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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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Dritter Abschn. Jntervalle,
3) Daß die große Terz 5:4 zu einer kleinen Sexte
8:5, und
4) daß die kleine Terz 6:5 zu einer großen Sexte 5:3
wird.

Der Augenschein giebet, daß wir durch die beyden erstern Ope-
rationen nichts neues bekommen, sondern uns nur die Umkeh-
rung an sich von der Natur gelehret wird. Hingegen giebet
uns die dritte Operation ein neues Jntervall in 8:5, und die
vierte ebenfalls ein neues in 5:3. Da haben wir alle mög-
liche Consonanzen beysammen, als drey vollkommne, wel-
che der Einklang, die Octave und die Quinte sind, und vier
unvollkommne,
welche die große und kleine Terz, und kleine
und große Sexte sind.

§. 31.

Wir müßen uns mit der Natur der Umkehrung etwas
bekannter machen, um allen Misbräuchen vorzubeugen, wel-
che dadurch veranlasset werden könnten. Man hat in der Lehre
von den Proportionen gewisse Regeln de conuertendis, inuer-
tendis, componendis, permutandis &c. proportionibus.

Z. E. es wird gegeben die Proportion

[Formel 1]

so ist

conuertendo a + b:a = m + n:m = 3 + 2:3 = 6 + 4:6
componendo a + b:b = m + n:n = 3 + 2:2 = 6 + 4:4
inuertendo b:a = n:m = 2:3 = 4:6
oder n:m = b:a = 4:6 = 2:3
permutando a:m = b:n = 3:6 = 2:4

Bey unsern musikalischen Verhältnissen und deren Umkehrun-
gen findet weder die eine noch die andere Art dieser Verände-
rungen statt, indem aus dem zum Grunde liegenden und des-
sen umgekehrten Verhältniß nicht eine Proportion, das ist,
nicht eine Gleichförmigkeit der Verhältnisse formiret werden
kann. Denn wenn z. E. 3:2 in 4:3 umgekehret wird, so
ist 3:2 nichts weniger als 4:3, und man kann nicht sagen:
3:2 = 4:3. Es sind nemlich die Verhältniße nicht mit dem,
was Proportion heisset, zu vermengen.

§. 32.
Dritter Abſchn. Jntervalle,
3) Daß die große Terz 5:4 zu einer kleinen Sexte
8:5, und
4) daß die kleine Terz 6:5 zu einer großen Sexte 5:3
wird.

Der Augenſchein giebet, daß wir durch die beyden erſtern Ope-
rationen nichts neues bekommen, ſondern uns nur die Umkeh-
rung an ſich von der Natur gelehret wird. Hingegen giebet
uns die dritte Operation ein neues Jntervall in 8:5, und die
vierte ebenfalls ein neues in 5:3. Da haben wir alle moͤg-
liche Conſonanzen beyſammen, als drey vollkommne, wel-
che der Einklang, die Octave und die Quinte ſind, und vier
unvollkommne,
welche die große und kleine Terz, und kleine
und große Sexte ſind.

§. 31.

Wir muͤßen uns mit der Natur der Umkehrung etwas
bekannter machen, um allen Misbraͤuchen vorzubeugen, wel-
che dadurch veranlaſſet werden koͤnnten. Man hat in der Lehre
von den Proportionen gewiſſe Regeln de conuertendis, inuer-
tendis, componendis, permutandis &c. proportionibus.

Z. E. es wird gegeben die Proportion

[Formel 1]

ſo iſt

conuertendo a + b:a = m + n:m = 3 + 2:3 = 6 + 4:6
componendo a + b:b = m + n:n = 3 + 2:2 = 6 + 4:4
inuertendo b:a = n:m = 2:3 = 4:6
oder n:m = b:a = 4:6 = 2:3
permutando a:m = b:n = 3:6 = 2:4

Bey unſern muſikaliſchen Verhaͤltniſſen und deren Umkehrun-
gen findet weder die eine noch die andere Art dieſer Veraͤnde-
rungen ſtatt, indem aus dem zum Grunde liegenden und deſ-
ſen umgekehrten Verhaͤltniß nicht eine Proportion, das iſt,
nicht eine Gleichfoͤrmigkeit der Verhaͤltniſſe formiret werden
kann. Denn wenn z. E. 3:2 in 4:3 umgekehret wird, ſo
iſt 3:2 nichts weniger als 4:3, und man kann nicht ſagen:
3:2 = 4:3. Es ſind nemlich die Verhaͤltniße nicht mit dem,
was Proportion heiſſet, zu vermengen.

§. 32.
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[30/0050] Dritter Abſchn. Jntervalle, 3) Daß die große Terz 5:4 zu einer kleinen Sexte 8:5, und 4) daß die kleine Terz 6:5 zu einer großen Sexte 5:3 wird. Der Augenſchein giebet, daß wir durch die beyden erſtern Ope- rationen nichts neues bekommen, ſondern uns nur die Umkeh- rung an ſich von der Natur gelehret wird. Hingegen giebet uns die dritte Operation ein neues Jntervall in 8:5, und die vierte ebenfalls ein neues in 5:3. Da haben wir alle moͤg- liche Conſonanzen beyſammen, als drey vollkommne, wel- che der Einklang, die Octave und die Quinte ſind, und vier unvollkommne, welche die große und kleine Terz, und kleine und große Sexte ſind. §. 31. Wir muͤßen uns mit der Natur der Umkehrung etwas bekannter machen, um allen Misbraͤuchen vorzubeugen, wel- che dadurch veranlaſſet werden koͤnnten. Man hat in der Lehre von den Proportionen gewiſſe Regeln de conuertendis, inuer- tendis, componendis, permutandis &c. proportionibus. Z. E. es wird gegeben die Proportion [FORMEL] ſo iſt conuertendo a + b:a = m + n:m = 3 + 2:3 = 6 + 4:6 componendo a + b:b = m + n:n = 3 + 2:2 = 6 + 4:4 inuertendo b:a = n:m = 2:3 = 4:6 oder n:m = b:a = 4:6 = 2:3 permutando a:m = b:n = 3:6 = 2:4 Bey unſern muſikaliſchen Verhaͤltniſſen und deren Umkehrun- gen findet weder die eine noch die andere Art dieſer Veraͤnde- rungen ſtatt, indem aus dem zum Grunde liegenden und deſ- ſen umgekehrten Verhaͤltniß nicht eine Proportion, das iſt, nicht eine Gleichfoͤrmigkeit der Verhaͤltniſſe formiret werden kann. Denn wenn z. E. 3:2 in 4:3 umgekehret wird, ſo iſt 3:2 nichts weniger als 4:3, und man kann nicht ſagen: 3:2 = 4:3. Es ſind nemlich die Verhaͤltniße nicht mit dem, was Proportion heiſſet, zu vermengen. §. 32.

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/50>, abgerufen am 19.04.2024.