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Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

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keit für den Gewinn in stärkerem Verhältnisse, als die Summe
des Gewinnes zu wachsen pflegt 1). Die Gefahrprämie, d. h.
derjenige Theil des Unternehmergewinnes, den man als Entschä-
digung für die gelaufene Gefahr ansehen kann, ist daher, je
nach den Umständen, eine verschiedene, d. h. sie ändert sich nicht
nur im Verhältnisse zum Grade der vorhandenen Gefahr, son-
dern auch abgesehen von diesem, so daß die nämliche Art von
Unternehmungen zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene Gefahr-
prämie versprechen kann und umgekehrt 2 gleichzeitige Unter-
nehmungen mit verschiedener Gefahr dennoch die gleiche Gefahrs-
prämie in Aussicht haben können. -- Betrachtet man mit Rück-
sicht hierauf die natürliche Entwickelung der Völker, so zeigt sich
ungefähr folgender Verlauf. Auf der niedrigsten Stufe, wo
ein Volk eben nur das Allernothwendigste erwirbt, kann es
nichts auf gewagte Unternehmungen verwenden, es giebt also
auch keine Gefahrsprämie. Je reicher es wird, desto mehr bleibt
ihm für gewagte Unternehmungen übrig, und je schneller und
leichter es reich wird, desto geneigter wird es sein, letztere selbst
dann zu unternehmen, wenn der Ertrag der Gefahr nicht vollständig
entspricht 2). Später, wenn der Reichthum langsamer vorwärts

1) Es kann dieß wohl nach dem Obigen nicht mißverstanden werden.
Zur Erläuterung bemerke ich jedoch: nicht das ist damit gesagt, daß wer
bei gleichem Einsatz doppelt so viel gewinnt als ein Anderer, sich mehr als
doppelt darüber freuen müsse, daß also z. B. die Freude dessen, der
100,000 Thaler in der Lotterie gewinnt, mehr als noch einmal so groß
sein müsse, wie die dessen, der 50,000 Thaler gewinnt. Meine Meinung
ist vielmehr nur die, daß die Aussicht auf einen höhern Gewinn zu einer
leichtern Beurtheilung der Chancen der Gefahr führt. Darauf beruhen alle
Lotterien. Wenn ich mit 10 Thalern im günstigen Falle 15 oder 20 ge-
winnen kann, so wäge ich die Möglichkeit des Verlustes genauer ab, als
wenn ich die Aussicht auf mehrere Tausende habe.
2) Man denke an die Spiellust in Californien, an das Auftauchen ge-

keit fuͤr den Gewinn in ſtaͤrkerem Verhaͤltniſſe, als die Summe
des Gewinnes zu wachſen pflegt 1). Die Gefahrpraͤmie, d. h.
derjenige Theil des Unternehmergewinnes, den man als Entſchaͤ-
digung fuͤr die gelaufene Gefahr anſehen kann, iſt daher, je
nach den Umſtaͤnden, eine verſchiedene, d. h. ſie aͤndert ſich nicht
nur im Verhaͤltniſſe zum Grade der vorhandenen Gefahr, ſon-
dern auch abgeſehen von dieſem, ſo daß die naͤmliche Art von
Unternehmungen zu verſchiedenen Zeiten eine verſchiedene Gefahr-
praͤmie verſprechen kann und umgekehrt 2 gleichzeitige Unter-
nehmungen mit verſchiedener Gefahr dennoch die gleiche Gefahrs-
praͤmie in Ausſicht haben koͤnnen. — Betrachtet man mit Ruͤck-
ſicht hierauf die natuͤrliche Entwickelung der Voͤlker, ſo zeigt ſich
ungefaͤhr folgender Verlauf. Auf der niedrigſten Stufe, wo
ein Volk eben nur das Allernothwendigſte erwirbt, kann es
nichts auf gewagte Unternehmungen verwenden, es giebt alſo
auch keine Gefahrspraͤmie. Je reicher es wird, deſto mehr bleibt
ihm fuͤr gewagte Unternehmungen uͤbrig, und je ſchneller und
leichter es reich wird, deſto geneigter wird es ſein, letztere ſelbſt
dann zu unternehmen, wenn der Ertrag der Gefahr nicht vollſtaͤndig
entſpricht 2). Spaͤter, wenn der Reichthum langſamer vorwaͤrts

1) Es kann dieß wohl nach dem Obigen nicht mißverſtanden werden.
Zur Erläuterung bemerke ich jedoch: nicht das iſt damit geſagt, daß wer
bei gleichem Einſatz doppelt ſo viel gewinnt als ein Anderer, ſich mehr als
doppelt darüber freuen müſſe, daß alſo z. B. die Freude deſſen, der
100,000 Thaler in der Lotterie gewinnt, mehr als noch einmal ſo groß
ſein müſſe, wie die deſſen, der 50,000 Thaler gewinnt. Meine Meinung
iſt vielmehr nur die, daß die Ausſicht auf einen höhern Gewinn zu einer
leichtern Beurtheilung der Chancen der Gefahr führt. Darauf beruhen alle
Lotterien. Wenn ich mit 10 Thalern im günſtigen Falle 15 oder 20 ge-
winnen kann, ſo wäge ich die Möglichkeit des Verluſtes genauer ab, als
wenn ich die Ausſicht auf mehrere Tauſende habe.
2) Man denke an die Spielluſt in Californien, an das Auftauchen ge-
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[91/0103] keit fuͤr den Gewinn in ſtaͤrkerem Verhaͤltniſſe, als die Summe des Gewinnes zu wachſen pflegt 1). Die Gefahrpraͤmie, d. h. derjenige Theil des Unternehmergewinnes, den man als Entſchaͤ- digung fuͤr die gelaufene Gefahr anſehen kann, iſt daher, je nach den Umſtaͤnden, eine verſchiedene, d. h. ſie aͤndert ſich nicht nur im Verhaͤltniſſe zum Grade der vorhandenen Gefahr, ſon- dern auch abgeſehen von dieſem, ſo daß die naͤmliche Art von Unternehmungen zu verſchiedenen Zeiten eine verſchiedene Gefahr- praͤmie verſprechen kann und umgekehrt 2 gleichzeitige Unter- nehmungen mit verſchiedener Gefahr dennoch die gleiche Gefahrs- praͤmie in Ausſicht haben koͤnnen. — Betrachtet man mit Ruͤck- ſicht hierauf die natuͤrliche Entwickelung der Voͤlker, ſo zeigt ſich ungefaͤhr folgender Verlauf. Auf der niedrigſten Stufe, wo ein Volk eben nur das Allernothwendigſte erwirbt, kann es nichts auf gewagte Unternehmungen verwenden, es giebt alſo auch keine Gefahrspraͤmie. Je reicher es wird, deſto mehr bleibt ihm fuͤr gewagte Unternehmungen uͤbrig, und je ſchneller und leichter es reich wird, deſto geneigter wird es ſein, letztere ſelbſt dann zu unternehmen, wenn der Ertrag der Gefahr nicht vollſtaͤndig entſpricht 2). Spaͤter, wenn der Reichthum langſamer vorwaͤrts 1) Es kann dieß wohl nach dem Obigen nicht mißverſtanden werden. Zur Erläuterung bemerke ich jedoch: nicht das iſt damit geſagt, daß wer bei gleichem Einſatz doppelt ſo viel gewinnt als ein Anderer, ſich mehr als doppelt darüber freuen müſſe, daß alſo z. B. die Freude deſſen, der 100,000 Thaler in der Lotterie gewinnt, mehr als noch einmal ſo groß ſein müſſe, wie die deſſen, der 50,000 Thaler gewinnt. Meine Meinung iſt vielmehr nur die, daß die Ausſicht auf einen höhern Gewinn zu einer leichtern Beurtheilung der Chancen der Gefahr führt. Darauf beruhen alle Lotterien. Wenn ich mit 10 Thalern im günſtigen Falle 15 oder 20 ge- winnen kann, ſo wäge ich die Möglichkeit des Verluſtes genauer ab, als wenn ich die Ausſicht auf mehrere Tauſende habe. 2) Man denke an die Spielluſt in Californien, an das Auftauchen ge-

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Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/103>, abgerufen am 28.03.2024.