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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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Bestimmung des mittlern Zinsfusses, soweit dieser nicht nur als
Durchschnittszahl, sondern als faktische Grösse existirt. Ein mitt-
lerer Zinsfuss muss schon in vielen Rechtsstreitigkeiten, wo Zinsen
zu berechnen, als legal angenommen werden. Fragt man nun
weiter, warum die Grenzen des mittlern Zinsfusses nicht aus all-
gemeinen Gesetzen abzuleiten sind, so liegt die Antwort einfach
in der Natur des Zinses. Er ist bloss ein Theil des Durchschnitts-
profits. Dasselbe Kapital erscheint in doppelter Bestimmung, als
leihbares Kapital in der Hand des Verleihers, als industrielles oder
kommercielles Kapital in den Händen des fungirenden Kapitalisten.
Aber es fungirt nur einmal und producirt selbst den Profit nur
einmal. Im Produktionsprocess selbst spielt der Charakter des
Kapitals als verleihbares keine Rolle. Wie sich die beiden Per-
sonen darin theilen, die Ansprüche auf diesen Profit haben, ist an
und für sich eine ebenso rein empirische, dem Reich des Zu-
fälligen angehörige Thatsache wie die Theilung der Procentantheile
des gemeinschaftlichen Profits eines Kompagniegeschäfts unter die
verschiednen Theilhaber. Bei der Theilung zwischen Mehrwerth
und Arbeitslohn, worauf die Bestimmung der Profitrate wesentlich
beruht, wirken zwei ganz verschiedne Elemente, Arbeitskraft und
Kapital, bestimmend ein; es sind Funktionen zweier unabhängigen
Variablen, die sich gegenseitig Grenzen setzen; und aus ihrem
qualitativen Unterschied geht die quantitative Theilung
des producirten Werths hervor. Man wird später sehn, dass das-
selbe stattfindet bei der Theilung des Mehrwerths zwischen Rente
und Profit. Bei dem Zins findet nichts derartiges statt. Hier
geht die qualitative Unterscheidung, wie wir gleich sehn
werden, umgekehrt aus der rein quantitativen Theilung des-
selben Stücks des Mehrwerths hervor.

Aus dem bisher Entwickelten ergibt sich, dass es keine "natür-
liche" Zinsrate giebt. Wenn aber auf der einen Seite im Gegen-
satz zur allgemeinen Profitrate der mittlere Zinsfuss oder die
Durchschnittsrate des Zinses, im Unterschied von den beständig
schwankenden Marktraten des Zinses, in seinen Grenzen durch kein
allgemeines Gesetz feststellbar ist, weil es sich nur um Theilung
des Bruttoprofits zwischen zwei Besitzern des Kapitals, unter ver-
schiednen Titeln, handelt, erscheint umgekehrt der Zinsfuss, sei es
der mittlere, sei es die jedesmalige Marktrate, ganz anders als eine
gleichmäßige, bestimmte und handgreifliche Grösse als dies bei der
allgemeinen Profitrate der Fall ist.69)


69) "Der Preis der Waaren schwankt" beständig; sie sind alle für ver-

Bestimmung des mittlern Zinsfusses, soweit dieser nicht nur als
Durchschnittszahl, sondern als faktische Grösse existirt. Ein mitt-
lerer Zinsfuss muss schon in vielen Rechtsstreitigkeiten, wo Zinsen
zu berechnen, als legal angenommen werden. Fragt man nun
weiter, warum die Grenzen des mittlern Zinsfusses nicht aus all-
gemeinen Gesetzen abzuleiten sind, so liegt die Antwort einfach
in der Natur des Zinses. Er ist bloss ein Theil des Durchschnitts-
profits. Dasselbe Kapital erscheint in doppelter Bestimmung, als
leihbares Kapital in der Hand des Verleihers, als industrielles oder
kommercielles Kapital in den Händen des fungirenden Kapitalisten.
Aber es fungirt nur einmal und producirt selbst den Profit nur
einmal. Im Produktionsprocess selbst spielt der Charakter des
Kapitals als verleihbares keine Rolle. Wie sich die beiden Per-
sonen darin theilen, die Ansprüche auf diesen Profit haben, ist an
und für sich eine ebenso rein empirische, dem Reich des Zu-
fälligen angehörige Thatsache wie die Theilung der Procentantheile
des gemeinschaftlichen Profits eines Kompagniegeschäfts unter die
verschiednen Theilhaber. Bei der Theilung zwischen Mehrwerth
und Arbeitslohn, worauf die Bestimmung der Profitrate wesentlich
beruht, wirken zwei ganz verschiedne Elemente, Arbeitskraft und
Kapital, bestimmend ein; es sind Funktionen zweier unabhängigen
Variablen, die sich gegenseitig Grenzen setzen; und aus ihrem
qualitativen Unterschied geht die quantitative Theilung
des producirten Werths hervor. Man wird später sehn, dass das-
selbe stattfindet bei der Theilung des Mehrwerths zwischen Rente
und Profit. Bei dem Zins findet nichts derartiges statt. Hier
geht die qualitative Unterscheidung, wie wir gleich sehn
werden, umgekehrt aus der rein quantitativen Theilung des-
selben Stücks des Mehrwerths hervor.

Aus dem bisher Entwickelten ergibt sich, dass es keine „natür-
liche“ Zinsrate giebt. Wenn aber auf der einen Seite im Gegen-
satz zur allgemeinen Profitrate der mittlere Zinsfuss oder die
Durchschnittsrate des Zinses, im Unterschied von den beständig
schwankenden Marktraten des Zinses, in seinen Grenzen durch kein
allgemeines Gesetz feststellbar ist, weil es sich nur um Theilung
des Bruttoprofits zwischen zwei Besitzern des Kapitals, unter ver-
schiednen Titeln, handelt, erscheint umgekehrt der Zinsfuss, sei es
der mittlere, sei es die jedesmalige Marktrate, ganz anders als eine
gleichmäßige, bestimmte und handgreifliche Grösse als dies bei der
allgemeinen Profitrate der Fall ist.69)


69) „Der Preis der Waaren schwankt“ beständig; sie sind alle für ver-
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[349/0383] Bestimmung des mittlern Zinsfusses, soweit dieser nicht nur als Durchschnittszahl, sondern als faktische Grösse existirt. Ein mitt- lerer Zinsfuss muss schon in vielen Rechtsstreitigkeiten, wo Zinsen zu berechnen, als legal angenommen werden. Fragt man nun weiter, warum die Grenzen des mittlern Zinsfusses nicht aus all- gemeinen Gesetzen abzuleiten sind, so liegt die Antwort einfach in der Natur des Zinses. Er ist bloss ein Theil des Durchschnitts- profits. Dasselbe Kapital erscheint in doppelter Bestimmung, als leihbares Kapital in der Hand des Verleihers, als industrielles oder kommercielles Kapital in den Händen des fungirenden Kapitalisten. Aber es fungirt nur einmal und producirt selbst den Profit nur einmal. Im Produktionsprocess selbst spielt der Charakter des Kapitals als verleihbares keine Rolle. Wie sich die beiden Per- sonen darin theilen, die Ansprüche auf diesen Profit haben, ist an und für sich eine ebenso rein empirische, dem Reich des Zu- fälligen angehörige Thatsache wie die Theilung der Procentantheile des gemeinschaftlichen Profits eines Kompagniegeschäfts unter die verschiednen Theilhaber. Bei der Theilung zwischen Mehrwerth und Arbeitslohn, worauf die Bestimmung der Profitrate wesentlich beruht, wirken zwei ganz verschiedne Elemente, Arbeitskraft und Kapital, bestimmend ein; es sind Funktionen zweier unabhängigen Variablen, die sich gegenseitig Grenzen setzen; und aus ihrem qualitativen Unterschied geht die quantitative Theilung des producirten Werths hervor. Man wird später sehn, dass das- selbe stattfindet bei der Theilung des Mehrwerths zwischen Rente und Profit. Bei dem Zins findet nichts derartiges statt. Hier geht die qualitative Unterscheidung, wie wir gleich sehn werden, umgekehrt aus der rein quantitativen Theilung des- selben Stücks des Mehrwerths hervor. Aus dem bisher Entwickelten ergibt sich, dass es keine „natür- liche“ Zinsrate giebt. Wenn aber auf der einen Seite im Gegen- satz zur allgemeinen Profitrate der mittlere Zinsfuss oder die Durchschnittsrate des Zinses, im Unterschied von den beständig schwankenden Marktraten des Zinses, in seinen Grenzen durch kein allgemeines Gesetz feststellbar ist, weil es sich nur um Theilung des Bruttoprofits zwischen zwei Besitzern des Kapitals, unter ver- schiednen Titeln, handelt, erscheint umgekehrt der Zinsfuss, sei es der mittlere, sei es die jedesmalige Marktrate, ganz anders als eine gleichmäßige, bestimmte und handgreifliche Grösse als dies bei der allgemeinen Profitrate der Fall ist. 69) 69) „Der Preis der Waaren schwankt“ beständig; sie sind alle für ver-

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/383>, abgerufen am 25.04.2024.