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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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Werkstatt wahrscheinlich 10--14 Stunden gearbeitet; die zu Hause
arbeiten, sind regelmäßig 12 oder 13 Stunden am Werk. In der
Konfektion von Damenmänteln, Kragen, Hemden etc., die Arbeit
mit der Nähmaschine einbegriffen, sind die in der gemeinsamen
Werkstatt zugebrachten Stunden weniger, meist nicht mehr als
10--12; aber, sagt Dr. Ord, "die regelmäßigen Arbeitsstunden sind
in gewissen Häusern zu gewissen Zeiten bedeutender Ausdehnung
unterworfen durch besonders bezahlte Ueberstunden, und in andern
Häusern wird Arbeit mit nach Hause genommen, um nach der
regelmäßigen Arbeitszeit fertig gemacht zu werden: Die eine wie
die andre Art der Ueberarbeit, können wir hinzufügen, ist oft
zwangsmäßig." (p. 28.) John Simon bemerkt in einer Note zu
dieser Seite: "Herr Redcliffe, der Sekretär der Epidemiological
Society, der besonders viel Gelegenheit hatte, die Gesundheit von
Putzmacherinnen der ersten Geschäftshäuser zu prüfen, fand auf je
20 Mädchen die von sich sagten, sie seien "ganz wohl", nur eine
gesund; die übrigen zeigten verschiedne Grade physischer Kräfte-
abspannung, nervöser Erschöpfung, und zahlreicher daherstammen-
der Funktionsstörungen. Er gibt als Gründe an: in erster Instanz
die Länge der Arbeitsstunden, die er im Minimum auf 12 täglich
selbst in der stillen Jahreszeit schätzt; und zweitens "Ueberfüllung
und schlechte Lüftung der Werkstätten, durch Gasflammen ver-
dorbne Luft, ungenügende oder schlechte Nahrung, und Mangel an
Sorge für häuslichen Komfort."

Der Schluss zu dem der Chef des englischen Gesundheitsamts
kommt, ist der, dass "es für die Arbeiter praktisch unmöglich ist,
auf dem zu bestehn, was theoretisch ihr erstes Gesundheitsrecht
ist: das Recht, dass, zur Vollendung welcher Arbeit ihr Beschäf-
tiger sie auch zusammenbringt, diese gemeinsame Arbeit, soweit
an ihm liegt und auf seine Kosten, von allen unnöthigen gesund-
heitsschädlichen Umständen befreit werden soll; und dass, während
die Arbeiter selbst thatsächlich nicht im Stande sind, diese sanitäre
Justiz für sich selbst zu erzwingen, sie ebenso wenig, trotz der
präsumirten Absicht des Gesetzgebers, irgend welchen wirksamen
Beistand erwarten können von den Beamten, die die Nuisances
Removal Acts durchzuführen haben." (p. 29.) -- "Ohne Zweifel
wird es einige kleine technische Schwierigkeiten machen, die ge-
naue Grenze zu bestimmen, von welcher an die Beschäftiger der
Regulirung unterworfen werden sollen. Aber ... im Prinzip ist
der Anspruch auf Gesundheitsschonung universell. Und im Interesse
von Myriaden Arbeiter und Arbeiterinnen, deren Leben jetzt ohne

Werkstatt wahrscheinlich 10—14 Stunden gearbeitet; die zu Hause
arbeiten, sind regelmäßig 12 oder 13 Stunden am Werk. In der
Konfektion von Damenmänteln, Kragen, Hemden etc., die Arbeit
mit der Nähmaschine einbegriffen, sind die in der gemeinsamen
Werkstatt zugebrachten Stunden weniger, meist nicht mehr als
10—12; aber, sagt Dr. Ord, „die regelmäßigen Arbeitsstunden sind
in gewissen Häusern zu gewissen Zeiten bedeutender Ausdehnung
unterworfen durch besonders bezahlte Ueberstunden, und in andern
Häusern wird Arbeit mit nach Hause genommen, um nach der
regelmäßigen Arbeitszeit fertig gemacht zu werden: Die eine wie
die andre Art der Ueberarbeit, können wir hinzufügen, ist oft
zwangsmäßig.“ (p. 28.) John Simon bemerkt in einer Note zu
dieser Seite: „Herr Redcliffe, der Sekretär der Epidemiological
Society, der besonders viel Gelegenheit hatte, die Gesundheit von
Putzmacherinnen der ersten Geschäftshäuser zu prüfen, fand auf je
20 Mädchen die von sich sagten, sie seien „ganz wohl“, nur eine
gesund; die übrigen zeigten verschiedne Grade physischer Kräfte-
abspannung, nervöser Erschöpfung, und zahlreicher daherstammen-
der Funktionsstörungen. Er gibt als Gründe an: in erster Instanz
die Länge der Arbeitsstunden, die er im Minimum auf 12 täglich
selbst in der stillen Jahreszeit schätzt; und zweitens „Ueberfüllung
und schlechte Lüftung der Werkstätten, durch Gasflammen ver-
dorbne Luft, ungenügende oder schlechte Nahrung, und Mangel an
Sorge für häuslichen Komfort.“

Der Schluss zu dem der Chef des englischen Gesundheitsamts
kommt, ist der, dass „es für die Arbeiter praktisch unmöglich ist,
auf dem zu bestehn, was theoretisch ihr erstes Gesundheitsrecht
ist: das Recht, dass, zur Vollendung welcher Arbeit ihr Beschäf-
tiger sie auch zusammenbringt, diese gemeinsame Arbeit, soweit
an ihm liegt und auf seine Kosten, von allen unnöthigen gesund-
heitsschädlichen Umständen befreit werden soll; und dass, während
die Arbeiter selbst thatsächlich nicht im Stande sind, diese sanitäre
Justiz für sich selbst zu erzwingen, sie ebenso wenig, trotz der
präsumirten Absicht des Gesetzgebers, irgend welchen wirksamen
Beistand erwarten können von den Beamten, die die Nuisances
Removal Acts durchzuführen haben.“ (p. 29.) — „Ohne Zweifel
wird es einige kleine technische Schwierigkeiten machen, die ge-
naue Grenze zu bestimmen, von welcher an die Beschäftiger der
Regulirung unterworfen werden sollen. Aber … im Prinzip ist
der Anspruch auf Gesundheitsschonung universell. Und im Interesse
von Myriaden Arbeiter und Arbeiterinnen, deren Leben jetzt ohne

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[71/0105] Werkstatt wahrscheinlich 10—14 Stunden gearbeitet; die zu Hause arbeiten, sind regelmäßig 12 oder 13 Stunden am Werk. In der Konfektion von Damenmänteln, Kragen, Hemden etc., die Arbeit mit der Nähmaschine einbegriffen, sind die in der gemeinsamen Werkstatt zugebrachten Stunden weniger, meist nicht mehr als 10—12; aber, sagt Dr. Ord, „die regelmäßigen Arbeitsstunden sind in gewissen Häusern zu gewissen Zeiten bedeutender Ausdehnung unterworfen durch besonders bezahlte Ueberstunden, und in andern Häusern wird Arbeit mit nach Hause genommen, um nach der regelmäßigen Arbeitszeit fertig gemacht zu werden: Die eine wie die andre Art der Ueberarbeit, können wir hinzufügen, ist oft zwangsmäßig.“ (p. 28.) John Simon bemerkt in einer Note zu dieser Seite: „Herr Redcliffe, der Sekretär der Epidemiological Society, der besonders viel Gelegenheit hatte, die Gesundheit von Putzmacherinnen der ersten Geschäftshäuser zu prüfen, fand auf je 20 Mädchen die von sich sagten, sie seien „ganz wohl“, nur eine gesund; die übrigen zeigten verschiedne Grade physischer Kräfte- abspannung, nervöser Erschöpfung, und zahlreicher daherstammen- der Funktionsstörungen. Er gibt als Gründe an: in erster Instanz die Länge der Arbeitsstunden, die er im Minimum auf 12 täglich selbst in der stillen Jahreszeit schätzt; und zweitens „Ueberfüllung und schlechte Lüftung der Werkstätten, durch Gasflammen ver- dorbne Luft, ungenügende oder schlechte Nahrung, und Mangel an Sorge für häuslichen Komfort.“ Der Schluss zu dem der Chef des englischen Gesundheitsamts kommt, ist der, dass „es für die Arbeiter praktisch unmöglich ist, auf dem zu bestehn, was theoretisch ihr erstes Gesundheitsrecht ist: das Recht, dass, zur Vollendung welcher Arbeit ihr Beschäf- tiger sie auch zusammenbringt, diese gemeinsame Arbeit, soweit an ihm liegt und auf seine Kosten, von allen unnöthigen gesund- heitsschädlichen Umständen befreit werden soll; und dass, während die Arbeiter selbst thatsächlich nicht im Stande sind, diese sanitäre Justiz für sich selbst zu erzwingen, sie ebenso wenig, trotz der präsumirten Absicht des Gesetzgebers, irgend welchen wirksamen Beistand erwarten können von den Beamten, die die Nuisances Removal Acts durchzuführen haben.“ (p. 29.) — „Ohne Zweifel wird es einige kleine technische Schwierigkeiten machen, die ge- naue Grenze zu bestimmen, von welcher an die Beschäftiger der Regulirung unterworfen werden sollen. Aber … im Prinzip ist der Anspruch auf Gesundheitsschonung universell. Und im Interesse von Myriaden Arbeiter und Arbeiterinnen, deren Leben jetzt ohne

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/105>, abgerufen am 19.04.2024.