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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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einfache Zinsen zu bezahlen. Endlich reagirt gegen jene unge-
heuren Progressionen, in der sich die Kräfte der Menschen und
ihr Produkt vermehren möchten, wenn das Gesetz der Produktion
oder der Sparsamkeit allein gelten sollen, das Gesetz des Ver-
zehrens, Begehren, Verschwendung." (A.Müller, l.c., II., p.147--149.)

Es ist unmöglich, in wenigen Zeilen mehr haarsträubenden Un-
sinn zusammen zu faseln. Nicht zu erwähnen der drolligen Ver-
wechslung von Arbeiter und Kapitalist, von Werth der Arbeits-
kraft und Zins von Kapital u. s. w., soll die Abnahme des Zinses-
zinses u. A. daraus erklärt werden, dass Kapital ausgeliehen wird,
wo es dann Zinseszins bringt. Das Verfahren unsers Müller ist
für die Romantik in allen Fächern charakteristisch. Ihr Inhalt
besteht aus Alltagsvorurtheilen, abgeschöpft von dem oberfläch-
lichsten Schein der Dinge. Dieser falsche und triviale Inhalt soll
dann durch eine mystificirende Ausdrucksweise "erhöht" und
poetisirt werden.

Der Akkumulationsprocess des Kapitals kann in sofern als Akku-
mulation von Zinseszins aufgefasst werden, als der Theil des Profits
(Mehrwerths) der in Kapital rückverwandelt wird, d. h. zur Auf-
saugung von neuer Mehrarbeit dient, Zins genannt werden kann.
Aber:

1) von allen zufälligen Störungen abgesehn, wird im Lauf des
Reproduktionsprocesses beständig ein grosser Theil des vorhandnen
Kapitals mehr oder weniger entwerthet, weil der Werth der Waaren
bestimmt ist nicht durch die Arbeitszeit, die ihre Produktion ur-
sprünglich kostet, sondern durch die Arbeitszeit, die ihre Repro-
duktion kostet, und diese in Folge der Entwicklung der gesell-
schaftlichen Produktivkraft der Arbeit fortwährend abnimmt. Auf
einer höhern Entwicklungsstufe der gesellschaftlichen Produktivität
erscheint daher alles vorhandne Kapital, statt als das Resultat eines
langen Processes der Kapitalaufsparung, als das Resultat einer ver-
hältnissmäßig sehr kurzen Reproduktionszeit.81)

2) Wie im Abschnitt III dieses Buchs bewiesen, nimmt die Profitrate
ab im Verhältniss zur steigenden Akkumulation des Kapitals und
der ihr entsprechenden steigenden Produktivkraft der gesellschaft-
lichen Arbeit, die sich gerade in der wachsenden relativen Abnahme des
variablen Kapitaltheils, gegenüber dem konstanten, ausdrückt. Um
dieselbe Profitrate hervorzubringen, wenn das von einem Arbeiter
in Bewegung gesetzte konstante Kapital sich verzehnfacht, müsste

81) Sieh Mill und Carey, und Roscher's missverständlichen Kommentar
dazu.

einfache Zinsen zu bezahlen. Endlich reagirt gegen jene unge-
heuren Progressionen, in der sich die Kräfte der Menschen und
ihr Produkt vermehren möchten, wenn das Gesetz der Produktion
oder der Sparsamkeit allein gelten sollen, das Gesetz des Ver-
zehrens, Begehren, Verschwendung.“ (A.Müller, l.c., II., p.147—149.)

Es ist unmöglich, in wenigen Zeilen mehr haarsträubenden Un-
sinn zusammen zu faseln. Nicht zu erwähnen der drolligen Ver-
wechslung von Arbeiter und Kapitalist, von Werth der Arbeits-
kraft und Zins von Kapital u. s. w., soll die Abnahme des Zinses-
zinses u. A. daraus erklärt werden, dass Kapital ausgeliehen wird,
wo es dann Zinseszins bringt. Das Verfahren unsers Müller ist
für die Romantik in allen Fächern charakteristisch. Ihr Inhalt
besteht aus Alltagsvorurtheilen, abgeschöpft von dem oberfläch-
lichsten Schein der Dinge. Dieser falsche und triviale Inhalt soll
dann durch eine mystificirende Ausdrucksweise „erhöht“ und
poetisirt werden.

Der Akkumulationsprocess des Kapitals kann in sofern als Akku-
mulation von Zinseszins aufgefasst werden, als der Theil des Profits
(Mehrwerths) der in Kapital rückverwandelt wird, d. h. zur Auf-
saugung von neuer Mehrarbeit dient, Zins genannt werden kann.
Aber:

1) von allen zufälligen Störungen abgesehn, wird im Lauf des
Reproduktionsprocesses beständig ein grosser Theil des vorhandnen
Kapitals mehr oder weniger entwerthet, weil der Werth der Waaren
bestimmt ist nicht durch die Arbeitszeit, die ihre Produktion ur-
sprünglich kostet, sondern durch die Arbeitszeit, die ihre Repro-
duktion kostet, und diese in Folge der Entwicklung der gesell-
schaftlichen Produktivkraft der Arbeit fortwährend abnimmt. Auf
einer höhern Entwicklungsstufe der gesellschaftlichen Produktivität
erscheint daher alles vorhandne Kapital, statt als das Resultat eines
langen Processes der Kapitalaufsparung, als das Resultat einer ver-
hältnissmäßig sehr kurzen Reproduktionszeit.81)

2) Wie im Abschnitt III dieses Buchs bewiesen, nimmt die Profitrate
ab im Verhältniss zur steigenden Akkumulation des Kapitals und
der ihr entsprechenden steigenden Produktivkraft der gesellschaft-
lichen Arbeit, die sich gerade in der wachsenden relativen Abnahme des
variablen Kapitaltheils, gegenüber dem konstanten, ausdrückt. Um
dieselbe Profitrate hervorzubringen, wenn das von einem Arbeiter
in Bewegung gesetzte konstante Kapital sich verzehnfacht, müsste

81) Sieh Mill und Carey, und Roscher’s missverständlichen Kommentar
dazu.
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[384/0418] einfache Zinsen zu bezahlen. Endlich reagirt gegen jene unge- heuren Progressionen, in der sich die Kräfte der Menschen und ihr Produkt vermehren möchten, wenn das Gesetz der Produktion oder der Sparsamkeit allein gelten sollen, das Gesetz des Ver- zehrens, Begehren, Verschwendung.“ (A.Müller, l.c., II., p.147—149.) Es ist unmöglich, in wenigen Zeilen mehr haarsträubenden Un- sinn zusammen zu faseln. Nicht zu erwähnen der drolligen Ver- wechslung von Arbeiter und Kapitalist, von Werth der Arbeits- kraft und Zins von Kapital u. s. w., soll die Abnahme des Zinses- zinses u. A. daraus erklärt werden, dass Kapital ausgeliehen wird, wo es dann Zinseszins bringt. Das Verfahren unsers Müller ist für die Romantik in allen Fächern charakteristisch. Ihr Inhalt besteht aus Alltagsvorurtheilen, abgeschöpft von dem oberfläch- lichsten Schein der Dinge. Dieser falsche und triviale Inhalt soll dann durch eine mystificirende Ausdrucksweise „erhöht“ und poetisirt werden. Der Akkumulationsprocess des Kapitals kann in sofern als Akku- mulation von Zinseszins aufgefasst werden, als der Theil des Profits (Mehrwerths) der in Kapital rückverwandelt wird, d. h. zur Auf- saugung von neuer Mehrarbeit dient, Zins genannt werden kann. Aber: 1) von allen zufälligen Störungen abgesehn, wird im Lauf des Reproduktionsprocesses beständig ein grosser Theil des vorhandnen Kapitals mehr oder weniger entwerthet, weil der Werth der Waaren bestimmt ist nicht durch die Arbeitszeit, die ihre Produktion ur- sprünglich kostet, sondern durch die Arbeitszeit, die ihre Repro- duktion kostet, und diese in Folge der Entwicklung der gesell- schaftlichen Produktivkraft der Arbeit fortwährend abnimmt. Auf einer höhern Entwicklungsstufe der gesellschaftlichen Produktivität erscheint daher alles vorhandne Kapital, statt als das Resultat eines langen Processes der Kapitalaufsparung, als das Resultat einer ver- hältnissmäßig sehr kurzen Reproduktionszeit. 81) 2) Wie im Abschnitt III dieses Buchs bewiesen, nimmt die Profitrate ab im Verhältniss zur steigenden Akkumulation des Kapitals und der ihr entsprechenden steigenden Produktivkraft der gesellschaft- lichen Arbeit, die sich gerade in der wachsenden relativen Abnahme des variablen Kapitaltheils, gegenüber dem konstanten, ausdrückt. Um dieselbe Profitrate hervorzubringen, wenn das von einem Arbeiter in Bewegung gesetzte konstante Kapital sich verzehnfacht, müsste 81) Sieh Mill und Carey, und Roscher’s missverständlichen Kommentar dazu.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/418>, abgerufen am 29.03.2024.