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Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

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schreitet, die Bedürfnisse sich vermehren, der Erwerb schwieriger
wird, hat sich zwar die Fähigkeit des Volkes zu gewagten Unter-
nehmungen nicht vermindert, dasselbe wird aber immer sorglicher
die Höhe des in Aussicht stehenden Gewinnes mit der Gefahr
vergleichen, die Gesammtmasse der gewonnenen Gefahrprämie wird
der der erlittenen Verluste sich immer mehr nähern. -- Ver-
fallenden Nationen ist das hervorstechende Streben nach Genuß
ohne persönliche Anstrengung eigenthümlich. Solche Unterneh-
mungen, die eine angestrengte und schwierige Thätigkeit des
Unternehmers fordern, finden daher hier nur wenig Anklang,
selbst wenn die Gefahr im Verhältnisse zu dem in Aussicht stehen-
den Gewinn nur gering ist, dagegen ist man andern gewagten
Unternehmungen, die keine persönliche Anstrengung verlangen,
nur allzusehr geneigt. Der Geist des Spiels herrscht vor und
man begnügt sich mit der Aussicht auf einen zur wirklichen Ge-
fahr gar nicht im Verhältniß stehenden Gewinn. Auch hier wirkt
übrigens der Nationalcharakter vielfach modificirend ein, nicht
allein in seiner allgemeinen Richtung in Bezug auf Vorsicht oder
Lust an der Gefahr, Freude an der Arbeit oder Sucht schnell
reich zu werden, Streben nach Selbständigkeit oder Geneigtheit
sich unterzuordnen, sondern auch in seiner speciellen Hinneigung
zu gewissen Beschäftigungen und seiner Abneigung gegen andere.
Der philosophische Geist der Deutschen z. B. sichert bei ihnen den
gelehrten Beschäftigungen noch immer zahlreiche Jünger, obwohl
der mögliche Gewinn zu dem erforderten Aufwand und der Gefahr
des Mißlingens in keinem entsprechenden Verhältnisse steht. Alles
Gesagte bezieht sich jedoch nur auf die Höhe des Ertrags und
der Gefahrprämie, die in Aussicht stehen muß, ehe man sich auf

wagter Unternehmungen, so bald ein Land oder eine Gegend einen plötzlichen
ökonomischen Aufschwung nimmt, u. s. w.

ſchreitet, die Beduͤrfniſſe ſich vermehren, der Erwerb ſchwieriger
wird, hat ſich zwar die Faͤhigkeit des Volkes zu gewagten Unter-
nehmungen nicht vermindert, daſſelbe wird aber immer ſorglicher
die Hoͤhe des in Ausſicht ſtehenden Gewinnes mit der Gefahr
vergleichen, die Geſammtmaſſe der gewonnenen Gefahrpraͤmie wird
der der erlittenen Verluſte ſich immer mehr naͤhern. — Ver-
fallenden Nationen iſt das hervorſtechende Streben nach Genuß
ohne perſoͤnliche Anſtrengung eigenthuͤmlich. Solche Unterneh-
mungen, die eine angeſtrengte und ſchwierige Thaͤtigkeit des
Unternehmers fordern, finden daher hier nur wenig Anklang,
ſelbſt wenn die Gefahr im Verhaͤltniſſe zu dem in Ausſicht ſtehen-
den Gewinn nur gering iſt, dagegen iſt man andern gewagten
Unternehmungen, die keine perſoͤnliche Anſtrengung verlangen,
nur allzuſehr geneigt. Der Geiſt des Spiels herrſcht vor und
man begnuͤgt ſich mit der Ausſicht auf einen zur wirklichen Ge-
fahr gar nicht im Verhaͤltniß ſtehenden Gewinn. Auch hier wirkt
uͤbrigens der Nationalcharakter vielfach modificirend ein, nicht
allein in ſeiner allgemeinen Richtung in Bezug auf Vorſicht oder
Luſt an der Gefahr, Freude an der Arbeit oder Sucht ſchnell
reich zu werden, Streben nach Selbſtaͤndigkeit oder Geneigtheit
ſich unterzuordnen, ſondern auch in ſeiner ſpeciellen Hinneigung
zu gewiſſen Beſchaͤftigungen und ſeiner Abneigung gegen andere.
Der philoſophiſche Geiſt der Deutſchen z. B. ſichert bei ihnen den
gelehrten Beſchaͤftigungen noch immer zahlreiche Juͤnger, obwohl
der moͤgliche Gewinn zu dem erforderten Aufwand und der Gefahr
des Mißlingens in keinem entſprechenden Verhaͤltniſſe ſteht. Alles
Geſagte bezieht ſich jedoch nur auf die Hoͤhe des Ertrags und
der Gefahrpraͤmie, die in Ausſicht ſtehen muß, ehe man ſich auf

wagter Unternehmungen, ſo bald ein Land oder eine Gegend einen plötzlichen
ökonomiſchen Aufſchwung nimmt, u. ſ. w.
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[92/0104] ſchreitet, die Beduͤrfniſſe ſich vermehren, der Erwerb ſchwieriger wird, hat ſich zwar die Faͤhigkeit des Volkes zu gewagten Unter- nehmungen nicht vermindert, daſſelbe wird aber immer ſorglicher die Hoͤhe des in Ausſicht ſtehenden Gewinnes mit der Gefahr vergleichen, die Geſammtmaſſe der gewonnenen Gefahrpraͤmie wird der der erlittenen Verluſte ſich immer mehr naͤhern. — Ver- fallenden Nationen iſt das hervorſtechende Streben nach Genuß ohne perſoͤnliche Anſtrengung eigenthuͤmlich. Solche Unterneh- mungen, die eine angeſtrengte und ſchwierige Thaͤtigkeit des Unternehmers fordern, finden daher hier nur wenig Anklang, ſelbſt wenn die Gefahr im Verhaͤltniſſe zu dem in Ausſicht ſtehen- den Gewinn nur gering iſt, dagegen iſt man andern gewagten Unternehmungen, die keine perſoͤnliche Anſtrengung verlangen, nur allzuſehr geneigt. Der Geiſt des Spiels herrſcht vor und man begnuͤgt ſich mit der Ausſicht auf einen zur wirklichen Ge- fahr gar nicht im Verhaͤltniß ſtehenden Gewinn. Auch hier wirkt uͤbrigens der Nationalcharakter vielfach modificirend ein, nicht allein in ſeiner allgemeinen Richtung in Bezug auf Vorſicht oder Luſt an der Gefahr, Freude an der Arbeit oder Sucht ſchnell reich zu werden, Streben nach Selbſtaͤndigkeit oder Geneigtheit ſich unterzuordnen, ſondern auch in ſeiner ſpeciellen Hinneigung zu gewiſſen Beſchaͤftigungen und ſeiner Abneigung gegen andere. Der philoſophiſche Geiſt der Deutſchen z. B. ſichert bei ihnen den gelehrten Beſchaͤftigungen noch immer zahlreiche Juͤnger, obwohl der moͤgliche Gewinn zu dem erforderten Aufwand und der Gefahr des Mißlingens in keinem entſprechenden Verhaͤltniſſe ſteht. Alles Geſagte bezieht ſich jedoch nur auf die Hoͤhe des Ertrags und der Gefahrpraͤmie, die in Ausſicht ſtehen muß, ehe man ſich auf 2) 2) wagter Unternehmungen, ſo bald ein Land oder eine Gegend einen plötzlichen ökonomiſchen Aufſchwung nimmt, u. ſ. w.

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Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/104>, abgerufen am 18.04.2024.