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Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704.

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ter den fünff Sinnen eine Ergötzung machet. Ge-
wiß/ so nicht ein einäugichter Polyphemus allhie sein
Wort soll zum Urtheils-Spruche stellen/ so wird man
sonst sagen/ daß die Poeterey unsere Ohren/ unsere
Augen und unsere Gemühter mit angenehmer Er-
quickung überziehe/ und heist von ihr was Erasmus
schreibet: Ex omnium Disciplinarum Deliciis ac me-
dullis condita Placenta, atque e lectissimis quibus-
dam flosculis compositum mellificium, Poesis est.

Desgleichen Philippus Melanchthon: Flos & The-
saurus Eruditionis, Magistra vitae & formatrix Lin-
guarum, Poesis.

2. Wer unter annehmlichen Blumen wandelt/
der wird durch ihren Geruch und bundte Farben mit
Freuden begeistert/ und wenn das Gemüht zwischen
den Gratien und Musen wandeln kan/ so muß es war-
lich neue Anmuht schöpffen; Weswegen Pindarus die
Musen beschreibt/ sie wären von Silber/ anzudeuten/
daß die Kunst der Poeterey nicht aus dem Staube
oder Deucalions Steinen stamme/ sondern die aller-
köstlichste und schönste unter allen andern sey. Bar-
tholi
begnügsame Armuht p. 7. c. 1. Wie denn Opitz
gar zierlich geredet: Die gantze Poeterey bestehe im
Nachäffen der Natur; weiln die Dichterey einen
Berg vorstellet mit tausend Kräutern/ einen Garten
mit unbeschreiblichen Blumen/ ein Mahlwerck daran
die Kunst zu spüren/ und in Summa/ alle Lust/ die
ihm das Gemühte nur einbilden mag/ und ist wol
wahr/ was Plutarchus sagt: Quemadmodum in iis-
dem pascuis Apis florem sequitur, capra fruticem,

sus
A 5

ter den fuͤnff Sinnen eine Ergoͤtzung machet. Ge-
wiß/ ſo nicht ein einaͤugichter Polyphemus allhie ſein
Wort ſoll zum Urtheils-Spruche ſtellen/ ſo wird man
ſonſt ſagen/ daß die Poeterey unſere Ohren/ unſere
Augen und unſere Gemuͤhter mit angenehmer Er-
quickung uͤberziehe/ und heiſt von ihr was Eraſmus
ſchreibet: Ex omnium Diſciplinarum Deliciis ac me-
dullis condita Placenta, atque è lectiſſimis quibus-
dam floſculis compoſitum mellificium, Poeſis eſt.

Desgleichen Philippus Melanchthon: Flos & The-
ſaurus Eruditionis, Magiſtra vitæ & formatrix Lin-
guarum, Poeſis.

2. Wer unter annehmlichen Blumen wandelt/
der wird durch ihren Geruch und bundte Farben mit
Freuden begeiſtert/ und wenn das Gemuͤht zwiſchen
den Gratien und Muſen wandeln kan/ ſo muß es war-
lich neue Anmuht ſchoͤpffen; Weswegen Pindarus die
Muſen beſchreibt/ ſie waͤren von Silber/ anzudeuten/
daß die Kunſt der Poeterey nicht aus dem Staube
oder Deucalions Steinen ſtamme/ ſondern die aller-
koͤſtlichſte und ſchoͤnſte unter allen andern ſey. Bar-
tholi
begnuͤgſame Armuht p. 7. c. 1. Wie denn Opitz
gar zierlich geredet: Die gantze Poeterey beſtehe im
Nachaͤffen der Natur; weiln die Dichterey einen
Berg vorſtellet mit tauſend Kraͤutern/ einen Garten
mit unbeſchreiblichen Blumen/ ein Mahlwerck daran
die Kunſt zu ſpuͤren/ und in Summa/ alle Luſt/ die
ihm das Gemuͤhte nur einbilden mag/ und iſt wol
wahr/ was Plutarchus ſagt: Quemadmodum in iis-
dem paſcuis Apis florem ſequitur, capra fruticem,

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[9/0021] ter den fuͤnff Sinnen eine Ergoͤtzung machet. Ge- wiß/ ſo nicht ein einaͤugichter Polyphemus allhie ſein Wort ſoll zum Urtheils-Spruche ſtellen/ ſo wird man ſonſt ſagen/ daß die Poeterey unſere Ohren/ unſere Augen und unſere Gemuͤhter mit angenehmer Er- quickung uͤberziehe/ und heiſt von ihr was Eraſmus ſchreibet: Ex omnium Diſciplinarum Deliciis ac me- dullis condita Placenta, atque è lectiſſimis quibus- dam floſculis compoſitum mellificium, Poeſis eſt. Desgleichen Philippus Melanchthon: Flos & The- ſaurus Eruditionis, Magiſtra vitæ & formatrix Lin- guarum, Poeſis. 2. Wer unter annehmlichen Blumen wandelt/ der wird durch ihren Geruch und bundte Farben mit Freuden begeiſtert/ und wenn das Gemuͤht zwiſchen den Gratien und Muſen wandeln kan/ ſo muß es war- lich neue Anmuht ſchoͤpffen; Weswegen Pindarus die Muſen beſchreibt/ ſie waͤren von Silber/ anzudeuten/ daß die Kunſt der Poeterey nicht aus dem Staube oder Deucalions Steinen ſtamme/ ſondern die aller- koͤſtlichſte und ſchoͤnſte unter allen andern ſey. Bar- tholi begnuͤgſame Armuht p. 7. c. 1. Wie denn Opitz gar zierlich geredet: Die gantze Poeterey beſtehe im Nachaͤffen der Natur; weiln die Dichterey einen Berg vorſtellet mit tauſend Kraͤutern/ einen Garten mit unbeſchreiblichen Blumen/ ein Mahlwerck daran die Kunſt zu ſpuͤren/ und in Summa/ alle Luſt/ die ihm das Gemuͤhte nur einbilden mag/ und iſt wol wahr/ was Plutarchus ſagt: Quemadmodum in iis- dem paſcuis Apis florem ſequitur, capra fruticem, ſus A 5

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Zitationshilfe: Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704. , S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/21>, abgerufen am 25.04.2024.