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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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Gemeinwesen vermittelt, erscheint der kommerzielle Profit nicht nur
als Uebervortheilung und Prellerei, sondern entspringt grossen-
theils aus ihr. Abgesehn davon, dass es den Unterschied zwischen
den Produktionspreisen verschiedner Länder ausbeutet (und in dieser
Beziehung wirkt es hin auf die Ausgleichung und Festsetzung der
Waarenwerthe) bringen es jene Produktionsweisen mit sich, dass
das Kaufmannskapital sich einen überwiegenden Theil des Mehr-
produkts aneignet, theils als Zwischenschieber zwischen Gemein-
wesen, deren Produktion noch wesentlich auf den Gebrauchswerth
gerichtet ist, und für deren ökonomische Organisation der Verkauf
des überhaupt in Cirkulation tretenden Produktentheils, also über-
haupt der Verkauf der Produkte zu ihrem Werth von untergeord-
neter Wichtigkeit ist; theils weil in jenen frühern Produktions-
weisen die Hauptbesitzer des Mehrprodukts, mit denen der Kauf-
mann handelt, der Sklavenhalter, der feudale Grundherr, der Staat
(z. B. der orientalische Despot) den geniessenden Reichthum vor-
stellen, dem der Kaufmann Fallen stellt, wie schon A. Smith in
der angeführten Stelle für die Feudalzeit richtig herausgewittert
hat. Das Handelskapital in überwiegender Herrschaft stellt also
überall ein System der Plünderung dar,48) wie denn auch seine

48) "Nun ist bei den Kaufleuten eine grosse Klage über die Edelleut oder
Räuber, wie sie mit grosser Fahr müssen handeln, und werden drüber ge-
fangen, geschlagen, geschazt und beraubt. Wenn sie aber solches um der
Gerechtigkeit willen litten: so wären freilich die Kaufleut heilige Leut ...
Aber weil solch gross Unrecht und unchristliche Dieberei und Räuberei über
die ganze Welt durch die Kaufleut, auch selbst unter einander, geschieht:
was ist Wunder, ob Gott schafft, dass solch gross Gut, mit Unrecht ge-
wonnen, wiederum verloren oder geraubt wird, und sie selbst dazu über die
Köpfe geschlagen oder gefangen werden? ... Und den Fürsten gebürt solch
unrechte Kaufhändel mit ordentlicher Gewalt zu strafen und zu weren, dass
ihre Untertanen nicht so schändlich von den Kaufleuten geschunden würden.
Weil sie das nicht thun: so braucht Gott der Reuter und Räuber, und straft
durch sie das Unrecht an den Kaufleuten, und müssen seine Teufel sein:
gleich wie er Aegyptenland und alle Welt mit Teufeln plagt, oder mit
Feinden verderbt. Also stäubt er einen Buben mit dem andern, ohn dass
er dadurch zu verstehen giebt, dass Reuter geringre Räuber sind dann die
Kaufleut: sintemal die Kaufleut täglich die ganze Welt rauben, wo ein
Reuter im Jahr einmal oder zwei, einen oder zween beraubt." -- "Gehet
nach dem Spruch Esau: deine Fürsten sind der Diebe Gesellen geworden.
Die weil lassen sie Diebe hängen, die einen Gülden oder einen halben ge-
stolen haben; und hantiren mit denen, die alle Welt berauben, und stehlen
sicherer denn alle andre, dass ja das Sprüchwort war bleibe: grosse Diebe
hängen die kleinen Diebe; und wie der römische Ratsherr Cato sprach:
Schlechte Diebe liegen in Thürmen und Stöcken, aber öffentliche Diebe gehen
in Gold und Seiden. Was wird aber zuletzt Gott dazu sagen? Er wird thun
wie er zu Ezechiel spricht, Fürsten und Kaufleut, einen Dieb mit dem
andern, in einander schmelzen, wie Blei und Erzt, gleich als wenn eine Stadt
ausbrennt, dass weder Fürsten noch Kaufleut mer seien." (Martin Luther,
Bücher vom Kaufhandel und Wucher. Vom Jahr 1527.)

Gemeinwesen vermittelt, erscheint der kommerzielle Profit nicht nur
als Uebervortheilung und Prellerei, sondern entspringt grossen-
theils aus ihr. Abgesehn davon, dass es den Unterschied zwischen
den Produktionspreisen verschiedner Länder ausbeutet (und in dieser
Beziehung wirkt es hin auf die Ausgleichung und Festsetzung der
Waarenwerthe) bringen es jene Produktionsweisen mit sich, dass
das Kaufmannskapital sich einen überwiegenden Theil des Mehr-
produkts aneignet, theils als Zwischenschieber zwischen Gemein-
wesen, deren Produktion noch wesentlich auf den Gebrauchswerth
gerichtet ist, und für deren ökonomische Organisation der Verkauf
des überhaupt in Cirkulation tretenden Produktentheils, also über-
haupt der Verkauf der Produkte zu ihrem Werth von untergeord-
neter Wichtigkeit ist; theils weil in jenen frühern Produktions-
weisen die Hauptbesitzer des Mehrprodukts, mit denen der Kauf-
mann handelt, der Sklavenhalter, der feudale Grundherr, der Staat
(z. B. der orientalische Despot) den geniessenden Reichthum vor-
stellen, dem der Kaufmann Fallen stellt, wie schon A. Smith in
der angeführten Stelle für die Feudalzeit richtig herausgewittert
hat. Das Handelskapital in überwiegender Herrschaft stellt also
überall ein System der Plünderung dar,48) wie denn auch seine

48) „Nun ist bei den Kaufleuten eine grosse Klage über die Edelleut oder
Räuber, wie sie mit grosser Fahr müssen handeln, und werden drüber ge-
fangen, geschlagen, geschazt und beraubt. Wenn sie aber solches um der
Gerechtigkeit willen litten: so wären freilich die Kaufleut heilige Leut …
Aber weil solch gross Unrecht und unchristliche Dieberei und Räuberei über
die ganze Welt durch die Kaufleut, auch selbst unter einander, geschieht:
was ist Wunder, ob Gott schafft, dass solch gross Gut, mit Unrecht ge-
wonnen, wiederum verloren oder geraubt wird, und sie selbst dazu über die
Köpfe geschlagen oder gefangen werden? … Und den Fürsten gebürt solch
unrechte Kaufhändel mit ordentlicher Gewalt zu strafen und zu weren, dass
ihre Untertanen nicht so schändlich von den Kaufleuten geschunden würden.
Weil sie das nicht thun: so braucht Gott der Reuter und Räuber, und straft
durch sie das Unrecht an den Kaufleuten, und müssen seine Teufel sein:
gleich wie er Aegyptenland und alle Welt mit Teufeln plagt, oder mit
Feinden verderbt. Also stäubt er einen Buben mit dem andern, ohn dass
er dadurch zu verstehen giebt, dass Reuter geringre Räuber sind dann die
Kaufleut: sintemal die Kaufleut täglich die ganze Welt rauben, wo ein
Reuter im Jahr einmal oder zwei, einen oder zween beraubt.“ — „Gehet
nach dem Spruch Esau: deine Fürsten sind der Diebe Gesellen geworden.
Die weil lassen sie Diebe hängen, die einen Gülden oder einen halben ge-
stolen haben; und hantiren mit denen, die alle Welt berauben, und stehlen
sicherer denn alle andre, dass ja das Sprüchwort war bleibe: grosse Diebe
hängen die kleinen Diebe; und wie der römische Ratsherr Cato sprach:
Schlechte Diebe liegen in Thürmen und Stöcken, aber öffentliche Diebe gehen
in Gold und Seiden. Was wird aber zuletzt Gott dazu sagen? Er wird thun
wie er zu Ezechiel spricht, Fürsten und Kaufleut, einen Dieb mit dem
andern, in einander schmelzen, wie Blei und Erzt, gleich als wenn eine Stadt
ausbrennt, dass weder Fürsten noch Kaufleut mer seien.“ (Martin Luther,
Bücher vom Kaufhandel und Wucher. Vom Jahr 1527.)
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[315/0349] Gemeinwesen vermittelt, erscheint der kommerzielle Profit nicht nur als Uebervortheilung und Prellerei, sondern entspringt grossen- theils aus ihr. Abgesehn davon, dass es den Unterschied zwischen den Produktionspreisen verschiedner Länder ausbeutet (und in dieser Beziehung wirkt es hin auf die Ausgleichung und Festsetzung der Waarenwerthe) bringen es jene Produktionsweisen mit sich, dass das Kaufmannskapital sich einen überwiegenden Theil des Mehr- produkts aneignet, theils als Zwischenschieber zwischen Gemein- wesen, deren Produktion noch wesentlich auf den Gebrauchswerth gerichtet ist, und für deren ökonomische Organisation der Verkauf des überhaupt in Cirkulation tretenden Produktentheils, also über- haupt der Verkauf der Produkte zu ihrem Werth von untergeord- neter Wichtigkeit ist; theils weil in jenen frühern Produktions- weisen die Hauptbesitzer des Mehrprodukts, mit denen der Kauf- mann handelt, der Sklavenhalter, der feudale Grundherr, der Staat (z. B. der orientalische Despot) den geniessenden Reichthum vor- stellen, dem der Kaufmann Fallen stellt, wie schon A. Smith in der angeführten Stelle für die Feudalzeit richtig herausgewittert hat. Das Handelskapital in überwiegender Herrschaft stellt also überall ein System der Plünderung dar, 48) wie denn auch seine 48) „Nun ist bei den Kaufleuten eine grosse Klage über die Edelleut oder Räuber, wie sie mit grosser Fahr müssen handeln, und werden drüber ge- fangen, geschlagen, geschazt und beraubt. Wenn sie aber solches um der Gerechtigkeit willen litten: so wären freilich die Kaufleut heilige Leut … Aber weil solch gross Unrecht und unchristliche Dieberei und Räuberei über die ganze Welt durch die Kaufleut, auch selbst unter einander, geschieht: was ist Wunder, ob Gott schafft, dass solch gross Gut, mit Unrecht ge- wonnen, wiederum verloren oder geraubt wird, und sie selbst dazu über die Köpfe geschlagen oder gefangen werden? … Und den Fürsten gebürt solch unrechte Kaufhändel mit ordentlicher Gewalt zu strafen und zu weren, dass ihre Untertanen nicht so schändlich von den Kaufleuten geschunden würden. Weil sie das nicht thun: so braucht Gott der Reuter und Räuber, und straft durch sie das Unrecht an den Kaufleuten, und müssen seine Teufel sein: gleich wie er Aegyptenland und alle Welt mit Teufeln plagt, oder mit Feinden verderbt. Also stäubt er einen Buben mit dem andern, ohn dass er dadurch zu verstehen giebt, dass Reuter geringre Räuber sind dann die Kaufleut: sintemal die Kaufleut täglich die ganze Welt rauben, wo ein Reuter im Jahr einmal oder zwei, einen oder zween beraubt.“ — „Gehet nach dem Spruch Esau: deine Fürsten sind der Diebe Gesellen geworden. Die weil lassen sie Diebe hängen, die einen Gülden oder einen halben ge- stolen haben; und hantiren mit denen, die alle Welt berauben, und stehlen sicherer denn alle andre, dass ja das Sprüchwort war bleibe: grosse Diebe hängen die kleinen Diebe; und wie der römische Ratsherr Cato sprach: Schlechte Diebe liegen in Thürmen und Stöcken, aber öffentliche Diebe gehen in Gold und Seiden. Was wird aber zuletzt Gott dazu sagen? Er wird thun wie er zu Ezechiel spricht, Fürsten und Kaufleut, einen Dieb mit dem andern, in einander schmelzen, wie Blei und Erzt, gleich als wenn eine Stadt ausbrennt, dass weder Fürsten noch Kaufleut mer seien.“ (Martin Luther, Bücher vom Kaufhandel und Wucher. Vom Jahr 1527.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/349>, abgerufen am 18.04.2024.