Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

und als seine Voraussetzung beibehält. So z. B. war grossentheils
noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts der Fabrikant in der
französischen Seidenindustrie, der englischen Strumpfwaaren- und
Spitzenindustrie bloss nominell Fabrikant, in Wirklichkeit blosser
Kaufmann, der die Weber in ihrer alten zersplitterten Weise fort-
arbeiten lässt, und nur die Herrschaft des Kaufmanns ausübt, für
den sie in der That arbeiten.52) Diese Manier steht überall der
wirklichen kapitalistischen Produktionsweise im Wege, und geht
unter mit deren Entwicklung. Ohne die Produktionsweise um-
zuwälzen, verschlechtert sie nur die Lage der unmittelbaren Produ-
centen, verwandelt sie in blosse Lohnarbeiter und Proletarier unter
schlechtern Bedingungen, als die direkt unter das Kapital subsu-
mirten, und eignet sich ihre Mehrarbeit auf Basis der alten Pro-
duktionsweise an. Etwas modificirt besteht dasselbe Verhältniss
bei einem Theil der Londoner handwerksmäßig betriebnen Möbel-
fabrikation. Sie wird namentlich in den Tower Hamlets auf sehr
ausgebreitetem Fuss betrieben. Die ganze Produktion ist in sehr
viele von einander unabhängige Geschäftszweige getheilt. Das eine
Geschäft macht bloss Stühle, das andre bloss Tische, das dritte
bloss Schränke u. s. w. Aber diese Geschäfte selbst werden mehr
oder weniger handwerksmäßig betrieben, von einem kleinen Meister
mit wenigen Gesellen. Dennoch ist die Produktion zu massenhaft,
um direkt für Private zu arbeiten. Ihre Käufer sind die Besitzer
von Möbelmagazinen. Am Sonnabend begibt sich der Meister zu
ihnen und verkauft sein Produkt, wobei ganz so über den Preis
geschachert wird, wie im Pfandhaus üher den Vorschuss auf dies
oder jenes Stück. Diese Meister bedürfen des wöchentlichen Ver-
kaufs, schon um für die nächste Woche wieder Rohmaterial kaufen
und Arbeitslohn auszahlen zu können. Unter diesen Umständen
sind sie eigentlich nur Zwischenschieber zwischen dem Kaufmann
und ihren eignen Arbeitern. Der Kaufmann ist der eigentliche
Kapitalist, der den grössten Theil des Mehrwerths in die Tasche
steckt.53) So ähnlich beim Uebergang in die Manufaktur aus den
Zweigen, die früher handwerksmäßig oder als Nebenzweige der
ländlichen Industrie betrieben worden. Je nach der technischen

52) Dasselbe galt von der rheinischen Band- und Litzenwirkerei und Seiden-
weberei. Bei Krefeld ist sogar eine eigene Eisenbahn für den Verkehr dieser
ländlichen Handweber mit den städtischen "Fabrikanten" gebaut, aber seit-
dem mitsammt den Handwebern durch die mechanische Weberei brach ge-
legt worden. -- F. E.
53) Dies System ist seit 1865 auf noch weit grösserem Fuss ausgebildet
worden. Ausführliches darüber im First Report of the Select Committee of
the House of Lords on the Sweating System, London 1888. -- F. E.

und als seine Voraussetzung beibehält. So z. B. war grossentheils
noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts der Fabrikant in der
französischen Seidenindustrie, der englischen Strumpfwaaren- und
Spitzenindustrie bloss nominell Fabrikant, in Wirklichkeit blosser
Kaufmann, der die Weber in ihrer alten zersplitterten Weise fort-
arbeiten lässt, und nur die Herrschaft des Kaufmanns ausübt, für
den sie in der That arbeiten.52) Diese Manier steht überall der
wirklichen kapitalistischen Produktionsweise im Wege, und geht
unter mit deren Entwicklung. Ohne die Produktionsweise um-
zuwälzen, verschlechtert sie nur die Lage der unmittelbaren Produ-
centen, verwandelt sie in blosse Lohnarbeiter und Proletarier unter
schlechtern Bedingungen, als die direkt unter das Kapital subsu-
mirten, und eignet sich ihre Mehrarbeit auf Basis der alten Pro-
duktionsweise an. Etwas modificirt besteht dasselbe Verhältniss
bei einem Theil der Londoner handwerksmäßig betriebnen Möbel-
fabrikation. Sie wird namentlich in den Tower Hamlets auf sehr
ausgebreitetem Fuss betrieben. Die ganze Produktion ist in sehr
viele von einander unabhängige Geschäftszweige getheilt. Das eine
Geschäft macht bloss Stühle, das andre bloss Tische, das dritte
bloss Schränke u. s. w. Aber diese Geschäfte selbst werden mehr
oder weniger handwerksmäßig betrieben, von einem kleinen Meister
mit wenigen Gesellen. Dennoch ist die Produktion zu massenhaft,
um direkt für Private zu arbeiten. Ihre Käufer sind die Besitzer
von Möbelmagazinen. Am Sonnabend begibt sich der Meister zu
ihnen und verkauft sein Produkt, wobei ganz so über den Preis
geschachert wird, wie im Pfandhaus üher den Vorschuss auf dies
oder jenes Stück. Diese Meister bedürfen des wöchentlichen Ver-
kaufs, schon um für die nächste Woche wieder Rohmaterial kaufen
und Arbeitslohn auszahlen zu können. Unter diesen Umständen
sind sie eigentlich nur Zwischenschieber zwischen dem Kaufmann
und ihren eignen Arbeitern. Der Kaufmann ist der eigentliche
Kapitalist, der den grössten Theil des Mehrwerths in die Tasche
steckt.53) So ähnlich beim Uebergang in die Manufaktur aus den
Zweigen, die früher handwerksmäßig oder als Nebenzweige der
ländlichen Industrie betrieben worden. Je nach der technischen

52) Dasselbe galt von der rheinischen Band- und Litzenwirkerei und Seiden-
weberei. Bei Krefeld ist sogar eine eigene Eisenbahn für den Verkehr dieser
ländlichen Handweber mit den städtischen „Fabrikanten“ gebaut, aber seit-
dem mitsammt den Handwebern durch die mechanische Weberei brach ge-
legt worden. — F. E.
53) Dies System ist seit 1865 auf noch weit grösserem Fuss ausgebildet
worden. Ausführliches darüber im First Report of the Select Committee of
the House of Lords on the Sweating System, London 1888. — F. E.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0353" n="319"/>
und als seine Voraussetzung beibehält. So z. B. war grossentheils<lb/>
noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts der Fabrikant in der<lb/>
französischen Seidenindustrie, der englischen Strumpfwaaren- und<lb/>
Spitzenindustrie bloss nominell Fabrikant, in Wirklichkeit blosser<lb/>
Kaufmann, der die Weber in ihrer alten zersplitterten Weise fort-<lb/>
arbeiten lässt, und nur die Herrschaft des Kaufmanns ausübt, für<lb/>
den sie in der That arbeiten.<note place="foot" n="52)">Dasselbe galt von der rheinischen Band- und Litzenwirkerei und Seiden-<lb/>
weberei. Bei Krefeld ist sogar eine eigene Eisenbahn für den Verkehr dieser<lb/>
ländlichen Handweber mit den städtischen &#x201E;Fabrikanten&#x201C; gebaut, aber seit-<lb/>
dem mitsammt den Handwebern durch die mechanische Weberei brach ge-<lb/>
legt worden. &#x2014; F. E.</note> Diese Manier steht überall der<lb/>
wirklichen kapitalistischen Produktionsweise im Wege, und geht<lb/>
unter mit deren Entwicklung. Ohne die Produktionsweise um-<lb/>
zuwälzen, verschlechtert sie nur die Lage der unmittelbaren Produ-<lb/>
centen, verwandelt sie in blosse Lohnarbeiter und Proletarier unter<lb/>
schlechtern Bedingungen, als die direkt unter das Kapital subsu-<lb/>
mirten, und eignet sich ihre Mehrarbeit auf Basis der alten Pro-<lb/>
duktionsweise an. Etwas modificirt besteht dasselbe Verhältniss<lb/>
bei einem Theil der Londoner handwerksmäßig betriebnen Möbel-<lb/>
fabrikation. Sie wird namentlich in den Tower Hamlets auf sehr<lb/>
ausgebreitetem Fuss betrieben. Die ganze Produktion ist in sehr<lb/>
viele von einander unabhängige Geschäftszweige getheilt. Das eine<lb/>
Geschäft macht bloss Stühle, das andre bloss Tische, das dritte<lb/>
bloss Schränke u. s. w. Aber diese Geschäfte selbst werden mehr<lb/>
oder weniger handwerksmäßig betrieben, von einem kleinen Meister<lb/>
mit wenigen Gesellen. Dennoch ist die Produktion zu massenhaft,<lb/>
um direkt für Private zu arbeiten. Ihre Käufer sind die Besitzer<lb/>
von Möbelmagazinen. Am Sonnabend begibt sich der Meister zu<lb/>
ihnen und verkauft sein Produkt, wobei ganz so über den Preis<lb/>
geschachert wird, wie im Pfandhaus üher den Vorschuss auf dies<lb/>
oder jenes Stück. Diese Meister bedürfen des wöchentlichen Ver-<lb/>
kaufs, schon um für die nächste Woche wieder Rohmaterial kaufen<lb/>
und Arbeitslohn auszahlen zu können. Unter diesen Umständen<lb/>
sind sie eigentlich nur Zwischenschieber zwischen dem Kaufmann<lb/>
und ihren eignen Arbeitern. Der Kaufmann ist der eigentliche<lb/>
Kapitalist, der den grössten Theil des Mehrwerths in die Tasche<lb/>
steckt.<note place="foot" n="53)">Dies System ist seit 1865 auf noch weit grösserem Fuss ausgebildet<lb/>
worden. Ausführliches darüber im First Report of the Select Committee of<lb/>
the House of Lords on the Sweating System, London 1888. &#x2014; F. E.</note> So ähnlich beim Uebergang in die Manufaktur aus den<lb/>
Zweigen, die früher handwerksmäßig oder als Nebenzweige der<lb/>
ländlichen Industrie betrieben worden. Je nach der technischen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0353] und als seine Voraussetzung beibehält. So z. B. war grossentheils noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts der Fabrikant in der französischen Seidenindustrie, der englischen Strumpfwaaren- und Spitzenindustrie bloss nominell Fabrikant, in Wirklichkeit blosser Kaufmann, der die Weber in ihrer alten zersplitterten Weise fort- arbeiten lässt, und nur die Herrschaft des Kaufmanns ausübt, für den sie in der That arbeiten. 52) Diese Manier steht überall der wirklichen kapitalistischen Produktionsweise im Wege, und geht unter mit deren Entwicklung. Ohne die Produktionsweise um- zuwälzen, verschlechtert sie nur die Lage der unmittelbaren Produ- centen, verwandelt sie in blosse Lohnarbeiter und Proletarier unter schlechtern Bedingungen, als die direkt unter das Kapital subsu- mirten, und eignet sich ihre Mehrarbeit auf Basis der alten Pro- duktionsweise an. Etwas modificirt besteht dasselbe Verhältniss bei einem Theil der Londoner handwerksmäßig betriebnen Möbel- fabrikation. Sie wird namentlich in den Tower Hamlets auf sehr ausgebreitetem Fuss betrieben. Die ganze Produktion ist in sehr viele von einander unabhängige Geschäftszweige getheilt. Das eine Geschäft macht bloss Stühle, das andre bloss Tische, das dritte bloss Schränke u. s. w. Aber diese Geschäfte selbst werden mehr oder weniger handwerksmäßig betrieben, von einem kleinen Meister mit wenigen Gesellen. Dennoch ist die Produktion zu massenhaft, um direkt für Private zu arbeiten. Ihre Käufer sind die Besitzer von Möbelmagazinen. Am Sonnabend begibt sich der Meister zu ihnen und verkauft sein Produkt, wobei ganz so über den Preis geschachert wird, wie im Pfandhaus üher den Vorschuss auf dies oder jenes Stück. Diese Meister bedürfen des wöchentlichen Ver- kaufs, schon um für die nächste Woche wieder Rohmaterial kaufen und Arbeitslohn auszahlen zu können. Unter diesen Umständen sind sie eigentlich nur Zwischenschieber zwischen dem Kaufmann und ihren eignen Arbeitern. Der Kaufmann ist der eigentliche Kapitalist, der den grössten Theil des Mehrwerths in die Tasche steckt. 53) So ähnlich beim Uebergang in die Manufaktur aus den Zweigen, die früher handwerksmäßig oder als Nebenzweige der ländlichen Industrie betrieben worden. Je nach der technischen 52) Dasselbe galt von der rheinischen Band- und Litzenwirkerei und Seiden- weberei. Bei Krefeld ist sogar eine eigene Eisenbahn für den Verkehr dieser ländlichen Handweber mit den städtischen „Fabrikanten“ gebaut, aber seit- dem mitsammt den Handwebern durch die mechanische Weberei brach ge- legt worden. — F. E. 53) Dies System ist seit 1865 auf noch weit grösserem Fuss ausgebildet worden. Ausführliches darüber im First Report of the Select Committee of the House of Lords on the Sweating System, London 1888. — F. E.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/353
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/353>, abgerufen am 25.04.2024.