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Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

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ein Volk nicht ärmer machen will, nicht aus seinem Capital,
sondern nur aus dem zu unproductiver Consumtion bestimmten
Vermögen, also aus seinem Einkommen genommen werden,
höchstens kann von dem Capital hier so viel verwendet werden,
als in der nämlichen Zeit von dem Einkommen sparend zurück-
gelegt zu werden pflegt. Und wirklich ist es das Einkommen,
aus welchem man regelmäßig die Chancen des Verlustes zu be-
streiten sucht, und nichts beweist dieß deutlicher als die Maß-
regeln, die man ergriffen hat, um sich dieser Nothwendigkeit zu
entziehen. Hierhin gehören namentlich zwei Erscheinungen, näm-
lich die Assecuranzen und das sogenannte Amortisiren der Unter-
nehmungen. Bei den erstern giebt man durch Vertrag entweder
mit andern Unternehmern der gleichen Art oder mit einer zu diesem
Zwecke besonders gegründeten Unternehmung 1) einen bestimmten

1) Der Gewinn der Assecuranzunternehmungen erklärt sich daraus, daß
dieselben nur da auftreten können, wo die Gefahr, gegen welche sie versichern,
von den Unternehmern als eine besondere Last empfunden wird, und deshalb
die Gefahrprämie über dem Verhältniß zur Gefahr steht. Ein Beispiel mag
das erläutern. Es stehe fest, daß in einer gegebenen Zeit von 40 feuer-
gefährlichen Unternehmungen derselben Art regelmäßig eine durch Feuer voll-
ständig vernichtet wird. Der regelmäßige Ertrag solcher Unternehmungen
müßte demnach den Ertrag anderer Unternehmungen, die von dieser Gefahr
befreit werden, um 1/39 ihres Werths übersteigen. So lange aber der Ertrag
sich auf dieser Grenze hält, kann den Unternehmern keine selbständige Asse-
curanz zu Hülfe kommen; die 39/39, welche jene abzugeben vermögen, reichen
nur hin, um den Verlust zu ersetzen, nicht aber die Assecuranz für ihre
Leistung zu entschädigen. Erst wenn die Last der Gefahr die Unternehmun-
gen so reducirt hat, daß der Ertrag in Folge der durch das verminderte
Angebot erhöhten Preise ihrer Producte sich über das Verhältniß zur Gefahr
erhoben hat, daß z. B. die obigen 39 Unternehmungen je 1/35 ihres Werths
als Gefahrprämie beziehen, kann eine Assecuranz eintreten. Dieselbe be-
hielte in diesem Falle 4/35 für ihre eigne Deckung übrig. Begnügt sie sich
mit weniger, so wird der Erlaß, falls eine Vermehrung der Unternehmungen

ein Volk nicht aͤrmer machen will, nicht aus ſeinem Capital,
ſondern nur aus dem zu unproductiver Conſumtion beſtimmten
Vermoͤgen, alſo aus ſeinem Einkommen genommen werden,
hoͤchſtens kann von dem Capital hier ſo viel verwendet werden,
als in der naͤmlichen Zeit von dem Einkommen ſparend zuruͤck-
gelegt zu werden pflegt. Und wirklich iſt es das Einkommen,
aus welchem man regelmaͤßig die Chancen des Verluſtes zu be-
ſtreiten ſucht, und nichts beweiſt dieß deutlicher als die Maß-
regeln, die man ergriffen hat, um ſich dieſer Nothwendigkeit zu
entziehen. Hierhin gehoͤren namentlich zwei Erſcheinungen, naͤm-
lich die Aſſecuranzen und das ſogenannte Amortiſiren der Unter-
nehmungen. Bei den erſtern giebt man durch Vertrag entweder
mit andern Unternehmern der gleichen Art oder mit einer zu dieſem
Zwecke beſonders gegruͤndeten Unternehmung 1) einen beſtimmten

1) Der Gewinn der Aſſecuranzunternehmungen erklärt ſich daraus, daß
dieſelben nur da auftreten können, wo die Gefahr, gegen welche ſie verſichern,
von den Unternehmern als eine beſondere Laſt empfunden wird, und deshalb
die Gefahrprämie über dem Verhältniß zur Gefahr ſteht. Ein Beiſpiel mag
das erläutern. Es ſtehe feſt, daß in einer gegebenen Zeit von 40 feuer-
gefährlichen Unternehmungen derſelben Art regelmäßig eine durch Feuer voll-
ſtändig vernichtet wird. Der regelmäßige Ertrag ſolcher Unternehmungen
müßte demnach den Ertrag anderer Unternehmungen, die von dieſer Gefahr
befreit werden, um 1/39 ihres Werths überſteigen. So lange aber der Ertrag
ſich auf dieſer Grenze hält, kann den Unternehmern keine ſelbſtändige Aſſe-
curanz zu Hülfe kommen; die 39/39, welche jene abzugeben vermögen, reichen
nur hin, um den Verluſt zu erſetzen, nicht aber die Aſſecuranz für ihre
Leiſtung zu entſchädigen. Erſt wenn die Laſt der Gefahr die Unternehmun-
gen ſo reducirt hat, daß der Ertrag in Folge der durch das verminderte
Angebot erhöhten Preiſe ihrer Producte ſich über das Verhältniß zur Gefahr
erhoben hat, daß z. B. die obigen 39 Unternehmungen je 1/35 ihres Werths
als Gefahrprämie beziehen, kann eine Aſſecuranz eintreten. Dieſelbe be-
hielte in dieſem Falle 4/35 für ihre eigne Deckung übrig. Begnügt ſie ſich
mit weniger, ſo wird der Erlaß, falls eine Vermehrung der Unternehmungen
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[94/0106] ein Volk nicht aͤrmer machen will, nicht aus ſeinem Capital, ſondern nur aus dem zu unproductiver Conſumtion beſtimmten Vermoͤgen, alſo aus ſeinem Einkommen genommen werden, hoͤchſtens kann von dem Capital hier ſo viel verwendet werden, als in der naͤmlichen Zeit von dem Einkommen ſparend zuruͤck- gelegt zu werden pflegt. Und wirklich iſt es das Einkommen, aus welchem man regelmaͤßig die Chancen des Verluſtes zu be- ſtreiten ſucht, und nichts beweiſt dieß deutlicher als die Maß- regeln, die man ergriffen hat, um ſich dieſer Nothwendigkeit zu entziehen. Hierhin gehoͤren namentlich zwei Erſcheinungen, naͤm- lich die Aſſecuranzen und das ſogenannte Amortiſiren der Unter- nehmungen. Bei den erſtern giebt man durch Vertrag entweder mit andern Unternehmern der gleichen Art oder mit einer zu dieſem Zwecke beſonders gegruͤndeten Unternehmung 1) einen beſtimmten 1) Der Gewinn der Aſſecuranzunternehmungen erklärt ſich daraus, daß dieſelben nur da auftreten können, wo die Gefahr, gegen welche ſie verſichern, von den Unternehmern als eine beſondere Laſt empfunden wird, und deshalb die Gefahrprämie über dem Verhältniß zur Gefahr ſteht. Ein Beiſpiel mag das erläutern. Es ſtehe feſt, daß in einer gegebenen Zeit von 40 feuer- gefährlichen Unternehmungen derſelben Art regelmäßig eine durch Feuer voll- ſtändig vernichtet wird. Der regelmäßige Ertrag ſolcher Unternehmungen müßte demnach den Ertrag anderer Unternehmungen, die von dieſer Gefahr befreit werden, um 1/39 ihres Werths überſteigen. So lange aber der Ertrag ſich auf dieſer Grenze hält, kann den Unternehmern keine ſelbſtändige Aſſe- curanz zu Hülfe kommen; die 39/39, welche jene abzugeben vermögen, reichen nur hin, um den Verluſt zu erſetzen, nicht aber die Aſſecuranz für ihre Leiſtung zu entſchädigen. Erſt wenn die Laſt der Gefahr die Unternehmun- gen ſo reducirt hat, daß der Ertrag in Folge der durch das verminderte Angebot erhöhten Preiſe ihrer Producte ſich über das Verhältniß zur Gefahr erhoben hat, daß z. B. die obigen 39 Unternehmungen je 1/35 ihres Werths als Gefahrprämie beziehen, kann eine Aſſecuranz eintreten. Dieſelbe be- hielte in dieſem Falle 4/35 für ihre eigne Deckung übrig. Begnügt ſie ſich mit weniger, ſo wird der Erlaß, falls eine Vermehrung der Unternehmungen

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Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/106>, abgerufen am 20.04.2024.