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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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schichte des Zwischenhandels (carrying trade), wie bei Venetianern,
Genuesern, Holländern etc., wo also der Hauptgewinn gemacht wird
nicht durch Ausfuhr der eignen Landesprodukte, sondern durch Ver-
mittlung des Austausches der Produkte kommerziell und sonst öko-
nomisch unentwickelter Gemeinwesen, und durch Exploitation beider
Produktionsländer.47) Hier ist das Kaufmannskapital rein, abge-
trennt von den Extremen, den Produktionssphären, zwischen denen
es vermittelt. Es ist dies eine Hauptquelle seiner Bildung. Aber
dies Monopol des Zwischenhandels verfällt, und damit dieser Handel
selbst, im selben Verhältniss wie die ökonomische Entwicklung der
Völker fortschreitet, die es beiderseits exploitirte, und deren Unent-
wickeltheit seine Existenzbasis war. Beim Zwischenhandel erscheint
dies nicht nur als Verfall eines besondren Handelszweigs, sondern
auch als Verfall des Uebergewichts reiner Handelsvölker und ihres
kommerziellen Reichthums überhaupt, der auf der Basis dieses
Zwischenhandels beruhte. Es ist dies nur eine besondre Form,
worin die Unterordnung des kommerziellen Kapitals unter das in-
dustrielle im Fortschritt der Entwicklung der kapitalistischen Pro-
duktion sich ausdrückt. Von der Art und Weise übrigens, wie
das Kaufmannskapital da wirthschaftet, wo es direkt die Produk-
tion beherrscht, bietet schlagendes Exempel nicht nur die Kolonial-
wirthschaft überhaupt (das sog. Kolonialsystem) sondern ganz
speciell die Wirthschaft der alten holländisch-ostindischen Kompagnie.

Da die Bewegung des kaufmännischen Kapitals G--W--G' ist,
so wird der Profit des Kaufmanns erstens gemacht durch Akte,
die nur innerhalb des Cirkulationsprocesses vorgehn, also gemacht
in den zwei Akten des Kaufs und Verkaufs; und zweitens wird er
realisirt im letzten Akt, dem Verkauf. Es ist also Veräusserungs-
profit, profit upon alienation. Prima facie erscheint der reine, un-
abhängige Handelsprofit unmöglich, solange Produkte zu ihren
Werthen verkauft werden. Wohlfeil kaufen um theuer zu ver-
kaufen, ist das Gesetz des Handels. Also nicht der Austausch von
Aequivalenten. Der Begriff des Werths ist insofern darin ein-

47) "Die Bewohner der Handelsstädte führten aus reichern Ländern ver-
feinerte Manufakturwaaren und kostspielige Luxusartikel ein, und boten so
der Eitelkeit der grossen Grundeigenthümer Nahrung, die diese Waaren be-
gierig kauften und grosse Mengen vom Rohproduktihrer Ländereien dafür zahlten.
So bestand der Handel eines grossen Theils von Europa in dieser Zeit im Aus-
tausch des Rohprodukts eines Landes gegen die Manufakturprodukte eines
in der Industrie fortgeschrittnern Landes. . . . Sobald dieser Geschmack sich
verallgemeinerte und eine bedeutende Nachfrage veranlasste, fingen die Kauf-
leute an, um die Frachtkosten zu sparen, ähnliche Manufakturen in ihrem
eignen Lande anzulegen." (A. Smith. Book III, chap. III.)

schichte des Zwischenhandels (carrying trade), wie bei Venetianern,
Genuesern, Holländern etc., wo also der Hauptgewinn gemacht wird
nicht durch Ausfuhr der eignen Landesprodukte, sondern durch Ver-
mittlung des Austausches der Produkte kommerziell und sonst öko-
nomisch unentwickelter Gemeinwesen, und durch Exploitation beider
Produktionsländer.47) Hier ist das Kaufmannskapital rein, abge-
trennt von den Extremen, den Produktionssphären, zwischen denen
es vermittelt. Es ist dies eine Hauptquelle seiner Bildung. Aber
dies Monopol des Zwischenhandels verfällt, und damit dieser Handel
selbst, im selben Verhältniss wie die ökonomische Entwicklung der
Völker fortschreitet, die es beiderseits exploitirte, und deren Unent-
wickeltheit seine Existenzbasis war. Beim Zwischenhandel erscheint
dies nicht nur als Verfall eines besondren Handelszweigs, sondern
auch als Verfall des Uebergewichts reiner Handelsvölker und ihres
kommerziellen Reichthums überhaupt, der auf der Basis dieses
Zwischenhandels beruhte. Es ist dies nur eine besondre Form,
worin die Unterordnung des kommerziellen Kapitals unter das in-
dustrielle im Fortschritt der Entwicklung der kapitalistischen Pro-
duktion sich ausdrückt. Von der Art und Weise übrigens, wie
das Kaufmannskapital da wirthschaftet, wo es direkt die Produk-
tion beherrscht, bietet schlagendes Exempel nicht nur die Kolonial-
wirthschaft überhaupt (das sog. Kolonialsystem) sondern ganz
speciell die Wirthschaft der alten holländisch-ostindischen Kompagnie.

Da die Bewegung des kaufmännischen Kapitals G—W—G' ist,
so wird der Profit des Kaufmanns erstens gemacht durch Akte,
die nur innerhalb des Cirkulationsprocesses vorgehn, also gemacht
in den zwei Akten des Kaufs und Verkaufs; und zweitens wird er
realisirt im letzten Akt, dem Verkauf. Es ist also Veräusserungs-
profit, profit upon alienation. Prima facie erscheint der reine, un-
abhängige Handelsprofit unmöglich, solange Produkte zu ihren
Werthen verkauft werden. Wohlfeil kaufen um theuer zu ver-
kaufen, ist das Gesetz des Handels. Also nicht der Austausch von
Aequivalenten. Der Begriff des Werths ist insofern darin ein-

47) „Die Bewohner der Handelsstädte führten aus reichern Ländern ver-
feinerte Manufakturwaaren und kostspielige Luxusartikel ein, und boten so
der Eitelkeit der grossen Grundeigenthümer Nahrung, die diese Waaren be-
gierig kauften und grosse Mengen vom Rohproduktihrer Ländereien dafür zahlten.
So bestand der Handel eines grossen Theils von Europa in dieser Zeit im Aus-
tausch des Rohprodukts eines Landes gegen die Manufakturprodukte eines
in der Industrie fortgeschrittnern Landes. . . . Sobald dieser Geschmack sich
verallgemeinerte und eine bedeutende Nachfrage veranlasste, fingen die Kauf-
leute an, um die Frachtkosten zu sparen, ähnliche Manufakturen in ihrem
eignen Lande anzulegen.“ (A. Smith. Book III, chap. III.)
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[313/0347] schichte des Zwischenhandels (carrying trade), wie bei Venetianern, Genuesern, Holländern etc., wo also der Hauptgewinn gemacht wird nicht durch Ausfuhr der eignen Landesprodukte, sondern durch Ver- mittlung des Austausches der Produkte kommerziell und sonst öko- nomisch unentwickelter Gemeinwesen, und durch Exploitation beider Produktionsländer. 47) Hier ist das Kaufmannskapital rein, abge- trennt von den Extremen, den Produktionssphären, zwischen denen es vermittelt. Es ist dies eine Hauptquelle seiner Bildung. Aber dies Monopol des Zwischenhandels verfällt, und damit dieser Handel selbst, im selben Verhältniss wie die ökonomische Entwicklung der Völker fortschreitet, die es beiderseits exploitirte, und deren Unent- wickeltheit seine Existenzbasis war. Beim Zwischenhandel erscheint dies nicht nur als Verfall eines besondren Handelszweigs, sondern auch als Verfall des Uebergewichts reiner Handelsvölker und ihres kommerziellen Reichthums überhaupt, der auf der Basis dieses Zwischenhandels beruhte. Es ist dies nur eine besondre Form, worin die Unterordnung des kommerziellen Kapitals unter das in- dustrielle im Fortschritt der Entwicklung der kapitalistischen Pro- duktion sich ausdrückt. Von der Art und Weise übrigens, wie das Kaufmannskapital da wirthschaftet, wo es direkt die Produk- tion beherrscht, bietet schlagendes Exempel nicht nur die Kolonial- wirthschaft überhaupt (das sog. Kolonialsystem) sondern ganz speciell die Wirthschaft der alten holländisch-ostindischen Kompagnie. Da die Bewegung des kaufmännischen Kapitals G—W—G' ist, so wird der Profit des Kaufmanns erstens gemacht durch Akte, die nur innerhalb des Cirkulationsprocesses vorgehn, also gemacht in den zwei Akten des Kaufs und Verkaufs; und zweitens wird er realisirt im letzten Akt, dem Verkauf. Es ist also Veräusserungs- profit, profit upon alienation. Prima facie erscheint der reine, un- abhängige Handelsprofit unmöglich, solange Produkte zu ihren Werthen verkauft werden. Wohlfeil kaufen um theuer zu ver- kaufen, ist das Gesetz des Handels. Also nicht der Austausch von Aequivalenten. Der Begriff des Werths ist insofern darin ein- 47) „Die Bewohner der Handelsstädte führten aus reichern Ländern ver- feinerte Manufakturwaaren und kostspielige Luxusartikel ein, und boten so der Eitelkeit der grossen Grundeigenthümer Nahrung, die diese Waaren be- gierig kauften und grosse Mengen vom Rohproduktihrer Ländereien dafür zahlten. So bestand der Handel eines grossen Theils von Europa in dieser Zeit im Aus- tausch des Rohprodukts eines Landes gegen die Manufakturprodukte eines in der Industrie fortgeschrittnern Landes. . . . Sobald dieser Geschmack sich verallgemeinerte und eine bedeutende Nachfrage veranlasste, fingen die Kauf- leute an, um die Frachtkosten zu sparen, ähnliche Manufakturen in ihrem eignen Lande anzulegen.“ (A. Smith. Book III, chap. III.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/347>, abgerufen am 23.04.2024.