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Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

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Stoffveredelung. Ursprünglich muß man sich denselben wohl
als eine übernommene Geschäftsthätigkeit vorstellen. Jemand be-
darf eines Productes, und ein Andrer übernimmt es gegen Zu-
sicherung einer bestimmten Vergütung, ihm dasselbe zu verschaffen,
oder jener wünscht ein Product abzusetzen, und dieser übernimmt
ebenfalls gegen Zusage einer bestimmten Vergütung den Verkauf.
(Häufig wird sich schon hier ein Element der Unternehmung ein-
mischen, indem die Vergütung von der Höhe des gezahlten oder
erhaltenen Kaufpreises abhängig gemacht wird.) 2) Indem sich
dieß öfter wiederholt und aus solchem Uebernehmen daher ein
eignes Geschäft gemacht werden kann, entsteht das Mäklergeschäft
und der Commissionshandel, die als unvollkommene Unternehmun-
gen anzusehen sind; ebenso gehört der Speditionshandel in diese
Classe. Doch scheinen hier die vollkommenen Unternehmungen
-- der Eigenhandel -- keineswegs erst aus den unvollkomme-
nen hervorgegangen zu sein; vielmehr pflegen dieselben schon in
früher Kindheit der Völker und neben dem Verkauf der Producte
durch den Producenten selbst aufzutauchen. Auch verdrängt die
Entwickelung des Eigenhandels das Mäklergeschäft und den Com-
missions- und Speditionshandel keineswegs, sondern bildet sie
vielmehr erst recht aus, indem sie dieselben zu ihren vermitteln-
den Organen macht und mit ihrer Hülfe erst manche noch unzu-
gängliche Gebiete erobert (in Folge welchen Processes freilich

2) Als ein Beispiel, wie lange sich eine solche primitive Form des Han-
dels erhalten kann, führe ich die Art und Weise an, wie sich die Deutschen in
Genf bis in die 30er Jahre dieses Jahrhunderts, wo sich eine deutsche
Buchhandlung in dieser Stadt etablirte, ihren Bedarf an deutscher Literatur
verschafften. Bei einem französischen Antiquar des Ortes lag nämlich ein
Bogen auf; wer ein Buch wünschte, ging hin und schrieb dort dessen Titel
auf. Wenn der Bogen voll war, wurde er dann nach Leipzig geschickt, und
es erfolgte die Sendung der bestellten Bücher in einem großen Ballen.

Stoffveredelung. Urſpruͤnglich muß man ſich denſelben wohl
als eine uͤbernommene Geſchaͤftsthaͤtigkeit vorſtellen. Jemand be-
darf eines Productes, und ein Andrer uͤbernimmt es gegen Zu-
ſicherung einer beſtimmten Verguͤtung, ihm daſſelbe zu verſchaffen,
oder jener wuͤnſcht ein Product abzuſetzen, und dieſer uͤbernimmt
ebenfalls gegen Zuſage einer beſtimmten Verguͤtung den Verkauf.
(Haͤufig wird ſich ſchon hier ein Element der Unternehmung ein-
miſchen, indem die Verguͤtung von der Hoͤhe des gezahlten oder
erhaltenen Kaufpreiſes abhaͤngig gemacht wird.) 2) Indem ſich
dieß oͤfter wiederholt und aus ſolchem Uebernehmen daher ein
eignes Geſchaͤft gemacht werden kann, entſteht das Maͤklergeſchaͤft
und der Commiſſionshandel, die als unvollkommene Unternehmun-
gen anzuſehen ſind; ebenſo gehoͤrt der Speditionshandel in dieſe
Claſſe. Doch ſcheinen hier die vollkommenen Unternehmungen
— der Eigenhandel — keineswegs erſt aus den unvollkomme-
nen hervorgegangen zu ſein; vielmehr pflegen dieſelben ſchon in
fruͤher Kindheit der Voͤlker und neben dem Verkauf der Producte
durch den Producenten ſelbſt aufzutauchen. Auch verdraͤngt die
Entwickelung des Eigenhandels das Maͤklergeſchaͤft und den Com-
miſſions- und Speditionshandel keineswegs, ſondern bildet ſie
vielmehr erſt recht aus, indem ſie dieſelben zu ihren vermitteln-
den Organen macht und mit ihrer Huͤlfe erſt manche noch unzu-
gaͤngliche Gebiete erobert (in Folge welchen Proceſſes freilich

2) Als ein Beiſpiel, wie lange ſich eine ſolche primitive Form des Han-
dels erhalten kann, führe ich die Art und Weiſe an, wie ſich die Deutſchen in
Genf bis in die 30er Jahre dieſes Jahrhunderts, wo ſich eine deutſche
Buchhandlung in dieſer Stadt etablirte, ihren Bedarf an deutſcher Literatur
verſchafften. Bei einem franzöſiſchen Antiquar des Ortes lag nämlich ein
Bogen auf; wer ein Buch wünſchte, ging hin und ſchrieb dort deſſen Titel
auf. Wenn der Bogen voll war, wurde er dann nach Leipzig geſchickt, und
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[77/0089] Stoffveredelung. Urſpruͤnglich muß man ſich denſelben wohl als eine uͤbernommene Geſchaͤftsthaͤtigkeit vorſtellen. Jemand be- darf eines Productes, und ein Andrer uͤbernimmt es gegen Zu- ſicherung einer beſtimmten Verguͤtung, ihm daſſelbe zu verſchaffen, oder jener wuͤnſcht ein Product abzuſetzen, und dieſer uͤbernimmt ebenfalls gegen Zuſage einer beſtimmten Verguͤtung den Verkauf. (Haͤufig wird ſich ſchon hier ein Element der Unternehmung ein- miſchen, indem die Verguͤtung von der Hoͤhe des gezahlten oder erhaltenen Kaufpreiſes abhaͤngig gemacht wird.) 2) Indem ſich dieß oͤfter wiederholt und aus ſolchem Uebernehmen daher ein eignes Geſchaͤft gemacht werden kann, entſteht das Maͤklergeſchaͤft und der Commiſſionshandel, die als unvollkommene Unternehmun- gen anzuſehen ſind; ebenſo gehoͤrt der Speditionshandel in dieſe Claſſe. Doch ſcheinen hier die vollkommenen Unternehmungen — der Eigenhandel — keineswegs erſt aus den unvollkomme- nen hervorgegangen zu ſein; vielmehr pflegen dieſelben ſchon in fruͤher Kindheit der Voͤlker und neben dem Verkauf der Producte durch den Producenten ſelbſt aufzutauchen. Auch verdraͤngt die Entwickelung des Eigenhandels das Maͤklergeſchaͤft und den Com- miſſions- und Speditionshandel keineswegs, ſondern bildet ſie vielmehr erſt recht aus, indem ſie dieſelben zu ihren vermitteln- den Organen macht und mit ihrer Huͤlfe erſt manche noch unzu- gaͤngliche Gebiete erobert (in Folge welchen Proceſſes freilich 2) Als ein Beiſpiel, wie lange ſich eine ſolche primitive Form des Han- dels erhalten kann, führe ich die Art und Weiſe an, wie ſich die Deutſchen in Genf bis in die 30er Jahre dieſes Jahrhunderts, wo ſich eine deutſche Buchhandlung in dieſer Stadt etablirte, ihren Bedarf an deutſcher Literatur verſchafften. Bei einem franzöſiſchen Antiquar des Ortes lag nämlich ein Bogen auf; wer ein Buch wünſchte, ging hin und ſchrieb dort deſſen Titel auf. Wenn der Bogen voll war, wurde er dann nach Leipzig geſchickt, und es erfolgte die Sendung der beſtellten Bücher in einem großen Ballen.

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Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/89>, abgerufen am 20.04.2024.