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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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tionsweise ist hier gebildet durch die Einheit kleiner Agrikultur
und häuslicher Industrie, wobei noch in Indien die Form der auf
Gemeineigenthum am Boden beruhenden Dorfgemeinden hinzu-
kommt, die übrigens auch in China die ursprüngliche Form war.
In Indien wandten die Engländer zugleich ihre unmittelbare poli-
tische und ökonomische Macht, als Herrscher und Grundrentner,
an um diese kleinen ökonomischen Gemeinwesen zu sprengen.50)
Soweit ihr Handel hier revolutionirend auf die Produktionsweise
wirkt, ist es nur, soweit sie durch den niedrigen Preis ihrer Waaren
die Spinnerei und Weberei, die einen uralt-integrirenden Theil dieser
Einheit der industriell-agrikolen Produktion bildet, vernichten, und
so die Gemeinwesen zerreissen. Selbst hier gelingt ihnen dies
Auflösungswerk nur sehr allmälig. Noch weniger in China, wo
die unmittelbare politische Macht nicht zu Hülfe kommt. Die
grosse Oekonomie und Zeitersparung, die aus der unmittelbaren
Verbindung von Ackerbau und Manufaktur hervorgehn, bieten hier
hartnäckigsten Widerstand den Produkten der grossen Industrie,
in deren Preis die faux frais des sie überall durchlöchernden Cir-
kulationsprocesses eingehn. Im Gegensatz zum englischen Handel
lässt dagegen der russische die ökonomische Grundlage der asia-
tischen Produktion unangetastet.51)

Der Uebergang aus der feudalen Produktionsweise macht sich
doppelt. Der Producent wird Kaufmann und Kapitalist, im Gegen-
satz zur agrikolen Naturalwirthschaft und zum zünftig gebundnen
Handwerk der mittelalterlichen städtischen Industrie. Dies ist der
wirklich revolutionirende Weg. Oder aber, der Kaufmann be-
mächtigt sich der Produktion unmittelbar. So sehr der letztre Weg
historisch als Uebergang wirkt -- wie z. B. der englische Clothier
des 17. Jahrhunderts, der die Weber, die aber selbständig sind,
unter seine Kontrolle bringt, ihnen ihre Wolle verkauft und ihr
Tuch abkauft -- so wenig bringt er es an und für sich zur Um-
wälzung der alten Produktionsweise, die er vielmehr konservirt

50) Wenn die Geschichte irgend eines Volks, bietet die Wirthschaft der
Engländer in Indien die Geschichte verfehlter und wirklich alberner (in der
Praxis infamer) ökonomischer Experimente. In Bengalen schufen sie eine
Karrikatur des englischen grossen Grundeigenthums; im südöstlichen Indien
eine Karrikatur des Parcelleneigenthums: im Nordwesten verwandelten sie,
soviel an ihnen, das indische ökonomische Gemeinwesen mit Gemeineigen-
thum am Boden in eine Karrikatur seiner selbst.
51) Seitdem Russland die krampfhaftesten Anstrengungen macht, eine eigne
kapitalistische Produktion zu entwickeln, die ausschliesslich auf den innern
und den angrenzenden asiatischen Markt angewiesen ist, fängt dies auch an
anders zu werden. -- F. E.

tionsweise ist hier gebildet durch die Einheit kleiner Agrikultur
und häuslicher Industrie, wobei noch in Indien die Form der auf
Gemeineigenthum am Boden beruhenden Dorfgemeinden hinzu-
kommt, die übrigens auch in China die ursprüngliche Form war.
In Indien wandten die Engländer zugleich ihre unmittelbare poli-
tische und ökonomische Macht, als Herrscher und Grundrentner,
an um diese kleinen ökonomischen Gemeinwesen zu sprengen.50)
Soweit ihr Handel hier revolutionirend auf die Produktionsweise
wirkt, ist es nur, soweit sie durch den niedrigen Preis ihrer Waaren
die Spinnerei und Weberei, die einen uralt-integrirenden Theil dieser
Einheit der industriell-agrikolen Produktion bildet, vernichten, und
so die Gemeinwesen zerreissen. Selbst hier gelingt ihnen dies
Auflösungswerk nur sehr allmälig. Noch weniger in China, wo
die unmittelbare politische Macht nicht zu Hülfe kommt. Die
grosse Oekonomie und Zeitersparung, die aus der unmittelbaren
Verbindung von Ackerbau und Manufaktur hervorgehn, bieten hier
hartnäckigsten Widerstand den Produkten der grossen Industrie,
in deren Preis die faux frais des sie überall durchlöchernden Cir-
kulationsprocesses eingehn. Im Gegensatz zum englischen Handel
lässt dagegen der russische die ökonomische Grundlage der asia-
tischen Produktion unangetastet.51)

Der Uebergang aus der feudalen Produktionsweise macht sich
doppelt. Der Producent wird Kaufmann und Kapitalist, im Gegen-
satz zur agrikolen Naturalwirthschaft und zum zünftig gebundnen
Handwerk der mittelalterlichen städtischen Industrie. Dies ist der
wirklich revolutionirende Weg. Oder aber, der Kaufmann be-
mächtigt sich der Produktion unmittelbar. So sehr der letztre Weg
historisch als Uebergang wirkt — wie z. B. der englische Clothier
des 17. Jahrhunderts, der die Weber, die aber selbständig sind,
unter seine Kontrolle bringt, ihnen ihre Wolle verkauft und ihr
Tuch abkauft — so wenig bringt er es an und für sich zur Um-
wälzung der alten Produktionsweise, die er vielmehr konservirt

50) Wenn die Geschichte irgend eines Volks, bietet die Wirthschaft der
Engländer in Indien die Geschichte verfehlter und wirklich alberner (in der
Praxis infamer) ökonomischer Experimente. In Bengalen schufen sie eine
Karrikatur des englischen grossen Grundeigenthums; im südöstlichen Indien
eine Karrikatur des Parcelleneigenthums: im Nordwesten verwandelten sie,
soviel an ihnen, das indische ökonomische Gemeinwesen mit Gemeineigen-
thum am Boden in eine Karrikatur seiner selbst.
51) Seitdem Russland die krampfhaftesten Anstrengungen macht, eine eigne
kapitalistische Produktion zu entwickeln, die ausschliesslich auf den innern
und den angrenzenden asiatischen Markt angewiesen ist, fängt dies auch an
anders zu werden. — F. E.
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[318/0352] tionsweise ist hier gebildet durch die Einheit kleiner Agrikultur und häuslicher Industrie, wobei noch in Indien die Form der auf Gemeineigenthum am Boden beruhenden Dorfgemeinden hinzu- kommt, die übrigens auch in China die ursprüngliche Form war. In Indien wandten die Engländer zugleich ihre unmittelbare poli- tische und ökonomische Macht, als Herrscher und Grundrentner, an um diese kleinen ökonomischen Gemeinwesen zu sprengen. 50) Soweit ihr Handel hier revolutionirend auf die Produktionsweise wirkt, ist es nur, soweit sie durch den niedrigen Preis ihrer Waaren die Spinnerei und Weberei, die einen uralt-integrirenden Theil dieser Einheit der industriell-agrikolen Produktion bildet, vernichten, und so die Gemeinwesen zerreissen. Selbst hier gelingt ihnen dies Auflösungswerk nur sehr allmälig. Noch weniger in China, wo die unmittelbare politische Macht nicht zu Hülfe kommt. Die grosse Oekonomie und Zeitersparung, die aus der unmittelbaren Verbindung von Ackerbau und Manufaktur hervorgehn, bieten hier hartnäckigsten Widerstand den Produkten der grossen Industrie, in deren Preis die faux frais des sie überall durchlöchernden Cir- kulationsprocesses eingehn. Im Gegensatz zum englischen Handel lässt dagegen der russische die ökonomische Grundlage der asia- tischen Produktion unangetastet. 51) Der Uebergang aus der feudalen Produktionsweise macht sich doppelt. Der Producent wird Kaufmann und Kapitalist, im Gegen- satz zur agrikolen Naturalwirthschaft und zum zünftig gebundnen Handwerk der mittelalterlichen städtischen Industrie. Dies ist der wirklich revolutionirende Weg. Oder aber, der Kaufmann be- mächtigt sich der Produktion unmittelbar. So sehr der letztre Weg historisch als Uebergang wirkt — wie z. B. der englische Clothier des 17. Jahrhunderts, der die Weber, die aber selbständig sind, unter seine Kontrolle bringt, ihnen ihre Wolle verkauft und ihr Tuch abkauft — so wenig bringt er es an und für sich zur Um- wälzung der alten Produktionsweise, die er vielmehr konservirt 50) Wenn die Geschichte irgend eines Volks, bietet die Wirthschaft der Engländer in Indien die Geschichte verfehlter und wirklich alberner (in der Praxis infamer) ökonomischer Experimente. In Bengalen schufen sie eine Karrikatur des englischen grossen Grundeigenthums; im südöstlichen Indien eine Karrikatur des Parcelleneigenthums: im Nordwesten verwandelten sie, soviel an ihnen, das indische ökonomische Gemeinwesen mit Gemeineigen- thum am Boden in eine Karrikatur seiner selbst. 51) Seitdem Russland die krampfhaftesten Anstrengungen macht, eine eigne kapitalistische Produktion zu entwickeln, die ausschliesslich auf den innern und den angrenzenden asiatischen Markt angewiesen ist, fängt dies auch an anders zu werden. — F. E.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/352>, abgerufen am 25.04.2024.