profit wesentlich vorwegnimmt; sie werden lieber ihr Geschäft ein-
stellen.“ [Jawohl, wenn sie können, ohne sich zu ruiniren. So
lange ihr Profit hoch, zahlen sie den Diskonto, weil sie wollen,
und sobald er niedrig, weil sie müssen.] „Was bedeutet Diskonto?
Warum diskontirt jemand einen Wechsel? … Weil er ein grössres
Kapital zu erlangen wünscht;“ [halte-là! weil er den Geldrückfluss
seines festgelegten Kapitals zu anticipiren und den Stillstand seines
Geschäfts zu vermeiden wünscht. Weil er fällige Zahlung decken
muss. Vermehrtes Kapital verlangt er nur, wenn das Geschäft
gut geht, oder wenn er auf fremdes Kapital spekulirt, selbst
während es schlecht geht. Der Diskonto ist keineswegs bloss
Mittel zur Ausdehnung des Geschäfts.] „Und warum will er das
Kommando über ein grösseres Kapital erhalten? Weil er dies
Kapital anwenden will; und warum will er dies Kapital anwenden?
weil dies profitlich ist; es wäre aber nicht profitlich für ihn, wenn
der Diskonto seinen Profit verschlänge.“

Dieser selbstgefällige Logiker unterstellt, dass Wechsel nur dis-
kontirt werden um das Geschäft auszudehnen, und dass das Ge-
schäft ausgedehnt wird, weil es profitlich ist. Die erste Voraus-
setzung ist falsch. Der gewöhnliche Geschäftsmann diskontirt, um
die Geldform seines Kapitals zu anticipiren, und dadurch den Re-
produktionsprocess im Fluss zu erhalten; nicht um das Geschäft
auszudehnen oder Zusatzkapital aufzubringen, sondern um den
Kredit, den er gibt, auszugleichen durch den Kredit, den er nimmt.
Und wenn er sein Geschäft auf Kredit ausdehnen will, wird ihm
das Diskontiren von Wechseln wenig nutzen, das ja bloss ein Um-
satz von schon in seiner Hand befindlichem Geldkapital aus einer
Form in eine andre ist; er wird lieber eine feste Anleihe auf
längere Zeit aufnehmen. Der Kreditritter allerdings wird seine Reit-
wechsel diskontiren lassen um sein Geschäft auszudehnen, um ein
faules Geschäft durch das andre zu decken; nicht um Profit zu
machen, sondern um sich in Besitz von fremdem Kapital zu setzen.

Nachdem Herr Overstone so den Diskonto identificirt mit An-
leihe von Zusatzkapital (statt mit Verwandlung von Wechseln, die
Kapital repräsentiren, in baares Geld) zieht er sich sofort zurück,
sobald ihm die Daumschrauben angesetzt werden. — „3730. (Frage:)
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[411/0445] die Profitrate die gemeinsame Quelle von Zins und Unternehmer- gewinn. Die Zinsrate kann die Profitrate unberührt lassen, aber nicht den Unternehmergewinn. Antwort Overstone’s]: „Erstens werden Geschäftsleute nicht eine Diskontorate bezahlen, die ihren Profit wesentlich vorwegnimmt; sie werden lieber ihr Geschäft ein- stellen.“ [Jawohl, wenn sie können, ohne sich zu ruiniren. So lange ihr Profit hoch, zahlen sie den Diskonto, weil sie wollen, und sobald er niedrig, weil sie müssen.] „Was bedeutet Diskonto? Warum diskontirt jemand einen Wechsel? … Weil er ein grössres Kapital zu erlangen wünscht;“ [halte-là! weil er den Geldrückfluss seines festgelegten Kapitals zu anticipiren und den Stillstand seines Geschäfts zu vermeiden wünscht. Weil er fällige Zahlung decken muss. Vermehrtes Kapital verlangt er nur, wenn das Geschäft gut geht, oder wenn er auf fremdes Kapital spekulirt, selbst während es schlecht geht. Der Diskonto ist keineswegs bloss Mittel zur Ausdehnung des Geschäfts.] „Und warum will er das Kommando über ein grösseres Kapital erhalten? Weil er dies Kapital anwenden will; und warum will er dies Kapital anwenden? weil dies profitlich ist; es wäre aber nicht profitlich für ihn, wenn der Diskonto seinen Profit verschlänge.“ Dieser selbstgefällige Logiker unterstellt, dass Wechsel nur dis- kontirt werden um das Geschäft auszudehnen, und dass das Ge- schäft ausgedehnt wird, weil es profitlich ist. Die erste Voraus- setzung ist falsch. Der gewöhnliche Geschäftsmann diskontirt, um die Geldform seines Kapitals zu anticipiren, und dadurch den Re- produktionsprocess im Fluss zu erhalten; nicht um das Geschäft auszudehnen oder Zusatzkapital aufzubringen, sondern um den Kredit, den er gibt, auszugleichen durch den Kredit, den er nimmt. Und wenn er sein Geschäft auf Kredit ausdehnen will, wird ihm das Diskontiren von Wechseln wenig nutzen, das ja bloss ein Um- satz von schon in seiner Hand befindlichem Geldkapital aus einer Form in eine andre ist; er wird lieber eine feste Anleihe auf längere Zeit aufnehmen. Der Kreditritter allerdings wird seine Reit- wechsel diskontiren lassen um sein Geschäft auszudehnen, um ein faules Geschäft durch das andre zu decken; nicht um Profit zu machen, sondern um sich in Besitz von fremdem Kapital zu setzen. Nachdem Herr Overstone so den Diskonto identificirt mit An- leihe von Zusatzkapital (statt mit Verwandlung von Wechseln, die Kapital repräsentiren, in baares Geld) zieht er sich sofort zurück, sobald ihm die Daumschrauben angesetzt werden. — „3730. (Frage:) Müssen nicht Kaufleute, einmal im Geschäft engagirt, ihre Opera-

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/445>, abgerufen am 24.04.2024.