Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

auch manche unvollkommene Unternehmungen sich in vollkommene
verwandeln, z. B. manche Kaufleute, die als Commissionäre
angefangen haben, zum Eigenhandel übergehen). Derjenige Han-
delszweig, der am spätesten zur Entwickelung kommt, der Handel
mit Werthpapieren, vollzieht sich sogar vorzugsweise durch die
Vermittelung unvollkommener Unternehmungen. Beim Handel
darf man mithin aus einem verhältnißmäßig zahlreichen Vor-
handensein der letzteren nicht auf eine niedrige Stufe seiner Ent-
wickelung schließen, vielmehr wird dasselbe in der Regel als ein
Zeichen erreichter Blüthe anzusehen sein. Als Unternehmungen
ohne productives Element treten im Handel die reinen Differenz-
geschäfte auf.

Persönliche Dienstleistungen kommen zwar auch auf den
niedern Culturstufen vor, allein einerseits sind sie dort weit we-
niger manichfaltig als bei entwickelteren Zuständen, und in
dieser Hinsicht hat es etwas Wahres, wenn Rousseau und seine
Anhänger dem Menschen im sogenannten Urzustande eine größere
Selbständigkeit zusprechen, andrerseits treten sie dort nicht als
Unternehmungen hervor. Sie verwirklichen sich fast ohne Ausnahme
im Innern der einzelnen Wirthschaften, wozu die Unfreiheit, in
welcher sich zumeist die große Masse der Bevölkerung befindet,
nicht wenig beiträgt. Mit der allgemeinen Entwickelung nehmen
dann auch viele persönliche Dienstleistungen nacheinander und
wohl auch mit Ueberspringung eines Zwischenstadiums die For-
men der Uebernehmung, der unvollkommenen und endlich der
vollkommenen Unternehmung an. So tritt die Kunst des Spie-
lens musikalischer Instrumente erst lediglich als Mittel zur Er-
heiterung der Wirthschaftsgenossen auf; später wird das Auf-
spielen auch für Dritte übernommen, wie wir noch heute die
Orchester auf den Dorftanzböden häufig aus ehrlichen Hand-
werkern zusammengesetzt sehen, die aus ihrer Kunst nur nebenbei

auch manche unvollkommene Unternehmungen ſich in vollkommene
verwandeln, z. B. manche Kaufleute, die als Commiſſionaͤre
angefangen haben, zum Eigenhandel uͤbergehen). Derjenige Han-
delszweig, der am ſpaͤteſten zur Entwickelung kommt, der Handel
mit Werthpapieren, vollzieht ſich ſogar vorzugsweiſe durch die
Vermittelung unvollkommener Unternehmungen. Beim Handel
darf man mithin aus einem verhaͤltnißmaͤßig zahlreichen Vor-
handenſein der letzteren nicht auf eine niedrige Stufe ſeiner Ent-
wickelung ſchließen, vielmehr wird daſſelbe in der Regel als ein
Zeichen erreichter Bluͤthe anzuſehen ſein. Als Unternehmungen
ohne productives Element treten im Handel die reinen Differenz-
geſchaͤfte auf.

Perſoͤnliche Dienſtleiſtungen kommen zwar auch auf den
niedern Culturſtufen vor, allein einerſeits ſind ſie dort weit we-
niger manichfaltig als bei entwickelteren Zuſtaͤnden, und in
dieſer Hinſicht hat es etwas Wahres, wenn Rouſſeau und ſeine
Anhaͤnger dem Menſchen im ſogenannten Urzuſtande eine groͤßere
Selbſtaͤndigkeit zuſprechen, andrerſeits treten ſie dort nicht als
Unternehmungen hervor. Sie verwirklichen ſich faſt ohne Ausnahme
im Innern der einzelnen Wirthſchaften, wozu die Unfreiheit, in
welcher ſich zumeiſt die große Maſſe der Bevoͤlkerung befindet,
nicht wenig beitraͤgt. Mit der allgemeinen Entwickelung nehmen
dann auch viele perſoͤnliche Dienſtleiſtungen nacheinander und
wohl auch mit Ueberſpringung eines Zwiſchenſtadiums die For-
men der Uebernehmung, der unvollkommenen und endlich der
vollkommenen Unternehmung an. So tritt die Kunſt des Spie-
lens muſikaliſcher Inſtrumente erſt lediglich als Mittel zur Er-
heiterung der Wirthſchaftsgenoſſen auf; ſpaͤter wird das Auf-
ſpielen auch fuͤr Dritte uͤbernommen, wie wir noch heute die
Orcheſter auf den Dorftanzboͤden haͤufig aus ehrlichen Hand-
werkern zuſammengeſetzt ſehen, die aus ihrer Kunſt nur nebenbei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0090" n="78"/>
auch manche unvollkommene Unternehmungen &#x017F;ich in vollkommene<lb/>
verwandeln, z. B. manche Kaufleute, die als Commi&#x017F;&#x017F;iona&#x0364;re<lb/>
angefangen haben, zum Eigenhandel u&#x0364;bergehen). Derjenige Han-<lb/>
delszweig, der am &#x017F;pa&#x0364;te&#x017F;ten zur Entwickelung kommt, der Handel<lb/>
mit Werthpapieren, vollzieht &#x017F;ich &#x017F;ogar vorzugswei&#x017F;e durch die<lb/>
Vermittelung unvollkommener Unternehmungen. Beim Handel<lb/>
darf man mithin aus einem verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig zahlreichen Vor-<lb/>
handen&#x017F;ein der letzteren nicht auf eine niedrige Stufe &#x017F;einer Ent-<lb/>
wickelung &#x017F;chließen, vielmehr wird da&#x017F;&#x017F;elbe in der Regel als ein<lb/>
Zeichen erreichter Blu&#x0364;the anzu&#x017F;ehen &#x017F;ein. Als Unternehmungen<lb/>
ohne productives Element treten im Handel die reinen Differenz-<lb/>
ge&#x017F;cha&#x0364;fte auf.</p><lb/>
          <p>Per&#x017F;o&#x0364;nliche Dien&#x017F;tlei&#x017F;tungen kommen zwar auch auf den<lb/>
niedern Cultur&#x017F;tufen vor, allein einer&#x017F;eits &#x017F;ind &#x017F;ie dort weit we-<lb/>
niger manichfaltig als bei entwickelteren Zu&#x017F;ta&#x0364;nden, und in<lb/>
die&#x017F;er Hin&#x017F;icht hat es etwas Wahres, wenn Rou&#x017F;&#x017F;eau und &#x017F;eine<lb/>
Anha&#x0364;nger dem Men&#x017F;chen im &#x017F;ogenannten Urzu&#x017F;tande eine gro&#x0364;ßere<lb/>
Selb&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit zu&#x017F;prechen, andrer&#x017F;eits treten &#x017F;ie dort nicht als<lb/>
Unternehmungen hervor. Sie verwirklichen &#x017F;ich fa&#x017F;t ohne Ausnahme<lb/>
im Innern der einzelnen Wirth&#x017F;chaften, wozu die Unfreiheit, in<lb/>
welcher &#x017F;ich zumei&#x017F;t die große Ma&#x017F;&#x017F;e der Bevo&#x0364;lkerung befindet,<lb/>
nicht wenig beitra&#x0364;gt. Mit der allgemeinen Entwickelung nehmen<lb/>
dann auch viele per&#x017F;o&#x0364;nliche Dien&#x017F;tlei&#x017F;tungen nacheinander und<lb/>
wohl auch mit Ueber&#x017F;pringung eines Zwi&#x017F;chen&#x017F;tadiums die For-<lb/>
men der Uebernehmung, der unvollkommenen und endlich der<lb/>
vollkommenen Unternehmung an. So tritt die Kun&#x017F;t des Spie-<lb/>
lens mu&#x017F;ikali&#x017F;cher In&#x017F;trumente er&#x017F;t lediglich als Mittel zur Er-<lb/>
heiterung der Wirth&#x017F;chaftsgeno&#x017F;&#x017F;en auf; &#x017F;pa&#x0364;ter wird das Auf-<lb/>
&#x017F;pielen auch fu&#x0364;r Dritte u&#x0364;bernommen, wie wir noch heute die<lb/>
Orche&#x017F;ter auf den Dorftanzbo&#x0364;den ha&#x0364;ufig aus ehrlichen Hand-<lb/>
werkern zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt &#x017F;ehen, die aus ihrer Kun&#x017F;t nur nebenbei<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0090] auch manche unvollkommene Unternehmungen ſich in vollkommene verwandeln, z. B. manche Kaufleute, die als Commiſſionaͤre angefangen haben, zum Eigenhandel uͤbergehen). Derjenige Han- delszweig, der am ſpaͤteſten zur Entwickelung kommt, der Handel mit Werthpapieren, vollzieht ſich ſogar vorzugsweiſe durch die Vermittelung unvollkommener Unternehmungen. Beim Handel darf man mithin aus einem verhaͤltnißmaͤßig zahlreichen Vor- handenſein der letzteren nicht auf eine niedrige Stufe ſeiner Ent- wickelung ſchließen, vielmehr wird daſſelbe in der Regel als ein Zeichen erreichter Bluͤthe anzuſehen ſein. Als Unternehmungen ohne productives Element treten im Handel die reinen Differenz- geſchaͤfte auf. Perſoͤnliche Dienſtleiſtungen kommen zwar auch auf den niedern Culturſtufen vor, allein einerſeits ſind ſie dort weit we- niger manichfaltig als bei entwickelteren Zuſtaͤnden, und in dieſer Hinſicht hat es etwas Wahres, wenn Rouſſeau und ſeine Anhaͤnger dem Menſchen im ſogenannten Urzuſtande eine groͤßere Selbſtaͤndigkeit zuſprechen, andrerſeits treten ſie dort nicht als Unternehmungen hervor. Sie verwirklichen ſich faſt ohne Ausnahme im Innern der einzelnen Wirthſchaften, wozu die Unfreiheit, in welcher ſich zumeiſt die große Maſſe der Bevoͤlkerung befindet, nicht wenig beitraͤgt. Mit der allgemeinen Entwickelung nehmen dann auch viele perſoͤnliche Dienſtleiſtungen nacheinander und wohl auch mit Ueberſpringung eines Zwiſchenſtadiums die For- men der Uebernehmung, der unvollkommenen und endlich der vollkommenen Unternehmung an. So tritt die Kunſt des Spie- lens muſikaliſcher Inſtrumente erſt lediglich als Mittel zur Er- heiterung der Wirthſchaftsgenoſſen auf; ſpaͤter wird das Auf- ſpielen auch fuͤr Dritte uͤbernommen, wie wir noch heute die Orcheſter auf den Dorftanzboͤden haͤufig aus ehrlichen Hand- werkern zuſammengeſetzt ſehen, die aus ihrer Kunſt nur nebenbei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/90
Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/90>, abgerufen am 18.04.2024.