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Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

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Jemand sich im Besitz von Productivkräften befindet, und es ist
ihm bei einer bestimmten Anwendung derselben, sei es unmittel-
bar für sich selbst, sei es im Dienste Anderer ein bestimmtes
Resultat, eine bestimmte Einnahme sicher, so wird er sie einer
andern Anwendung, wo ein Resultat von gleichem Werthe mehr
oder weniger zweifelhaft ist, nur dann zuwenden, wenn dem
möglichen Verluste ein möglicher Gewinn gegenübersteht. Dieß
ist ohne Weiteres klar, die Frage ist nur, in welchem Verhält-
niß der mögliche Gewinn zum möglichen Verluste stehen muß.

Man wird leicht mit der Antwort bereit sein, die Gefahr
des Verlustes und die Aussicht des Gewinnes müßten sich und
zwar in der doppelten Beziehung der Wahrscheinlichkeit ihres
Eintritts und der Höhe ihres Betrags gegenseitig entsprechen,
so daß in demselben Maße, als die Wahrscheinlichkeit des Ge-
winnes geringer oder diejenige des Verlustes größer und der
mögliche Betrag des letzteren bedeutender werde, der mögliche
Gewinn größer werden müsse und umgekehrt. So einfach ver-
hält sich indessen die Sache nicht.

Es ist zu unterscheiden zwischen bloßen Unregelmäßigkeiten
des Erfolges und wirklichen Gefahren. Die ersteren treten bei
solchen Unternehmungen ein, die eine oftmalige Wiederholung
gleichartiger Operationen in sich schließen. Der Porzellanfabrikant
muß darauf rechnen, daß ihm so und so viel Brände mißglücken,
der Champagnerfabrikant, daß ihm so und so viel Flaschen zer-
springen, der Kaufmann und Handwerker, daß er von so und
so viel Kunden keine Bezahlung erhält. Er wird sich daher im
Allgemeinen nur dann auf die Unternehmung einlassen, wenn
der Ertrag der gelungenen Operationen den Verlust der miß-
lungenen zu übertragen verspricht. Insoweit ist der erhöhte Ge-
winn an den ersteren, wie bereits im zweiten Capitel dargethan
worden ist, gar nicht Gewinn, sondern Capitalersatz, wie die

Jemand ſich im Beſitz von Productivkraͤften befindet, und es iſt
ihm bei einer beſtimmten Anwendung derſelben, ſei es unmittel-
bar fuͤr ſich ſelbſt, ſei es im Dienſte Anderer ein beſtimmtes
Reſultat, eine beſtimmte Einnahme ſicher, ſo wird er ſie einer
andern Anwendung, wo ein Reſultat von gleichem Werthe mehr
oder weniger zweifelhaft iſt, nur dann zuwenden, wenn dem
moͤglichen Verluſte ein moͤglicher Gewinn gegenuͤberſteht. Dieß
iſt ohne Weiteres klar, die Frage iſt nur, in welchem Verhaͤlt-
niß der moͤgliche Gewinn zum moͤglichen Verluſte ſtehen muß.

Man wird leicht mit der Antwort bereit ſein, die Gefahr
des Verluſtes und die Ausſicht des Gewinnes muͤßten ſich und
zwar in der doppelten Beziehung der Wahrſcheinlichkeit ihres
Eintritts und der Hoͤhe ihres Betrags gegenſeitig entſprechen,
ſo daß in demſelben Maße, als die Wahrſcheinlichkeit des Ge-
winnes geringer oder diejenige des Verluſtes groͤßer und der
moͤgliche Betrag des letzteren bedeutender werde, der moͤgliche
Gewinn groͤßer werden muͤſſe und umgekehrt. So einfach ver-
haͤlt ſich indeſſen die Sache nicht.

Es iſt zu unterſcheiden zwiſchen bloßen Unregelmaͤßigkeiten
des Erfolges und wirklichen Gefahren. Die erſteren treten bei
ſolchen Unternehmungen ein, die eine oftmalige Wiederholung
gleichartiger Operationen in ſich ſchließen. Der Porzellanfabrikant
muß darauf rechnen, daß ihm ſo und ſo viel Braͤnde mißgluͤcken,
der Champagnerfabrikant, daß ihm ſo und ſo viel Flaſchen zer-
ſpringen, der Kaufmann und Handwerker, daß er von ſo und
ſo viel Kunden keine Bezahlung erhaͤlt. Er wird ſich daher im
Allgemeinen nur dann auf die Unternehmung einlaſſen, wenn
der Ertrag der gelungenen Operationen den Verluſt der miß-
lungenen zu uͤbertragen verſpricht. Inſoweit iſt der erhoͤhte Ge-
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[82/0094] Jemand ſich im Beſitz von Productivkraͤften befindet, und es iſt ihm bei einer beſtimmten Anwendung derſelben, ſei es unmittel- bar fuͤr ſich ſelbſt, ſei es im Dienſte Anderer ein beſtimmtes Reſultat, eine beſtimmte Einnahme ſicher, ſo wird er ſie einer andern Anwendung, wo ein Reſultat von gleichem Werthe mehr oder weniger zweifelhaft iſt, nur dann zuwenden, wenn dem moͤglichen Verluſte ein moͤglicher Gewinn gegenuͤberſteht. Dieß iſt ohne Weiteres klar, die Frage iſt nur, in welchem Verhaͤlt- niß der moͤgliche Gewinn zum moͤglichen Verluſte ſtehen muß. Man wird leicht mit der Antwort bereit ſein, die Gefahr des Verluſtes und die Ausſicht des Gewinnes muͤßten ſich und zwar in der doppelten Beziehung der Wahrſcheinlichkeit ihres Eintritts und der Hoͤhe ihres Betrags gegenſeitig entſprechen, ſo daß in demſelben Maße, als die Wahrſcheinlichkeit des Ge- winnes geringer oder diejenige des Verluſtes groͤßer und der moͤgliche Betrag des letzteren bedeutender werde, der moͤgliche Gewinn groͤßer werden muͤſſe und umgekehrt. So einfach ver- haͤlt ſich indeſſen die Sache nicht. Es iſt zu unterſcheiden zwiſchen bloßen Unregelmaͤßigkeiten des Erfolges und wirklichen Gefahren. Die erſteren treten bei ſolchen Unternehmungen ein, die eine oftmalige Wiederholung gleichartiger Operationen in ſich ſchließen. Der Porzellanfabrikant muß darauf rechnen, daß ihm ſo und ſo viel Braͤnde mißgluͤcken, der Champagnerfabrikant, daß ihm ſo und ſo viel Flaſchen zer- ſpringen, der Kaufmann und Handwerker, daß er von ſo und ſo viel Kunden keine Bezahlung erhaͤlt. Er wird ſich daher im Allgemeinen nur dann auf die Unternehmung einlaſſen, wenn der Ertrag der gelungenen Operationen den Verluſt der miß- lungenen zu uͤbertragen verſpricht. Inſoweit iſt der erhoͤhte Ge- winn an den erſteren, wie bereits im zweiten Capitel dargethan worden iſt, gar nicht Gewinn, ſondern Capitalerſatz, wie die

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Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/94>, abgerufen am 24.04.2024.