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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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Werthsteigerung und Entwerthung des variablen Kapitals drücken
weiter nichts aus als diese beiden Fälle -- so entspricht, bei
gleichbleibender Länge des Arbeitstags, Fallen des Mehrwerths
dieser Werthsteigerung und Wachsen des Mehrwerths dieser Ent-
werthung. Aber es können hiermit zugleich auch andre Umstände
-- Freisetzung und Bindung von Kapital -- verbunden sein, die
vorher nicht untersucht wurden, und die jetzt kurz angegeben
werden sollen.

Sinkt der Arbeitslohn in Folge eines Werthfalls der Arbeits-
kraft (womit sogar Steigen im realen Preis der Arbeit verbunden
sein kann), so wird also ein Theil des Kapitals, der bisher in
Arbeitslohn ausgelegt war, freigesetzt. Es findet Freisetzung von
variablem Kapital statt. Für neu anzulegendes Kapital hat dies
einfach die Wirkung, dass es mit erhöhter Rate des Mehrwerths
arbeitet. Es wird mit weniger Geld als früher dasselbe Quantum
Arbeit in Bewegung gesetzt, und so erhöht sich der unbezahlte
Theil der Arbeit auf Kosten des bezahlten. Aber für bisher be-
schäftigtes Kapital erhöht sich nicht nur die Rate des Mehrwerths,
sondern ausserdem wird ein Theil des bisher in Arbeitslohn aus-
gelegten Kapitals frei. Er war bisher gebunden und bildete einen
ständigen Theil, der vom Erlös des Produkts abging, in Arbeits-
lohn ausgelegt werden, als variables Kapital fungiren musste, sollte
das Geschäft auf der alten Stufenleiter fortgehn. Jetzt wird dieser
Theil disponibel, und kann also benutzt werden als neue Kapital-
anlage, sei es zur Erweiterung desselben Geschäfts, sei es zur
Funktion in einer andern Produktionssphäre.

Nehmen wir z. B. an, es seien anfänglich 500 £ erheischt ge-
wesen, um 500 Arbeiter wöchentlich in Bewegung zu setzen, und
es seien jetzt nur noch 400 £ dazu erheischt. Dann war, wenn
die Masse des producirten Werths beidemal = 1000 £, die Masse
des wöchentlichen Mehrwerths das erste Mal = 500 £, die Mehr-
werthsrathe = 100 %; aber nach der Lohnsenkung wird die
Masse des Mehrwerths 1000 £ -- 400 £ = 600 £ und seine
Rate = 150 %. Und diese Erhöhung der Mehrwerthsrate
ist die einzige Wirkung für den, der mit einem variablen Kapital
von 400 £ und entsprechendem konstanten Kapital ein neues Ge-
schäft in derselben Produktionssphäre anlegt. Aber in einem be-
reits fungirenden Geschäft ist in diesem Fall nicht nur in Folge
der Entwerthung des variablen Kapitals die Mehrwerthsmasse von
500 auf 600 £ und die Mehrwerthsrate von 100 auf 150 % ge-

Werthsteigerung und Entwerthung des variablen Kapitals drücken
weiter nichts aus als diese beiden Fälle — so entspricht, bei
gleichbleibender Länge des Arbeitstags, Fallen des Mehrwerths
dieser Werthsteigerung und Wachsen des Mehrwerths dieser Ent-
werthung. Aber es können hiermit zugleich auch andre Umstände
— Freisetzung und Bindung von Kapital — verbunden sein, die
vorher nicht untersucht wurden, und die jetzt kurz angegeben
werden sollen.

Sinkt der Arbeitslohn in Folge eines Werthfalls der Arbeits-
kraft (womit sogar Steigen im realen Preis der Arbeit verbunden
sein kann), so wird also ein Theil des Kapitals, der bisher in
Arbeitslohn ausgelegt war, freigesetzt. Es findet Freisetzung von
variablem Kapital statt. Für neu anzulegendes Kapital hat dies
einfach die Wirkung, dass es mit erhöhter Rate des Mehrwerths
arbeitet. Es wird mit weniger Geld als früher dasselbe Quantum
Arbeit in Bewegung gesetzt, und so erhöht sich der unbezahlte
Theil der Arbeit auf Kosten des bezahlten. Aber für bisher be-
schäftigtes Kapital erhöht sich nicht nur die Rate des Mehrwerths,
sondern ausserdem wird ein Theil des bisher in Arbeitslohn aus-
gelegten Kapitals frei. Er war bisher gebunden und bildete einen
ständigen Theil, der vom Erlös des Produkts abging, in Arbeits-
lohn ausgelegt werden, als variables Kapital fungiren musste, sollte
das Geschäft auf der alten Stufenleiter fortgehn. Jetzt wird dieser
Theil disponibel, und kann also benutzt werden als neue Kapital-
anlage, sei es zur Erweiterung desselben Geschäfts, sei es zur
Funktion in einer andern Produktionssphäre.

Nehmen wir z. B. an, es seien anfänglich 500 £ erheischt ge-
wesen, um 500 Arbeiter wöchentlich in Bewegung zu setzen, und
es seien jetzt nur noch 400 £ dazu erheischt. Dann war, wenn
die Masse des producirten Werths beidemal = 1000 £, die Masse
des wöchentlichen Mehrwerths das erste Mal = 500 £, die Mehr-
werthsrathe = 100 %; aber nach der Lohnsenkung wird die
Masse des Mehrwerths 1000 £ — 400 £ = 600 £ und seine
Rate = 150 %. Und diese Erhöhung der Mehrwerthsrate
ist die einzige Wirkung für den, der mit einem variablen Kapital
von 400 £ und entsprechendem konstanten Kapital ein neues Ge-
schäft in derselben Produktionssphäre anlegt. Aber in einem be-
reits fungirenden Geschäft ist in diesem Fall nicht nur in Folge
der Entwerthung des variablen Kapitals die Mehrwerthsmasse von
500 auf 600 £ und die Mehrwerthsrate von 100 auf 150 % ge-

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[91/0125] Werthsteigerung und Entwerthung des variablen Kapitals drücken weiter nichts aus als diese beiden Fälle — so entspricht, bei gleichbleibender Länge des Arbeitstags, Fallen des Mehrwerths dieser Werthsteigerung und Wachsen des Mehrwerths dieser Ent- werthung. Aber es können hiermit zugleich auch andre Umstände — Freisetzung und Bindung von Kapital — verbunden sein, die vorher nicht untersucht wurden, und die jetzt kurz angegeben werden sollen. Sinkt der Arbeitslohn in Folge eines Werthfalls der Arbeits- kraft (womit sogar Steigen im realen Preis der Arbeit verbunden sein kann), so wird also ein Theil des Kapitals, der bisher in Arbeitslohn ausgelegt war, freigesetzt. Es findet Freisetzung von variablem Kapital statt. Für neu anzulegendes Kapital hat dies einfach die Wirkung, dass es mit erhöhter Rate des Mehrwerths arbeitet. Es wird mit weniger Geld als früher dasselbe Quantum Arbeit in Bewegung gesetzt, und so erhöht sich der unbezahlte Theil der Arbeit auf Kosten des bezahlten. Aber für bisher be- schäftigtes Kapital erhöht sich nicht nur die Rate des Mehrwerths, sondern ausserdem wird ein Theil des bisher in Arbeitslohn aus- gelegten Kapitals frei. Er war bisher gebunden und bildete einen ständigen Theil, der vom Erlös des Produkts abging, in Arbeits- lohn ausgelegt werden, als variables Kapital fungiren musste, sollte das Geschäft auf der alten Stufenleiter fortgehn. Jetzt wird dieser Theil disponibel, und kann also benutzt werden als neue Kapital- anlage, sei es zur Erweiterung desselben Geschäfts, sei es zur Funktion in einer andern Produktionssphäre. Nehmen wir z. B. an, es seien anfänglich 500 £ erheischt ge- wesen, um 500 Arbeiter wöchentlich in Bewegung zu setzen, und es seien jetzt nur noch 400 £ dazu erheischt. Dann war, wenn die Masse des producirten Werths beidemal = 1000 £, die Masse des wöchentlichen Mehrwerths das erste Mal = 500 £, die Mehr- werthsrathe [FORMEL] = 100 %; aber nach der Lohnsenkung wird die Masse des Mehrwerths 1000 £ — 400 £ = 600 £ und seine Rate [FORMEL] = 150 %. Und diese Erhöhung der Mehrwerthsrate ist die einzige Wirkung für den, der mit einem variablen Kapital von 400 £ und entsprechendem konstanten Kapital ein neues Ge- schäft in derselben Produktionssphäre anlegt. Aber in einem be- reits fungirenden Geschäft ist in diesem Fall nicht nur in Folge der Entwerthung des variablen Kapitals die Mehrwerthsmasse von 500 auf 600 £ und die Mehrwerthsrate von 100 auf 150 % ge-

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/125>, abgerufen am 29.03.2024.